Interview

Helga Löbel: ‚Man hätte eine Intimacy Coordination schon immer gebraucht‘

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Die neue Serie von TV Now vereint Tanz mit einer fiktionalen Handlung. Quotenmeter sprach mit der UFA Serial Drama-Produzentin Helga Löbel über die Dreharbeiten.

Frau Löbel. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Ihr Projekt «Even Closer – hautnah» hört sich spannend an. Im Mittelpunkt der Serie, die am Valentinstag startet, stehen junge Erwachsene, die mit ihrer Leidenschaft zum Tanzen und ihrem Gefühlschaos ihr Leben miteinander vereinbaren wollen?
Genau, so ist es. Unser Ensemble sind Student:innen an einer Musicalschule, die alles geben, um ihrem Traum näher zu kommen und auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu stehen. Es geht aber auch um Liebe und viel Leidenschaft. Denn wenn Leidenschaft außer Kontrolle gerät und das Gefühlschaos ausbricht, dann kann der große Traum, der gerade noch zum Greifen nah war, platzen.

Sie arbeiten am Set mit der Erotik-Expertin Paulita Pappel zusammen, die bei den Dreharbeiten als „Intimacy Coordinator“ vor Ort war. Können Sie uns diese Aufgabe erklären?
Grundsätzlich ist die Intimacy Coordination dafür da, die Inszenierung von intimen Szenen zu unterstützen und sicherzustellen, dass alle Beteiligten, vor allem die Schauspieler:innen geschützt arbeiten und damit ein gutes Ergebnis abliefern können. Das sind in der Regel Sexszenen, es kann aber auch mal eine intimere Kussszene betreffen oder eine Szene, in der Gewalt eine Rolle spielt. Im Grunde gleicht diese Aufgabe die der Stunt Coordination. Die Szenen werden besprochen, choreografiert und dann zusammen mit Regie und Kamera umgesetzt. Bei «Even Closer – hautnah» war es aber so, dass Paulita insbesondere mich, aber auch die Regisseurin Raquel Stern, im Vorfeld bei dem gesamten Thema Sexualität und Darstellung von Sex beraten hat.

Es gab schon immer Coming-of-Age-Serien im deutschen oder amerikanischen Fernsehen. Warum benötigt man seit 2020 einen „Intimacy Coordinator“?
Intimacy Coordination hat nicht zwingend etwas mit Coming of Age Serien zu tun, sondern eben mit intimen Szenen. Die können in jedem Format vorkommen. Genau genommen hätte man eine Intimacy Coordination schon immer gebraucht. Schauspieler:innen geben in intimen Szenen viel von sich Preis – es ist Aufgabe der Produzent:innen, sie in ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen und zu schützen. Wenn jemand für eine Szene aus dem 3. Stock springen soll, fragt auch niemand, ob man dafür Stunt Coordination braucht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Job zurecht eine Selbstverständlichkeit erfährt.

Bei Ihrem Pitch bei TVNOW sagten Sie: „Tanzen ist wie Sex – nur angezogen“.
Der Ausdruck von Emotionen mit unseren Körpern, ist uns als Menschen ureigen und angeboren. Wir verlernen das vielleicht oder schließen es weg, aber es ist immer da. Jeder kennt das Gefühl, dass die Körpersprache mehr über das Innenleben verrät, als einem eigentlich lieb ist. Es ist unglaublich schwer, etwas zu verbergen, das man verbal nicht kommunizieren möchte. Beim Tanzen und Sex ist es ähnlich: beides sind Ausdruck von Gefühlen mit Körpern. Und häufig, sehr häufig, hat Tanzen eine sexuelle Konnotation, eine Komponente, die es irgendwo doch sinnlich, sexy macht.

Die Schauspieler kommen sich vor der Kamera sehr nahe. Sie sagten selbst, dass die Erotikszenen simulierter Sex sind. Wie schwer war die Umsetzung bei den Dreharbeiten während der Corona-Pandemie?
Schwer. Das war eine echte Herausforderung. Die Schauspieler:innen mussten alle mehrere Wochen in Quarantäne, durften keinen echten Kontakt zur Außenwelt haben, nirgendwo unterwegs sein als zwischen ihren Appartements und dem Set. Das war vor allem für den Cast eine echte Belastungsprobe und ich bin wahnsinnig dankbar, dass sie sich darauf eingelassen haben. Hinzu kommen die Nebenrollen, bei denen wir jedes Mal prüfen mussten, ob eine Quarantäne notwendig ist. Wir mussten hier sehr genau planen und die Inszenierung vorher genau festlegen. Wenn jemand nicht für einen Kuss geplant war, dann konnte das am Set auch nicht mehr spontan geändert werden. Denn nur wer getestet und in Quarantäne ist, darf die 1,50 m ohne Maske unterschreiten.

Ihr Format «Even Closer – Hautnah» basiert auf einer eBook-Reihe. Ich kenne kaum andere Serien, die mit einem ähnlich großen Aufwand gedreht wurden. Vielleicht noch «Glee», aber ansonsten sind Teen-Dramen ja recht unspektakulär. Eigentlich doch seltsam, dass «Dirty Dancing»-Wiederholungen nach wie vor ein großer Erfolg sind und es kaum solche Serien gibt?
Tanzfilme und -serien wird es immer geben, davon bin ich überzeugt. Einfach weil der Ausdruck durch Bewegung in unserer DNA fest verankert ist und wir dem TANZ als Spektakel gern zusehen. «Even Closer – hautnah» ist bereits meine zweite Produktion, in der Tanzen eine große Rolle spielt. Mit dem zusätzlichen Aspekt, dass wir hier sehr explizit Sexszenen zeigen, bekommt das Format „Tanzserie“ sicher auch nochmal einen neuen Twist.

Die Bücher wurden von Julia Meimberg, Kristin Schade und Paul Schwarz geschrieben. Hatten die Autoren bei Cast-Entscheidungen und ähnlichem Mitspracherecht, wie das die Drehbuchvereinigung Kontrakt 18 fordert?
Nein. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wurde «Even Closer – hautnah» sehr knapp vor Produktionsbeginn beauftragt. Das hatte vor allem etwas mit der Pandemie und der unsicheren wirtschaftlichen Lage im vergangenen Jahr zu tun. Bei solch knappen Vorläufen, ist es schlicht nicht möglich Autor:innen in solche Entscheidungen einzubinden. Zum anderen ist es aber in diesem Fall auch so, dass wir hier Schauspieler:innen gesucht haben, die alle extrem viele Skills mitbringen mussten – und bereit sein mussten mir und uns zu vertrauen und sich auch auszuziehen. Das ist gar nicht so leicht. Ganz unabhängig davon haben die Autor:innen die Forderungen auch gar nicht aufgemacht, da wir ein sehr enges Verhältnis zueinander haben und ein Grundvertrauen in unsere Arbeit, und damit vor allem auch ein gemeinsames Verständnis über bspw. die Produktionsabläufe, besteht. Und natürlich wurden alle drei Autor:innen von mir über alle relevanten Entscheidungen immer informiert.

Ihr Format landet bei TVNOW, einem recht großen Streamingdienst in Deutschland. Wird Ihr Format „Talk of the Town“?
Na, das will ich hoffen! Ich glaube wir sind Deutschlands heißeste Serie in diesem Jahr und wir haben sehr viel investiert das Format hochwertig, sexy und dabei authentisch und cool aussehen zu lassen. Die Geschichten, die wir erzählen, sind universell und ich würde sagen mit mindestens einem von beiden Themen – Sex oder Tanz – kann jede:r etwas anfangen… ;)

Sie arbeiteten bei den Dreharbeiten unter anderem mit der „Stage School Hamburg“ zusammen. Waren Sie begeistert, von richtigen Profis angeleitet zu werden?
Die Stage School Hamburg war von Anfang an eine wichtige Partnerin an unserer Seite. Die Stage School hatte bereits die beiden Buchautorinnen Pia Sara und Tine Körner bei der Buchentwicklung unterstützt. Die Fachberatung und die Vernetzung in die Musicalszene hinein war von unschätzbarem Wert und ich hoffe, wir können jetzt – wo es auch für diese Branche nicht ganz einfach ist – mit einer positiven Serie, die in dieser Welt spielt, etwas zurückgeben.

Haben Sie schon die Zusage für eine zweite Staffel erhalten?
Inhaltlich hätten wir auf jeden Fall noch einiges zu erzählen und würden uns freuen, wenn wir eine zweite Staffel produzieren könnten. Am Ende entscheidet das TVNOW – und die Zuschauer:innen.

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