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Vor 51 Jahren fand der Wettbewerb um die Goldenen und Silbernen Bären noch im Sommer statt. Trotz des bombigen Badewetters strömten die Leute ins Kino. Doch dann lief am 30. Juni der deutsche Beitrag «o.k.» von Dr. Michael Verhoeven (82) im Zoo Palast. Ein Film nach einer wahren Begebenheit aus dem Vietnamkrieg, als mehrere US-Soldaten eine Südvietnamesin vergewaltigten und töteten. Die Täter wurden jedoch nie zur Rechenschaft gezogen, im Krieg ist so etwas «o.k.».
Amerikaner mit bayrischem Akzent
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Aus dem Gegenwind braute sich jedoch ein Sturm zusammen, denn die Jury wurde von dem US-Regisseur George Stevens (†70, «Giganten») angeführt, der ein Falke war, wie Verhoeven es ausdrückt, also ein Hardliner. „Als rechter Amerikaner hatte er allen Grund, diesen Film nicht zu mögen. Aber dann verlangte er, dass der Film aus dem Wettbewerb verschwinden muss“.
Das jähe Ende der Berlinale 1970
Allerdings hätte das den Statuten des Festivals widersprochen. Damals wie heute werden die Filme für den Wettbewerb von einem Gremium ausgesucht. Die Jury beurteilt lediglich den künstlerischen Wert. Dennoch forderte Stevens, zusätzlich angefeuert von dem deutschen Jury-Mitglied Manfred Durniok (†78), eine zweite Überprüfung, ob «o.k.» wirklich dem vom Festival auferlegten Reglement der Völkerverständigung dient.
Zur Jury gehörte ebenfalls Dušan Makavejev (†86) aus dem damaligen Jugoslawien. Er sah das als Zensur und unterrichtete inoffiziell Rob Houwer (83), den Produzenten von «o.k.», was sich da gerade hinter verschlossenen Türen abspielt. «o.k.» sollte klammheimlich ignoriert werden. „Als mir das zu Ohren kam, setzte ich mich ans offizielle Telex-Gerät der Festivalleitung, schrieb und verschickte eine flammende Pressenachricht an DPA“, erinnert sich Houwer. „Am nächsten Tag war in allen deutschen und internationalen Medien der Teufel los.“ Nun musste auch Festivalleiter Dr. Alfred Bauer (†74) Stellung beziehen. Aber der stritt alles ab. Es gäbe gar keine Probleme. Das wurde Houwer erst recht stutzig: „Es war ein regelrechtes Komplott gegen «o.k.».“
Verhoeven und Houwer gerieten aber in die Unglaubwürdigkeit, weil sie den Namen ihres Whistleblowers einfach nicht preisgeben konnten. Verhoeven ließ den Namen jedoch bei einem Notar hinterlegen. „Was uns dann aber rettete“, so der Regisseur, „war ein Bote, der inmitten einer vollbesetzten Pressekonferenz reinplatzte und ein Telegramm von Makavejev übergab.“ Der verkündete darin seinen Jury-Austritt und sprach sich das Recht zu, nun die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Verhoeven: „Damit war den Journalisten klar, dass sie von der Festivalleitung angelogen wurden. Ebenso empört reagierten andere Teilnehmer. Einer nach dem anderen zog seinen Film zurück, sogar Rainer Werner Fassbinder, der nun wirklich nicht mein Freund war.“ Infolgedessen trat die Jury zurück und die Berlinale musste abgeblasen werden. Bauer, dessen NS-Vergangenheit lange ignoriert wurde, blieb noch bis 1976 im Amt. Die Berlinale überlebte durch Reformen für mehr Unabhängigkeit und künstlerische Freiheit.
«o.k.» – nun endlich wieder zu sehen!
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Einer der Berlinale-Teilnehmer 1970 war übrigens Brian de Palma. 19 Jahre später verfilmte er die gleiche Geschichte von «o.k.» noch einmal. «Die Verdammten des Krieges» hieß sein Film mit Sean Penn und Michael J. Fox. Für Houwer der letzte Beweis, dass „«o.k.» eben kein anti-amerikanischer Film, sondern weltweit der erste Spielfilm gegen den Vietnam-Krieg war.“
Dennoch geriet der Film fast in Vergessenheit. Umso erfreulicher, dass er in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München und dem Goethe-Institut Ende März auf DVD erschienen ist. Endlich! Ist damit jetzt alles «o.k.»?
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07.04.2021 14:42 Uhr 1