So viel sei im Vorhinein gesagt, ich habe weder das Spiel zwischen Manchester und Paris gesehen noch die dazugehörigen Analysen bei Sky. Im Nachgang ist aber selbstredend die Berichterstattung nicht an mir vorbeigegangen. Es war zu lesen, dass Jens Lehman dem am Dienstagabend als Sky-Experten agierenden Dennis Aogo wohl versehentlich eine Privatnachricht schrieb, in der Lehmann Aogo als „Qotenschwarzen" (sic!) bezeichnete. Aogo veröffentlichte daraufhin die Nachricht und trat damit den über Lehmann hereinprasselnden Shitstorm los. Zurecht. Das sei an dieser Stelle ausdrücklich gesagt, denn ist eine rassistische Beleidigung. Zumal es nicht Lehmanns erste verbale Entgleisung gegenüber ehemaligen Mitspielern war. Die Kollegen von 11Freunde haben die Akte Lehmann einmal aufbereitet. In einem Gespräch mit Aogo entschuldigte sich der ehemalige Torwart. Das Maß ist dennoch voll und so distanzierte sich erst sein Arbeitgeber Tennor, für den er im Aufsichtsrat bei Hertha BSC sitzt, und dann auch der Verein selbst von ihm. Der Bezahlsender Sky zog ebenfalls am Mittwoch nach und versprach Lehmann nicht mehr als Experten in Sendungen dabei haben zu wollen. Sport1 tat dasselbe.
Lehmanns Entschuldigung am Mittwoch goss eher Öl als Wasser ins Feuer, denn sein Tweet las sich allenfalls halbherzig und suchte sogar nach Ausreden. Schlechter Stil. Ein zweites Statement am Donnerstag, das eindeutiger ausfiel, kam zu spät und war nach dem ersten Tweet nicht mehr glaubhaft. Stichwort Donnerstag: Am Donnerstagabend gab Sky bekannt, dass Dennis Aogo seine Expertentätigkeit vorerst ruhen lässt. Der Grund ist eine verbale Entgleisung in der Livesendung am Dienstag. Er sprach davon, dass die Spieler von Manchester "trainieren bis zum Vergasen". Eine Wortwahl, die – vor allem mit Blick auf die deutsche Geschichte – höchst problematisch ist und wie Lehmanns Aussage nicht geduldet werden darf.
Der Unterschied ist aber ein ganz gravierender: Die Entscheidung nicht mehr bei Sky auftreten zu wollen, kam von Aogo selbst. Sky begrüße die Entscheidung. Der Bild-Zeitung sagte er: "Dieses Wort darf man selbstverständlich in überhaupt keinem Zusammenhang verwenden. Das war ein großer Fehler, ich kann mich dafür nur aufrichtig entschuldigen." Während Lehmann zu einer Entschuldigung aufgrund des öffentlichen Drucks gedrängt wurde, entschloss sich Aogo aus freien Stücken zu diesem Schritt. Geht es im einen Fall um eine rassistische Beleidigung (Lehmann), wird Aogo eine alte, aus der Zeit gefallene Redewendung zum Verhängnis, die eigentlich aus der Naturwissenschaft entstand und im Ersten Weltkrieg im Zusammenhang mit Giftgaseinsätzen ihre Verbreitung fand. Der Holocaust während des Zweiten Weltkriegs lenkte die Redewendung in eine noch schrecklichere Richtung, mit der sie heute noch assoziiert wird.
Nun sollte man nicht den Fehler machen und diese beiden Entgleisungen über einen Kamm scheren. Fakt ist: Beide Aussagen sind falsch und sollten auf keinen Fall gebraucht werden, weil sie verletzend und respektlos sind. Da Lehmanns rassistische Entgleisung allerdings einer Textnachricht entstammt und in einer privaten Situation entstand, darf man annehmen, dass zumindest beim Tippen darüber nachgedacht wurde, was hier formuliert wurde. Die Situation bei Aogo war eine andere. Er saß live im Studio, er analysierte das Halbfinale der Champions League und versuchte die Partie mit gesprochener Sprache zu beschreiben und verwendete dabei eine umgangssprachliche Redewendung, die im Duden festgeschrieben ist – mit einem besonderen Hinweis zur Verwendung. Dort heißt es: „Der Gebrauch der Wendung gilt daher heute als inhuman.“ Wie Aogo gerade auf diese Beschreibung kam, wird sein Geheimnis bleiben, statt „bis zum Umfallen“ oder „bis zum Überdruss“ wählte er jene inhumane Formulierung. Ein Fehler wie er selbst zu gab.
Und genau hier sollte der entscheidende Unterschied in der Betrachtung von Lehmann und Aogo liegen. Nun könnte man argumentieren, beide haben Mist gebaut, beiden sollten nicht mehr im Fernsehen auftreten. Einer sensibilisierten Gesellschaft – wozu auch Sky durch den Ausschluss von Lehmann beitragen möchte – sind beide Formulierungen ein Dorn im Auge. Der Unterschied liegt aber im Umgang mit dem jeweiligen Fehltritt. Während Aogo aus dem Fehler lernen möchte – dies ging aus der Sky-Mitteilung hervor - , hat Lehmann bis heute noch keinen Willen gezeigt zu lernen und sich zu bessern. Zwar entschuldigten sich beide – mal mehr, mal weniger – aufrichtig für das Gesagte, doch einen Weg zu einer sensibilisierteren Gesellschaft will nur einer gehen, der hoffentlich schon bald nicht mehr mit dem Namen Jens Lehmann in Verbindung gebracht werden muss.
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