Debatte

Öffentlich-Rechtliche: Union-Papier soll Veränderungen aufhalten

von   |  16 Kommentare

Laut eines Papiers der Mittelstandsvereinigung sollen ARD und ZDF radikal reformiert werden. Doch mit dieser Idee verschafft man den Sendern nur unnötige Zeit – weil die Vorschläge mit ihrer Radikalität nie funktionieren werden. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Die ARD, das ZDF und Deutschlandradio bekommen derzeit 17,50 Euro von allen Bundesbürgern pro Monat. Dieser Beitrag ist vielen Menschen ein Dorn im Auge, denn es wird ein viel zu teures und breites Programm abgebildet. Die Kommission der bekannten Mittelstandsvereinigung der Union (MIT) hat der überregionalen Tageszeitung ‚Welt‘ ein Konzeptpapier vorab gegeben, das die Zeitung auch prominent platzierte.

Die Worte der Mittelstandsvereinigung, in der Carsten Linnemann die Führung hat, sind revolutionär. Erneut wurde der Vorschlag unterbreitet, dass ARD und ZDF in einer neuen Rundfunkanstalt aufgehen. Auch andere Ideen hören sich für das viel zu überfrachtete Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender prima an: „Die zahlreichen linearen TV-Vollprogramme sollen auf wenige Kanäle konzentriert werden. Auch die Radiosender müssen auf den Kernauftrag reduziert werden, sodass von den derzeit 74 Radiosendern ein signifikanter Teil entfallen muss“, heißt es in dem Papier.

Der Rundfunkbeitrag soll künftig von allen Menschen bezahlt werden, aber juristische Personen entfallen künftig. Im Sieben-Jahres-Zyklus soll zudem die Höhe des Beitrags neu gemessen werden, allerdings soll dieser durch die Konzentration auf Nachrichten und Dokumentationen und den Verzicht auf teure Sportrechte deutlich sinken. Die Mitglieder der Mittelstandsvereinigung der CDU sind sich sicher, dass die Olympischen Spiele oder große Fußball-Turniere bei den privaten Sendern besser aufgehoben sind.

Diese Ideen der Mittelstandsvereinigung sind tatsächlich revolutionär – aber schießen über das Ziel hinaus. Das ist eben auch der Punkt: Sie sollen erneut über das Ziel schießen, um Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks möglichst weit hinauszuzögern. Die Ideen sind Weiterentwickelungen von bisherigen Vorschlägen, die weitaus kleiner gedacht waren. Aber zu einer vollständigen Auflösung von ARD und ZDF und die Gründung einer neuen öffentlich-rechtlichen Anstalt wird es nicht kommen. Die Pläne sind utopisch.

Stattdessen lenkt dieses Papier von den derzeitigen Problemen von ARD und ZDF ab. In der Corona-Krise gehen die Nachrichtensendungen unkritisch mit den Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, dem Chef des Robert-Koch-Institut Lothar H. Wieler und anderen Akteuren der Corona-Krise um. «Tagesschau» & Co. sind inzwischen so oberflächlich, dass sie eine Bewegbildversion der dpa sind.

Ab Frühjahr ist die bisherige ARD Degeto-Chefin Christine Strobl, ihres Zeichens CDU-Mitglied, Ehefrau von CDU-Politiker Thomas Strobl (derzeit Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg) und Tochter von Wolfgang Schäuble (CDU) neue Programmchefin von Das Erste. Strobl und die Mittelstandsvereinigung könnten sich austauschen, das Programm der blauen Eins politischer und kritischer zu gestalten. Aber die Medienschaffenden wissen: Eine Stärkung der politischen Inhalte würde vor allem die Union schlecht aussehen lassen.

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Es gibt 16 Kommentare zum Artikel
Blue7
25.02.2021 12:09 Uhr 1
RIchtig, die ganzen Radiosender zu Gemeinschaftsradiosender zusammenfassen. Deutschland braucht keine inzwischen 4 ARD Schlagerradios, gefolgt von über 10 ARD Chartradiosender, wo die selben Musik duddelt mit Ausnahme von paar Stunden. Und wenn ich höre, dass der WDR einen neuen Sat-Transponder die Tage aktiviert um die 10 Regional WDR Senderversionen in HD anbieten zu können. Wir reden hier von einer Regionalzeit von gerade mal 30 Minuten. Was das wieder kostet, aber Hauptsache SD Verbreitung in Sat und Kabel bis 2024 erstmal garantiert.

Die ARD meint sie kann alles mit den Zahlern tun, die werden/müssen dann halt mehr zahlen.
Kaffeesachse
25.02.2021 12:59 Uhr 2
Die Mittelstandsvereinigung der CDU ... hört sich also alles "prima" an. Ja klar, ein bisschen den privatwirtschftlichen Freunden den Markt bereinigen. Und gleichzeitig kann man so eine einzige öffentlich-rechtliche Anstalt viel einfacher an die Kandarre nehmen, wenn sie nicht sendet, was einem gefällt. :')
Vittel
25.02.2021 13:16 Uhr 3
Ja, so kann man das durchaus interpretieren. Die Ziele sind so utopisch, dass sie ohnehin nicht erreicht und zerredet werden und am Ende erst mal nichts passiert. Da könnte man auch eine Absicht dahinter vermuten, damit sich erst mal nichts ändert.



Ich gehe noch einen Schritt weiter und behaupte, wenn sich nichts ändert, dann wird der ÖR Rundfunk mit seinen Zuschauern gemeinsam sterben. Nicht heute oder morgen, aber langsam wird sich das Durchschnittsalter der durchschnittlichen Lebenserwartung annähern.

Da helfen auch keine 50 Mio. für Funk oder sonstige Alibiaktivitäten.



Ich würde die Inhalte des Papiers nicht als umzusetzende Forderung sehen, sondern als eine Art Vision, in welche sich der ÖR Rundfunk bewegen sollte. Dann kann man in kleinen Schritten nach und nach in diese Richtung gehen.

Ein erster kleiner Schritt wäre die Auflösung der kleinen Rundfunkanstalten unter Beibehaltung der Regionalität. Dazu ist im Jahr 2021 kein neuer Transponder mit 10 Kanälen notwendig, dafür etabliert man einen VOD Bereich, in dem regionale Beiträge gesammelt werden. Dank moderner Technik könnte man heute noch viel lokaler und punktueller senden, z.B. mit einem mobilen Team, das wirklich jeden Tag unterwegs ist und regionale Beiträge erstellt.





Die Ausrede, dass man damit nicht alle Menschen erreicht, zieht nicht mehr lange.
Kaffeesachse
25.02.2021 14:29 Uhr 4
Zu den Radiosendern: Die Zerklüftung mancher Angebote innerhalb der einzelnen Anstalten finde ich auch fraglich. Aber: Es gibt keine "ARD"-Schlagerradios oder Chartsender. Außer dem Deutschlandfunk/Deutschlandradio gibt es ja gar keine Struktur, die davon irgendjemandem befähigt, bundesweit zu senden. Das A in ARD steht immer noch für Arbeitsgemeinschaft und eine Zusammenarbeit ist nach wie vor freiwillig. Wenn jemand irgendein bundesweites Konstrukt schaffen wollte, dauerte das noch Jahrhunderte. :grin:
Vittel
25.02.2021 20:24 Uhr 5


Bundesweit senden? Die haben doch alle Streams, die kann man doch bestimmt bundesweit abrufen. Wenn kein Geolock geschaltet ist, dann sogar weltweit
Kaffeesachse
25.02.2021 22:10 Uhr 6


Ich meinte damit nicht die tolle neue Technik, mit der man das ganze Gedöns heute überall empfangen kann (Internet kommt trotzdem noch nicht aus meinem Küchenradio). Es sind und bleiben nunmal Landesrunkfunkanstalten. Und wenn man in Bayern gern NDR hört, hört man was, das man eigentlich grundsätzlich gar nicht bezahlt hat (auch wenn jetzt sicher wieder einer um die Ecke kommt und meint, dass da vielleicht 3 Cent als Ausgleich von Bayern in den Norden wandern :') ).
kauai
25.02.2021 22:20 Uhr 7
Ich kann dieser Vision sehr viel abgewinnen! Das ZDF kann eingestampft werden und die Zahl der Radiostationen gehört äußerst kritisch hinterfragt. Ausgaben für Sportrechte und Unterhaltungsprogramm sollten ebenso kritisch geprüft werden.
Kaffeesachse
25.02.2021 22:24 Uhr 8
Genau! Und wir zahlen dann alle etwas weniger, aber etwas, was keiner guckt oder hört. :')
kauai
25.02.2021 22:29 Uhr 9

Ist doch gut! ich schaue und höre die Inhalte jetzt nicht und dann vermutlich auch nicht, aber zahle weniger dafür!
Vittel
26.02.2021 11:50 Uhr 10


Also "keiner" ist ja wohl übertrieben. Aus meiner Sicht ist genau das der primäre Auftrag der ÖR. Gutes Nischenprogramm für sehr unterschiedliche Zielgruppen anbieten. Bildung, Kultur, Randsportarten usw. All das, was auf dem kommerziellen Markt keine Chance hat, von der Gesellschaft aber dennoch als wertvoll angesehen wird. So wie viele Museen, Theater usw. auch funktionieren.

Meinetwegen auch die hölzernen Omi-Unterhaltungsformate, so lange es noch Nachfrage dafür gibt.



Wie viele das dann schauen ist sekundär. Die ÖR sollten sich längst aus dem täglichen Quotenwahnsinn verabschieden und die Nutzung und die Zufriedenheit langfristiger und auch qualitativer betrachten.

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