Ein Roman, der dem Leser auf zeitlose Weise aktuelle Fiktion nahebringt. Die Autorin Margaret Atwood publizierte den "Report der Magd" bereits 1985 - und fing die Strömung eines Zeitgeistes auf, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Stetig werden Assoziationen geweckt - an den kalten Krieg, an die NS-Zeit, an die DDR oder die dunklen Blüten des religiösen Fanatismus.
Die Geschichte spielt in einem fiktiven, totalitären Staat, errichtet von christlichen Fundamentalisten. Nach atomarer Verseuchung ist Fruchtbarkeit von Frauen zur Seltenheit geworden - um den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten, werden Frauen entmündigt. Sie haben drei Formen der Existenz: Ehefrauen von Führungskräften, Dienerinnen und Mägde, die Kinder für unfruchtbare Ehefrauen gebären müssen. Das Regime erlaubt Mägden kaum Kontakt zur Außenwelt, die Angst vor Bestrafung ist groß. Spitzel, im Roman "Augen" genannt, lauern überall und vermelden Fehltritte sofort. Öffentliche Hinrichtungen sind ebenso an der Tagesordnung wie Rationierung von Lebensmitteln oder das Verbot des Lesens für Frauen.
Die Erzählerin Desfred, Magd beim Kommandanten Fred, berichtet mit Rückblenden aus ihrem Alltag. Ihre Erzählweise ist zögernd, als fürchte sie sich vor der Entdeckung ihrer eigenen Gedanken. Sie hat den Aufschwung des Regimes miterlebt, berichtet von der Umerziehung zur Magd und ihrer vergangenen Ehe. In ihren Wartezeiten zwischen den erzwungenen Geschlechtsakten im Beisein der Ehefrau des Kommandanten erinnert sie sich und zeigt fortlaufend mit der Geschichte, immer öfter Zeichen des Aufbegehrens. Ein Zufall kommt ihr zur Hilfe, der einen Ausweg aus dem totalitären System bedeuten könnte.
Die Wortwahl der Autorin ist sanft, nie despektierlich und immer eindrücklich. Sie schafft mit feinsinnigen Sätzen eine Atmosphäre beklemmender Spannung. Beim Leser wird eine Hellhörigkeit geweckt, denn die ideellen Strömungen des Regimes lassen sich auf die tagespolitische Realität übertragen - sowohl zur Entstehungszeit 1985 als auch heute. Margaret Atwood versteht es, Leser zu fesseln und in ihnen gleichzeitig den Wunsch nach Freiheit zu entfachen. Für ihren hervorragenden, eindrücklichen Erzählstil und die politische Aufklärungsarbeit ihrer Werke wurde sie mehrfach ausgezeichnet, auch mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
"Der Report der Magd" avancierte zum Kultbuch ganzer Generationen, es wurde verfilmt und ist als mittlerweile sogar als Serie erschienen. 2017 erschien eine Graphic Novel, die in intensiven Bildern auf fortbestehende Aktualität des Stoffes hinweist. Ganze 34 Jahre nach der Veröffentlichung ist 2019 mit "Die Zeuginnen" eine Fortsetzung des Reports erschienen.
Es ist ein Buch, welches man nicht aus der Hand legt - so banal das klingt, so wahr ist es. Wer es beginnt, hört vor Seite 170 nicht auf, zu lesen. Die Spannung geht durch alle drei Erzählstränge hindurch - die Gegenwart von Desfred, das Schicksal ihrer besten Freundin aus dem Umerziehungslager und der Verbleib ihrer eigenen Familie. Die Lektüre des Romans ist trotz der thematischen Schwere unterhaltsam - und schärft den eigenen Sinn für Gesellschaftskritiken.
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