Stab
Darsteller: Axel Milberg, Almila Bagriacik, Joseph Bundschuh, Jördis Triebel, Arnd Klawitter, Mathilde BundschuhMusik: Florian van Volxem und Sven Rossenbach
Kamera: Willy Dettmeyer
Drehbuch: Peter Probst und Daniel Nocke
Regie: Nicole Weegmann
Wo trifft diese Gedankenwelt auf besonders fruchtbaren Boden? In der Incel-Subkultur, bei Männern also, die in „unvolunatry celibacy“ (deutsch: in unfreiwilliger Partnerlosigkeit) leben, weil sie von den Frauen ihrer Wahl permanent zurückgewiesen werden. Die Ursache dafür sind natürlich nicht sie selbst, sondern die verweichlichte Mehrheitsgesellschaft, in der Männer nicht mehr Männer sein dürfen und Frauen darauf konditioniert wurden, echte Männer abzulehnen – echte Männer wie sie. Zum Beispiel Mario Lohse (Joseph Bundschuh), ein Alpha-Männchen, wie es im Buche steht. Sein geballter männlicher Tatendrang hat ihn mit Anfang 30 bis zu einem nichtsnutzigen Job als Parkhauspförtner gebracht, wo er von seiner Chefin in brüskem Ton zurechtgewiesen wird, weil er zu blöd zum Beaufsichtigen der Kasse ist. Sein Aussehen ist schmächtig und ein bisschen verwahrlost, seine Sprechweise stotternd. Steht ihm eine gleichaltrige attraktive Frau gegenüber, bringt er keinen geraden Satz heraus, und am Eingang einer verfallenen Disco wird er vom muskulösen Türsteher routiniert abgewiesen, bevor eine Gruppe junger Frauen Erbarmen hat und ihn mit in den Club nimmt. Eine tickende Zeitbombe.
Und dann kommt auch noch Pech dazu. Denn die eine Frau aus dem Club, die wirklich ein Auge auf ihn geworfen hatte, liegt am nächsten Tag tot am Ostseeufer und ist der nächste Fall für Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik), die nun Bekanntheit mit arischen Stammesbrüdern im Internet und resoluten Politikerinnen machen, die auch ernstzunehmende Morddrohungen nicht mehr aus der Fassung bringen.
Vordergründig aber soll diese Folge irgendwie ein Lehrvideo für Zuschauer sein, die die Entwicklungen der Neonazi- und Antisemitenszene der letzten zwanzig Jahre nicht so haargenau verfolgt haben wie aufmerksame Leser von „Störsender“ und taz. Kurz: Straff geführte und zentral organisierte bewaffnete Gruppen sind out, der neue heiße Scheiß sind potentielle Einzeltäter, die jeden Tag stundenlang im Dark Net in der verschwörungstheoretischen Ursuppe schwimmen, bis schließlich einer von ihnen durchdreht, sich eine Waffe greift und Konsequenzen aus seiner Gedankenwelt zieht. Kurz: eine dringend nötige Nachhilfestunde in stochastischem Terrorismus.
Um in dieser Lehrstunde möglichst viele Facetten des aktuellen Zustands deutscher Rechtsterroristen und ihrer Gedankenwelt zu präsentieren, wird manchmal die psychologische Führung der Episodenhauptrolle etwas fahriger angelegt, als dies vielleicht nötig gewesen wäre, um auch filmisch vollends zu überzeugen: Denn der trottelige junge Mann wirkt oftmals eher wie eine Karikatur auf einen sozial inkompetenten, vereinsamten Jungen mit verunglückter Frisur und verdruckstem Auftreten. Aber vielleicht muss man sich die gefährlichsten Männer Deutschlands tatsächlich so vorstellen.
Das Erste zeigt «Tatort – Borowski und die Angst der weißen Männer» am Sonntag, den 7. März um 20.15 Uhr.
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