Debatte

«Promis unter Palmen»: Versagen auf ganz hoher Ebene

von   |  17 Kommentare

Schon im vergangenen Jahr schlug die Reality-Show hohe Wellen. Sat.1-Chef Kaspar Pflüger muss kollektives Wegschauen verantworten. Ein Kommentar von Fabian Riedner und Veit-Luca Roth.

Am Montagabend war es soweit: Die zweite Staffel von «Promis unter Palmen» ging auf Sendung. Die Produktion von Endemol Shine Germany wurde vor knapp zwei Monaten im herrlichen Thailand gedreht und sollte erneut die Einschaltquoten von Sat.1 steigen lassen. Schon im vergangenen Jahr holte Sat.1 mitten in der Pandemie fantastische Werte. Doch Mobbing gegen Kandidatin Claudia Obert, die dazu noch massiven Alkoholkonsum an den Tag legte, ließ die Produktionsfirma nichts unternehmen. Nachdem Bastian Yotta nach der Show im Internet Frauen verunglimpfte, lud man ihn aus der Wiedersehens-Episode aus. Und man wolle nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.

«Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare» trieb es im vergangenen Sommer noch weiter auf die Spitze. Georgina Fleurs damaliger Verlobter Kubilay Özdemir trank trotz Alkoholproblems vor laufender Kamera Alkohol, sodass es fast zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam. Özdemir spuckte einem anderen Teilnehmer ins Gesicht. Für RTL ging die Sache glimpflich aus: 2,51 Millionen Zuschauer verfolgten die Auftaktsendung am 9. September, Fleur und Özdemir zogen danach freiwillig aus.

Während Seapoint den beiden Reality-Stars den Auszug nahe legte, passierte bei «Promis unter Palmen» nichts. Ein angetrunkener Marcus Prinz von Anhalt beleidigte Dragqueen Katy Bähm auf übelste Weise aufgrund dessen sexueller Neigung. Am nächsten Morgen wirkte die Entschuldigung wie von einem Kleinkind, das von seinen Eltern dazu ermutigt wurde. Auch Patricia Blanco wurde schon früh in der Sendung wegen ihrer Erscheinung grob beleidigt. Eine Entschuldigung darüber blieb aus, vielmehr lachte der vorbestrafte Adoptiv-Prinz ihr nach seinem Spruch noch dreist ins Gesicht. Während die Aussagen gegen Bähm in einem stark alkoholisierten Zustand fielen, der keineswegs als Entschuldigung dienen darf, verdeutlichen die noch einigermaßen nüchtern formulierten Beleidigungen gegen Blanco den Charakter des verurteilten Menschenhändlers. Er wollte nichts als Krawall stiften und dabei ist ihm jedes Mittel recht gewesen. Dass Sat.1 ihm diese Bühne gibt, gibt das Format her. Dass dieses Bühnenschauspiel dann allerdings noch den Weg in die Öffentlichkeit findet, ist nicht zu entschuldigen. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um die erste Ausgabe der zweiten Staffel. Ein Herausschneiden hätte keinerlei dramaturgische Folgen gehabt, da ohnehin noch nichts geschehen war. Vielmehr wäre ein öffentliches Kommunizieren des Vorfalls ein klares Zeichen gegen Homophobie und für Offenheit in der Gesellschaft gewesen. Die Distanzierung des Senders während der Sendung bei Twitter erscheint allenfalls so halbherzig wie die Entschuldigung von Marcus Prinz von Anhalt.

Am Dienstag nahm man «Promis unter Palmen» zur Überarbeitung vom hauseigenen Streamingdienst Joyn. Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form diese Folge jemals den Weg ins Netz finden wird. Bei RTL gab es mit Michael Wendler als «DSDS»-Juror einen ähnlichen Fall. Der Sender distanzierte sich ebenfalls von einem seiner Protagonisten, nachdem dieser zum Verschwörungstheoretiker geworden war. Die Zensur in den Folgen verlief unglücklich, da sie ein Stück weit Aufmerksamkeit auf das Fehlen Wendlers lenkte. Von einem Statement zu Sendungsbeginn fehlte dennoch jede Spur. Sat.1 hat nun die Chance dies besser zu machen, schließlich ist von Anhalt bei «Promis unter Palmen» ausgeschieden und wird somit nicht zensiert werden müssen. Ein Statement für Offenheit und Vielfalt wäre dennoch wünschenswert. Doch die jüngere Vergangenheit zeigt, dass dies nicht die Paradedisziplin von Sat.1 ist.

Wir erinnern uns an Januar 2020 als Sat.1 ganz zufällig zwei Tage vor dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz damit begann, Trailer für das neue Sterne-System von «Big Brother» zu zeigen („Entscheide du, wer einen Stern verdient“). Entweder arbeiten im Hause Sat.1 Menschen, die das Pech haben, in sämtliche Fettnäpfchen zu treten, oder der Skandal war gewollt. Bei einer Produktion von «Promis unter Palmen» sind rund 100 Mitarbeiter involviert und wirklich niemand lässt Sat.1-Chef Kaspar Pflüger über die entsprechende Stelle schauen? Kollektives wegschauen bei Sat.1? Hauptsache die Quote fetzt? Die Verantwortlichen bei Sat.1 können keinem etwas vormachen: Es war ihnen klar, dass die Fachpresse die Staffelpremiere schauen und darüber schreiben wird. Entsprechend wird mit der Überarbeitung des Formats auch nur suggeriert: Schaut die Folgen live an, wir könnten die ja überarbeiten müssen.

Wenigstens hat der Sender nun einen neuen Slogan:

Sat.1: Besser wird’s nicht mehr.

Ach ja: Am Dienstag habe man bei Sat.1 festgestellt, nicht mehr mit von Anhalt zusammenarbeiten zu wollen.

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Andelko
14.04.2021 10:53 Uhr 1
Sat.1 hatte mehr als genug Zeit um richtig zu reagieren. Das sie das nicht gemacht haben zeigt das sie mit voller Absicht so reagiert haben!



Sat.1 wollte die Reaktion genauso haben. Hauptsache es wird darüber gesprochen. Der Mensch ist denen scheißegal
eis-fuchsi
14.04.2021 15:30 Uhr 2
nunja, kann mich auch täuschen, aber gibt es nicht eine 'Stelle', die sich jedes Format vorher anschaut und dies dann FSK-mäßig einstuft?!

hab gedacht, daß es sowas gibt...war übrigens FSK 12 :slightly_smiling_face:
TwistedAngel
14.04.2021 18:53 Uhr 3
Weiß jmd. was er gesagt hat? 🤔
jotobi
14.04.2021 20:16 Uhr 4
Und die, die das Format gezielt zeitversetzt online schauen wollten, schauen mal wieder in die Röhre, weil die Folge nun weg ist. Toll gemacht. So gewinnt man keine Zuschauer für die zweite Folge.
EPFAN
14.04.2021 20:40 Uhr 5

Sehr extreme homophobe Äußerungen.



Tja, deshalb verlasse ich mich nicht auf Mediatheken, weil mir das schon öfters passiert ist. ':)

Ich glaube fast, die Zuschauerzahl wird durch den Eklat sowieso gepusht oder es geht tatsächlich in die andere Richtung und eine Grenze für die Zuschauer wurde überschritten. Letzteres kann ich mir kaum vorstellen.
medical_fan
16.04.2021 00:33 Uhr 6
Fand es ganz amüsant, dass QM diese Show zurecht ankreidet und sich direkt unter dem Artikel ein "Joyn Serientipp" für diese Sendung befindet. Geld geht wohl über alles....
Wolfsgesicht
16.04.2021 04:35 Uhr 7


Wird ja nicht händisch platziert. :)



Korrektur: Wurde er doch. LOL. 😂
Fabian
16.04.2021 10:15 Uhr 8


Weder Joyn noch Quotenmeter haben die Sendung im Vorfeld gesehen.
TwistedAngel
16.04.2021 11:24 Uhr 9
Meine Güte, was ne Aufregung ... dafür wurde er doch schließlich eingekauft, oder nicht?!

Diese Trash-TV-Leute bei Twitter sind so ekelhaft, sie sabbern nach Konfro, aber wehe einer sagt was politisch unkorrektes, da wetzen sie messer und machen Shitstorm.

Ich gehöre selber zur Randgruppe, aber mir ist es sowas von egal, wie dieser Protz-Prinz was findet, wenn er es halt eklig findet, ja dann ist es halt, dann darf er es genauso sagen, wie ich etwas über ihn sagen dürfte, wenn er mich denn interessieren würde und ich ne Meinung zu ihm hätte ... er war doch PromiBB genau so, also warum geben sie ihm ne Büro oder warum guckt man das an? Richtig, um sich aufzuregen ...

Und mit P. Blanco hatte er auch einfach recht, will nicht wissen, wieviele genau das denken, aber nie sagen würden 😅
JouScheinlichOder
16.04.2021 13:47 Uhr 10
Interessant, dass SAT1 ja so „schockiert“ von den Aussagen sei und sich ja so sehr davon distanziere... Aber ausgestrahlt wurde die Folge trotzdem, da war das Geld und die Aufmerksamkeit wohl wichtiger^^
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