Nach dem Krieg, so haben wir es alle in der Schule gelernt, folgte der Aufstieg, mit dem Wirtschaftswunder kam das große Vergessen, und eine neue Zeit brach an, mit amerikanischer Jazzmusik und Nylon-Strümpfen, Zigarre rauchenden Wirtschaftsbossen und einem neuen Selbstbewusstsein. Das galt auf beiden Seiten des Rheins, im ausgebombten Deutschland wie im befreiten Frankreich, und erst recht in der kaum von Kriegsschäden betroffenen Schweiz.
Doch zwischen den Ären aus massenmörderischer Zerstörung und unaufhaltsamem Aufschwung lagen ein paar Monate und Jahre einer seltsamen Zwischenwelt, als zumindest die verbrecherischsten Nazis gefasst und die Befreiten aus den Konzentrationslagern irgendwie verteilt werden mussten. Zu diesen Problemfeldern stieß im letzten Winter die SRF-Produktion «Frieden» vor, die dank arte ab Donnerstagabend auch einem breiten deutschen und französischen Publikum zugänglich sein wird (und obendrein bereits in der Mediathek verfügbar ist).
Die junge Schweizerin Klara Tobler (Annina Walt) will sich in einem Flüchtlingsheim um gerettete Kinder aus Buchenwald kümmern. Doch als die ersten Busse in den Alpen ankommen, ist die Realität eine andere: Da die meisten Kinder von den Schlächtern im Vernichtungslager direkt in den Gaskammern ermordet wurden, haben sich die Schweizer nun um traumatisierte Halbstarke zu kümmern.
Und während sich in Klaras Privatleben mit der langersehnten Heirat mit Johann (Max Hubacher) zumindest einiges zum Guten wendet, geht es mit dem Familienbetrieb, einer bis dato sehr gewinnträchtigen Tuchfabrik, gehörig den Bach runter – Kummer, der Klaras geliebten Vater mittlerweile an den Rand des Herzinfarkts bringt, und gleichzeitig Johann die Chance eröffnet, das taumelnde Unternehmen mit neuen Ideen auf Kurs zu bringen.
Was einem waschechten Nachkriegsstoff jetzt noch fehlt? Richtig, die Jagd auf die Nazis. Dafür ist Johanns Bruder Egon (Dimitri Stapfer) zuständig, ein Beamter der Bundesanwaltschaft, der bald auf mysteriöse alte Seilschaften stößt, die sich schließlich zu einer ziemlich konstruiert wirkenden Entscheidung zuspitzen: Geschäfte machen mit den Altnazis, oder Ehre in Verbindung mit Untergang?
Schade, dass diese Frage so gewollt wirkt, und dass sich «Frieden» nie dazu durchdringen kann, einen frischen, ungeschönten und neuen Blick auf diesen bestimmenden Zeitraum zu werfen. Stattdessen wirken alle wirklich interessanten Aspekte dieses Stoffes – die traumatisierten KZ-Häftlinge, eine junge Frau aus gutem Hause, die zum ersten Mal in ihrem Leben mit schrecklichstem menschlichen Leid konfrontiert ist, und eine Schweizer Gesellschaft, die vieles lieber gar nicht so genau wissen will – wie eine bloße Kulisse, vor der sich wie vor einem Bergpanorama einmal aufs Neue eine biedere Geschichte um junge Liebe und alte Intrigen abspielen soll. Gerade Hauptdarstellerin Annina Walt hätte man jedoch gerne in einer erzählerisch ausgereifteren und intellektuell schärferen Rolle gesehen.
arte zeigt sechs Folgen von «Frieden» am Donnerstag, den 25. März und Donnerstag, den 1. April, jeweils ab 21.10 Uhr in Dreifachfolgen.
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