Stab
REGIE: Viviane AndereggenREDAKTION: Urs Fitze, Lilian Räber, Gabrielle de Gara (alle SRF) sowie Birgit Titze (ARD Degeto)
PRODUKTION: Jessica Hefti, Lukas Hobi, Reto Schaerli
DREHBUCH Stefan Brunner, Lorenz Langenegger
KAMERA: Martin Langer
MUSIK: Fabian Römer
SCHNITT: Constantin von Seld
DARSTELLER: Carol Schuler, Anna Pieri Zuercher, Rachel Braunschweig, Aaron Arens, Elisa Plüss, Igor Kovač, Peter Jecklin, Csémy Balasz, Levente Molnar
Schweiz / Deutschland 2020
Ja, das war sein gut gehütetes Geheimnis: Er hat Männer geliebt.
Das war's? Er war schwul? Und das hat er vor der Welt verborgen? Warum?
Die Antwort trägt einen Namen: Mathilde Chevalier – seine Mutter. Die Matriarchin der Schokoladenfabrik, hat ihren Sohn für seine Homosexualität verachtet. Vor allem hat sie ihm Zeit seines Lebens ihre Verachtung spüren lassen und – zum Wohle der Firma - ein Bild von ihm in der Öffentlichkeit aufgebaut, das mit dem wahren Hans-Konrad wenig zu tun hatte. So spielte er im Grunde genommen sein Leben lang eine Rolle – zu der auch eine Tochter gehörte: Claire. Eine Tochter, für die Hans-Konrad nie ein echter Vater sein durfte, da seine Mutter ihre Erziehung bestimmt hat. Sie hat sie auf ein strenges Internat geschickt, sie hat ihr Leben genauso geplant wie das ihres Sohnes. Mit einem Unterschied: Wo Hans-Konrad irgendwann aufgegeben und das von seiner Mutter für ihn bestimmte Leben gelebt hat – in dem seine Homosexualität nicht existieren durfte -, hat Claire gegenüber Mathilde eine tiefe Abscheu entwickelt. So ist ihr Verlobter Mathilde ein Dorn im Auge. Sie hält ihn, einen Anwalt, für einen Schwächling. Darüber hinaus macht sie Claire dafür verantwortlich, dass das Unternehmen rote Zahlen schreibt. Die Versuche der Enkeltochter, das seit Jahren defizitär arbeitende Unternehmen umzubauen, etwa dadurch, dass sie auf Fair Trade setzt und den Namen Chevalier für neue Zielgruppe interessant machen will, verachtet sie als neumodischen Kram. So trauert Mathilde nicht etwa um ihren Sohn. Sie nutzt vielmehr seinen Tod, um sich (mit einem Trick) wieder an die Spitze des Unternehmens zu setzen. Nach einem schweren Schlaganfall hat sie Hans-Konrad die Leitung des Unternehmens überschreiben müssen, der wiederum hat seine Tochter das operative Geschäft führen lassen. Nun kickt sie Claire aus ihrer Position.
Mathilde-Darstellerin Sibylle Brunner und Elisa Plüss in der Rolle der Claire Chevalier sind die eigentlichen Stars dieses «Tatort»s. Und selten hat man zwei Figuren aufeinanderprallen gesehen, die eine solche Verachtung füreinander empfinden. Jeder einzelne Satz verströmt im Grunde gegenseitige Geringschätzung, wenngleich die Gründe für ihre gegenseitigen Animositäten unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite steht die Matriarchin, die einen Namen zu bewahren gedenkt und die einen Widerspruch an ihren Entscheidungen als einen Angriff auf ihre Person betrachtet. War ihr Sohn für sie eine Enttäuschung, da er einfach „kein echter Mann“ in ihren Augen gewesen ist, ist Claire für sie eine Niederlage, da diese einfach nicht verstehen will, dass sie, Mathilde, doch immer nur das Beste für sie gewollt hat. Es ist eine harte Welt dort draußen und es überlebt im Haifischbecken dieser Geschäftswelt nur, wer die anderen frisst. Und dann kommt Claire mit Fair Trade und solch einem Nonsens des Weges. Claire wiederum verachtet Mathilde einfach dafür, dass sie in ihren Augen ein bösartiger, schlechter Mensch ist. Sie braucht keine Meta-Ebene für ihren Hass. Ihr Hass ist rein.
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Etwas weniger Krimi, etwa mehr (Fokus aufs großartige Familien-)Drama hätten diesem «Tatort», gut getan. Er ist, bei aller Kritik, unterhaltsam. Aber er hätte mehr sein können. Das Potenzial schlummert in ihm. Es ist nur leider nicht freigelassen worden.
«Tatort – Schoggiläbe» ist am Sonntag, den 28. Februar 2021, im Ersten zu sehen.
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26.02.2021 18:31 Uhr 1