Stab
DARSTELLER: Harad Krassnitzer, Adele Neuhauser, Hubert Kramar, Christina Scherrer, Günter Franzmeier, Matthias Franz Stein, Lili Epply, Michael Dangl, Serge Falck, Fabian Schiffkorn, Stefan FentREGIE: Claudia Jüptner-Jonstorff
DREHBUCH: Ivo Schneider
KAMERA: Andy Löv
SZENENBILD: Uta Wiegele
MUSIK: Iva Zabkar
PRODUZENTEN: Burkhard W.R. Ernst, Katharina Ernst
REDAKTION: Bernhard Natschläger, Andrea Zulehner, Kerstin Bertsch (ORF)
Der Tote ist also ein Ministerialbeamter. So etwas kommt in den besten Familien vor. In seinem Ministerium auf jeden Fall hält sich die Trauer über sein Ableben in Grenzen, beliebt war er ganz und gar nicht. Dass er seinen Tod möglicherweise selbst herbeigeführt hat, wenn auch versehentlich, ist nicht auszuschließen. Der Tote war ehrgeizig, lief Marathon und zuletzt haperte es aus verschiedenen Gründen an der richtigen Kondition. Es ist also durchaus vorstellbar, dass er selbst zu leistungssteigernden Mittelchen gegriffen hat. Nun weilt er nicht mehr unter den Lebenden, so etwas passiert.
Ganz anders jedoch fällt die Reaktion seiner Witwe aus. Die deutlich jüngere Frau weint um ihren Mann, über den sie wirklich nichts Böses zu berichten hat. Zärtlich und liebevoll sei er gewesen, sorgend, verlässlich. Auch sein Nachbar, ein schmieriger Oberlippenbärtchenträger, dem das Wort Schleimer auf der Stirn tätowiert steht, hat über seinen Nachbarn nur Bestes zu berichten. Auch wenn er dagegen war, dass besagter Nachbar sein hübsches Häuschen, das eigentlich einen Tick zu groß und protzig für einen Ministerialbeamten ausfällt, mit einer Videokamera sichern durfte. Das aber, versichert der Herr Nachbar, habe nur damit zu tun gehabt, dass die Kamera direkt in seine Auffahrt gefilmt hätte.
Schon an diesem Punkt der Geschichte, der «Tatort» ist gerade einmal eine Viertelstunde alt, ahnt man als halbwegs versierter Kriminalfilmgucker auch schon, wohin sich die Story wohl bewegen mag. Könnte es wohl um Mauscheleien gehen? Um ein kleines, verbotenes Schäferstündchen zwischen einem Beamten und einer interessierten Wirtschaft, bei dem man, an Recht und Gesetz vorbei, allein dem eigenen Vorteil verpflichtet, einander die Rücken gekrault hat? Wahrscheinlich, denn so ein schönes Haus im Grünen, wie der Herr Ministerialbeamte bewohnt hat, ist selbst für dessen sicher nicht mittelprächtige Besoldungsgruppe einen Ticken zu – groß, modern, fett. Da riecht man doch einen schrägen Immobiliendeal 100 Meter gegen den Wind. Nun wird Spannung nicht zwingend dadurch generiert, dass Einzelheiten, die eine Geschichte voranbringen, der Zuschauerschaft möglichst lange vorenthalten werden. Allein passiert nicht viel, was überhaupt dieser Geschichte so etwas wie Futter verleihen würde. Der Herr Beamte war möglicherweise nicht nur dem Staatswohl verpflichtet. Sein guter Freund und Nachbar ist ein Schmierlappen, der unter anderem mit Immobilien handelt. Das alles ist so offensichtlich, dass man wirklich glaubt: Das kann so einfach nicht sein. Das ist doch alles viel zu einfach!? Spätestens aber, wenn der Herr Nachbar zum Telefon greift, um mal zu hören, was man über Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) so weiß - und diesem daraufhin geschmeidig einen wenig freundlichen Tritt gegen das Karriereschienbein verpasst, sind die Fronten geklärt, die Geschichte erzählt. Was es mit dem Karriereschienbeintritt auf sich hat? Nun, Eisner steht kurz vor seinem Umzug in die Niederlande, um einen Posten bei der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF anzutreten. Was ihm nun verhagelt wird. Warum? Weil, weil... Weil böse Menschen wie der Schmierlappen so etwas halt tun. Gut, er könnte Eisner und seine Partnerin Bibi (Adele Neuheuser) auch einfach ermitteln und auf diese Art und Weise ins Leere laufen lassen, denn zu diesem frühen Zeitpunkt der Geschichte steht immer noch der Verdacht im Raum, dass der Tod ein Unfall gewesen ist. Man lässt die Ermittelnden also ihren Job machen – bis der Fall eingestellt wird. Wo kein Mord, da keine Ermittlungen.
Man kann aber natürlich auch einem Polizisten so richtig übel mitspielen, damit der sich in den Fall verbeißt und vielleicht, da persönlich getroffen, wütend, so richtig sauer, jetzt erst recht ermittelt. Das geht natürlich auch, es macht zwar keinen Sinn, aber böse Schmierlappen machen halt böse Schmierlappensachen.
Wo in dieser Story übrigens eine Verschwörung versteckt sein soll, erschließt sich nicht wirklich. Klar, da scheint ein Beamter für die eigene Brieftasche gearbeitet zu haben. Das ist nicht nett und es ist auch verboten. Aber hat dieser Beamte Staatsgeheimnisse an russische Oligarchennichten verkauft, hat er eine militante Preppertruppe unterstützt, um einen chilligen Staatsstreich herbeizuführen? Nichts von alledem ist geschehen und nichts von alledem geschieht in den 90 Minuten, in denen sich die Handlung voranschleppt. Eine Handlung, die durchaus auch positive Aspekte vorweisen kann. Da ist die Witwe Elisabeth Wagner (Lilly Epply), die von einem Tag auf den anderen den Mann verloren hat, den sie liebt. Einen Mann, der offenbar ein emotionales Doppelleben geführt hat. Als Beamter in leitender Funktion war er ein Schleifer, ein hemmungslos dem eigenen Vorteil verpflichteter Karrierist. Kalt. Gemein. Der Ehemann aber war ein liebender Freund und Geliebter. Bedauerlicherweise bleibt es bei Erzählungen, denn der Mann, über den gesprochen wird, der ist tot und als solcher bleibt er ein unvollendetes Bild. Wer er wirklich war? Bleibt im Verborgenen.
Interessant ist auch der Ansatz, dass Bibi Fellner und Moritz Eisner zu Anfang nicht wissen, ob sie überhaupt in einem Fall ermitteln – oder nicht? Es gibt schlicht und ergreifend lange Zeit kaum mehr als ein, zwei schwammige Indizien, die ein Verbrechen nicht ganz ausschließen können. Im Grunde aber haben die beiden nicht viel (weshalb es auch keinen Sinn macht, Eisner das Karrierebein zu stellen und damit dessen Interesse erst recht zu wecken). Was, wenn es mal einen «Tatort» ohne Fall gäbe? Es gab in den letzten Jahren einen Vorhöllen-«Tatort», einen in einer Einstellung gedrehten «Tatort», einen Horror-«Tatort» – von den Tukur-«Tatort»en gar nicht erst zu sprechen. Doch ein Film ohne Fall ist offenbar der eine Schritt, vor dem man selbst im Hause «Tatort» zurückschreckt. Nein, einen Mord muss es schon geben und wenn der erste Todesfall möglicherweise keiner gewesen ist – muss es eben irgendwann einen zweiten Toten geben. Der rückt die «Tatort»-Welt auf jeden Fall wieder gerade. Da werden dann schnell zwei, drei Kaninchen aus dem Hut gezaubert, um der Story eine „überraschende“ Wendung zu verpassen und dann ist das Mörderspiel auch schon vorbei. Endlich, möchte man ausrufen. Wenn man zwischendurch nicht bereits umgeschaltet hat.
«Tatort: Verschwörung» ist am Sonntag, den 9. Mai, im Ersten zu sehen.
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