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Eltern und Hebamme können nur noch den Tod des Kindes feststellen. Ein schmerzlicher Moment, und spätestens hier verließen in Venedig weitere Zuschauer den Saal. Denn ab diesen Punkt kann es nicht besser werden und gewiss muss jeder selbst einschätzen, ob oder inwieweit er dem folgenden Geschehen noch weiterbeisitzen möchte. «Pieces of a Woman» ist definitiv kein Wohlfühlfilm. In einer Zeit, in der die weltweite Pandemie Menschen verzweifeln lässt, dient eine derart schwermütige Tragödie um Tod und Trauer sicherlich nicht der Ablenkung, sondern trifft tief ins Herz, und das vor allem Menschen, die momentan sowieso schon eine psychische Labilität verspüren.
Die Frage nach der Schuld
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Der Verlust entzweit das Paar, während Martha versucht, schnell wieder in den Alltag zurückzufinden und alle Empfindungen der Trauer zu unterbinden, bittet Sean um Aufarbeitung und Neuanfang. Dabei kommt noch einmal zum Vorschein, dass sich der Brückenbauer seiner Frau, die aus besserem Hause kommt und weit mehr als er verdient, unterlegen fühlt. Seine Schwiegermutter Elizabeth (Ellen Burstyn) schaltet sich ein und fordert, dass ein Prozess gegen die unfähige Hebamme angestrebt werden sollte. Denn die Frage nach der Schuld könnte auch den Schmerz stillen.
Eigenerlebtes in symbolträchtigen Bildern
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Wie oft gelingt es schon, sein Publikum emotional dermaßen zu berühren. Dass sein Film so authentisch und ehrlich wirkt, hat sicherlich auch mit dem Umstand zu tun, dass der Ungare selbst ein Betroffener ist. Er und seine Partnerin Kata Wéber, die auch das Drehbuch zu «Pieces of a Woman» verfasste, verarbeiteten damit den Verlust eines eigenen Kindes. Sie wissen also, wovon sie erzählen und wie sehr das eine Partnerschaft im Nachhinein belastet und wie verschiedenartig auch das gesellschaftliche Umfeld darauf reagiert. Denn eine Todgeburt wirkt noch oft wie ein Tabu, was eine würdevolle Trauerarbeit schwermacht. Kornél Mundruczó setzt hierbei auf symbolträchtige Bilder, etwa der Bau einer Brücke über den Boston River, an den der Ehemann beteiligt ist. Ein starkes Bild für zwei Strecken, die Stück für Stück aufeinander zu kommen, so wie Martha und Sean, die nur diese eine Chance haben.
Fazit: Es sind die ersten 23 Minuten, die einen völlig fassungslos machen. Freude, Schmerz, Angst und Verzweiflung übertragen sich auch aufs Publikum. Äußerst gefühlsvoll, wenn auch meist tragisch und traurig.
«Pieces of a Woman» ist bei Netflix zu sehen.
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