«Brassic» ist eine Gaunerkomödie, wie wir sie lange nicht mehr zu sehen bekommen haben. Mit einer Mischung aus Guy Ritchies «Snatch – Schweine und Diamanten» und Danny Boyles «Trainspotting» folgen wir dem Kleinganoven Vinnie (Gilgun) und seinen besten Freunden aus Kindheitstagen, die in der fiktionalen Kleinstadt Hawley im Norden Englands für eine ganze Menge Ärger sorgen. Die Entrepreneure verdienen ihr Geld dabei als Grasdealer, Diebe und Stripclubbesitzer und verlaufen sich in abstruse Geschichten, die den Zuschauer nicht allzu selten mit lautem Lachen vor dem Bildschirm zurücklassen. Die Formel scheint zu funktionieren, denn Brassic fuhr für den britischen Pay-TV-Sender Sky-1 die höchsten Quoten für eine Comedyserie in den vergangen sieben Jahren ein.
Serienschöper Gilgun, der genauso wie seine teilautobiografische Hauptfigur Vinnie an einer bipolaren Störung leidet, baut die Krankheit geschickt in die Serie mit ein, wodurch zumindest aus humoristischer Sicht ein fantastischer Kontrast zwischen eines depressiven, mit suizidalen Gedanken in seiner Hütte im Wald sitzenden Mannes und eines durchgeknallten, überdrehten Teilzeitdiebs geschaffen wird. Neben Gilgun wurden auch die restlichen Rollen seiner Freunde u.a. bestehend aus dem nie so richtig erwachsen gewordenen, von Bindungsängsten geplagten Dylan (Damien Molony), dessen Freundin Erin Croft (Michelle Keegan), die als einzige zumindest teilweise versucht, sich von der Gruppe zu emanzipieren und auf eigenen Beinen zu stehen oder dem liebevollen, aber etwas zurückgebliebenen und übergewichtigem Leslie „Cardi" Titt (Tom Hanson) fantastisch besetzt. Spätestens aber, wenn Dominic West, in seiner Nebenrolle als selbstverliebter Psychiater, zum ersten Mal auf dem Bildschirm erscheint und für den armen Vinnie leider so gar keine Hilfe bei seinen Problemen darstellt, kann man sich vor Lachen kaum noch zurückhalten.
Die Kamera fängt unterdessen das perspektivlose Kleinstadtleben ihrer Bewohner hervorragend ein. Zwischen heruntergekommenen, renovierungsbedürftigen Bauten und weiten Äckern versuchen die Menschen ihren Lebensunterhalt auf die eine oder andere Weise zu bestreiten. Warme, strahlende Farben darf man dabei im regnerischen, grauen Norden Englands eher nicht erwarten. Alles wirkt etwas wie aus der Zeit gefallen, die Kleidung, die Interaktionen untereinander, der kaum sichtbare technologische Fortschritt, lassen eine Handlung vermuten, die irgendwo um die Jahrtausendwende angesiedelt ist und nicht 20 Jahre später. Vielleicht macht aber auch gerade das den Charme von «Brassic» aus, in eine Welt einzutauchen, in der die städtische Hektik keinen Platz hat, in der die Zeit stillzustehen scheint.
Mit «Brassic» wurde eine Blase voller durchgeknallter Charaktere in ihrem eigenen Mikrokosmos geschaffen, die sich weder für das weltpolitische Geschehen noch den technologischen Fortschritt außerhalb des beschaulichen Kleinstadtlebens interessiert. Die Serie zeichnet äußerst humorvoll ein Leben nach eigenen Regeln und Gesetzen, in dem man sich nur auf seine besten Freunde verlassen kann und mit ihnen durch dick und dünn geht.
Die erste Staffel von «Brassic» ist beim Streamingdienst Joyn in deutscher Synchronisation abrufbar.
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