Die Geschichte rund um den Mann, dessen Name selbst in Deutschland bis heute für einen vertrauten Klang in unseren Köpfen sorgt, bietet mehr als genug Potential für viele interessante Erzählstunden. Der Söldner, der für sowohl die christliche als auch die muslimische Seite überaus erfolgreich Schlachten schlug, wurde von den spanischen Dichtern schon im Mittelalter zum Nationalhelden erklärt. Auf den ersten Blick ist «El Cid» genau das, was von einer mittelalterlichen Heldengeschichte erwartet werden kann. Wie mit einer Checkliste können hinter die großen Themen rund um Mord, Krieg, Liebeleien sowie Intrigen und Verachtung am Hof zwischen den Ständegesellschaften schwungvolle Häkchen gesetzt werden.
Serienschöpfer José Velasco hat dabei den Fokus allerdings etwas zu sehr auf die Intrigen am leónesischen Hof verlagert und den Aufstieg seines titelgebenden Helden vom unerfahrenen Jungen mit der Intention Ritter zu werden, erstmal hintenangestellt. Ein Großteil der Screentime wird dem höfischen Spiel rund um den alternden König Ferdinand I (José Luis García Pérez), dessen ehrgeizigen Söhnen und seiner intriganten Tochter sowie dem gierigen Grafen Flaín von León (Carlos Bardem) gewidmet, wodurch «El Cid» zu einem nicht unbeträchtlichen Teil mehr an eine spanische Vorabendtelenovela mit gehörigem Seifenoperflair erinnert als an eine großangelegte historische Actionserie. Die Orientierung am großen Vorbild «Game of Thrones» ist hier allseits präsent, kann sich aufgrund der historischen Einschränkungen, letztlich handelt es sich nun einmal um eine historische und keine fiktionale Serie, nie vollends entfalten. Trotz erzählerischer Freiheiten läuft das Intrigenspiel daher überwiegend in der Zweitklassigkeit ab, was die Serie aufgrund ihrer ansehnlichen Schauplätze samt ordentlichem Budget mit einer Fokussierung auf die Hauptgeschichte um El Cid gar nicht nötig gehabt hätte. Verantwortlich für diesen erzählerischen Knick ist auch die Tatsache, dass der recht krampfhaft wirkende Versuch aus des Königs Tochter, Prinzessin Urraca (Alicia Sanz) eine mittelalterliche Feministin zu machen, die jederzeit die Zügel übernehmen könnte, ins Leere verläuft. Während man Sanz nichts vorwerfen kann, sie spielt ihre Rolle durchaus überzeugend, so wirkt ihre Figur zwischen boshafter Intrigantin und mittelalterlicher Feministin mit Bezug auf die ihr zugeschriebene Screentime etwas allzu sehr gewollt.
Abseits der Geschichten am Hof weiß El Cid allerdings durchaus zu überzeugen. Kostümdesign und Settings wirken hochwertig und selbst die wenigen Kampf- und Schlachtenszenen sind visuell durchdacht in Szene gesetzt. Die Stärken der Serie kommen dann besonders zum Tragen, wenn die Geschichte rund um «El Cid» an Fahrt aufnimmt und das Höfische in den Hintergrund rückt. Das erste große Abenteuer der Geschichte hin zu den Muslimen, das leider erst viel zu spät im Verlauf der Serie ansetzt, bietet auch den bis dato größten uneingeschränkten Unterhaltungswert.
Es scheint fast so als wäre diese aus fünf Folgen bestehende erste Staffel «El Cid» eigentlich auf zehn Folgen ausgelegt gewesen und die Staffel aus produktionstechnischen Gründen zweigeteilt worden. Anders sind die langwierigen teils zweitklassigen Erzählstränge, die kaum bis gar nicht zum Handlungsfortschritt beitragen, kaum zu erklären. Wer sich auch von Seifenoperintrigen gut unterhalten lassen kann, wird mit «El Cid» als bisheriges Gesamtwerk keine Probleme haben, der Rest dürfte bei weiteren Folgen auf eine Fokusverlagerung der Geschichte hin zu den Abenteuern und Schlachten bzw. dem damit verbunden Aufstieg des titelgebenden Protagonisten zum Nationalhelden hoffen.
Die fünf Folgen der ersten Staffel «El Cid» sind seit dem 18. Dezember 2020 bei Amazon Prime Video sowohl in spanischem Originalton mit deutschen Untertiteln als auch in deutscher Synchronisation abrufbar.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel