Um sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen, muss man schon echt verzweifelt sein. Gerade bei so einer, die wir in der allerersten Szene dieser Kurzserie zu sehen bekommen. Versetzen wir uns kurz in die Hauptfigur: Da erzählt ein durchtrainierter Typ mitten im Leben von seiner Auszeit in indischen Klöstern, bevor die dicke Gruppenleiterin zu einem selbst überleitet – und man angesichts der anderen Teilnehmer lieber anonym bleiben möchte.
So wie die 32-jährige Lu, die schwanger ist und nicht so recht weiß, was sie mit sich, ihrer Situation und dem Kind anfangen soll. Derzeit wohnt sie wieder bei ihrer Mutter (Martina Eitner-Acheampong) in Köln, die ihr mit ihrer aufdringlichen Kümmerei und den penetranten Vergleichen zu anderen schwangeren Frauen jeden Tag aufs Neue auf den Keks geht. Mit dem Vater des Kindes war Lu zwar mal zusammen, aber das ist lange her (und eine lange Geschichte). Noch dazu hat sie sich mit ihrer Berliner Indy-Band überworfen, die just gerade mit einem Hit durchstartet, während Lu in ihrem alten Kinderzimmer vor sich hin schwangert.
Das sieht einmal ganz anders aus als in den seichten Familienserien, in denen werdende Mütter gerne zu mystischen Wesen hochstilisiert werden, die nichts anderes mehr im Sinn haben als den nahenden Nachwuchs, während überbehütetende Männer sie vor allen eingebildeten Gefahren von außen abschirmen. So steigert sich dann jeder auf seine Weise ins baldige Familienglück rein und streicht dabei schon mal die Wand pink oder hellblau.
Nicht so die dauerphlegmatische Lu in der beengten Wohnung ihrer Mutter. «Lu von Loser» ist die Antipode zur verkitschten Schwangerschaftsromantisierung, und vielleicht – wenn das auch etwas übertrieben klingen mag – eine Ode an alle Frauen, die sich das gestrige Bild einer übersteigerten Mutterrolle gar nicht erträumen wollen, sondern schlicht mit der Situation überfordert sind, und denen diese Überforderung angesichts einiger Negativbeispiele in ihrem Umfeld auch lieber ist als die Alternative – etwa das Leben einer ehemaligen Schulfreundin, die Lu zufällig in der U-Bahn-Station wiedertrifft: Ina hat inzwischen drei Kinder und einen erschöpften, aber überengagierten Ehemann, und die liebevolle Rasselbande hat in den letzten sechs Jahren jedes eigenständige Leben der Eltern vollkommen untergraben. Da geht man lieber einmal in eine Eso-Selbsthilfegruppe, um sich nach einer meschuggenenen Familienaufstellung vergewissert zu haben, dass die anderen einen noch viel größeren Schaden haben als man selbst.
In jeder Minute dieser kurz geratenen acht Miniepisoden von jeweils etwa sieben Minuten Länge ist dabei die Vision der Autorin und Hauptdarstellerin Alice Gruia zu spüren, die auch durch die kleinsten Andeutungen ihrer Figur erkennen lässt, wie auf den Punkt dieses Konzept erdacht und umgesetzt wurde. So nach „alles aus einem Guss“ sieht Fernsehen leider selten aus – und wird dann leider noch mit einer Sendezeit gegen Mitternacht unnötig an den Rand gedrängt. Dabei hätte die Geschichte von «Lu von Loser» auch locker als achtteiliges Format in „Regelzeit“ à 30 Minuten tragen können. An dieser kurzweiligen Serie konnte man sich schließlich kaum satt sehen.
Das ZDF zeigt acht Folgen von «Lu von Loser» nacheinander am Montag, den 10. Mai um 23.55 Uhr. Alle Folgen sind bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar.
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