Mit 19 flüchtete der in Bautzen geborene Roman Knižka (51) aus der DDR, um Schauspieler zu werden. Doch zunächst arbeitete er als Dekorateur und Boutiquenfilialleiter, bis er in Bochum eine Schauspielausbildung absolvierte. Seitdem ist der Sachse ein gerngesehener Gast in Serien wie «Tatort» oder «SOKO Köln», zeigt sich aber auch immer wieder im Kino («Max und die wilde 7») und hat auch schon etliche Hörbücher eingesprochen. Jetzt ist er sogar für den deutschen Hörbuchpreis nominiert. Zuvor spielt er in dem TV-Film «Wer einmal stirbt, dem glaubt man nicht» (in der ARD-Mediathek) den scheinbar tödlich verunglückten Ehemann von Julia Koschitz. Doch seine Leiche fehlt, was einen infamen Verdacht aufkommen lässt.
Der Film «Wer einmal stirbt dem glaubt man nicht» musste 2020 wegen Corona mittendrin abgebrochen werden. Wie fanden Sie zum Weiterdrehen zur alten Dynamik zurück?
Ja, das war eine absolute Corona-Produktion. Wir mussten alle wieder nach Hause fahren. Monate später kamen wir wieder zusammen und merkten, dass jeder plötzlich eine andere Energie mitbringt. Keiner wusste, ob der erste und der zweite Teil noch zusammenpassen würden. Erstaunlicherweise hat es Regisseur Dirk Kummer geschafft.
Sie schauspielern nicht nur, sondern sind jetzt auch als ‚Bester Interpret‘ für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert…
Ja, für „Die Detektive vom Bhoot-Basar“ von Deepa Anappara. Das freut mich sehr, denn der Roman ist außerdem sehr gespickt mit indischen Begriffen und Namen, was es nicht einfacher machte. Die Verleihung wird dieses Jahr sicherlich keine große Veranstaltung werden, aber mit Robert Stadlober und Alexander Fehling befinde ich mich in guter Gesellschaft als ebenso Nominierte.
Was gibt Ihnen das Einsprechen von Hörbüchern?
Ich mache das ein- bis zweimal im Jahr, also nicht so häufig. Mir gefällt daran, dass man sich damit in meinem Beruf auch breiter aufstellen kann. Ich habe auch schon als Moderator gearbeitet, und ab nächstem Monat toure ich mit Musikern wieder durch Deutschland.
Musik machen Sie auch?
Also ich bin der Erzähler, die Musik spielt ein klassisches Quintett namens Opus45. Geplant sind momentan 35 Konzerte zum Thema 1700 Jahre jüdische Kultur in Deutschland. Viele denken ja, Juden gibt es bei uns erst seit dem Zweiten Weltkrieg. Da bedarf es schon einer gewissen Aufklärung, für die ich mir ein spezielles Programm ausgedacht habe.
Konzerttouren sind momentan eher noch schwierig…
Wahrscheinlich können wir einige auch nur im Stream anbieten, aber mal sehen, wie sich das mit den Tests und Impfungen weiterentwickelt. Eine Option ist auch, weniger Karten zu verkaufen, um größere Abstände einhalten zu können. Wir treten nicht nur in Theatern auf, sondern auch in Bibliotheken, Kirchen und Schulen, und zwar kreuz und quer von der Nordsee bis nach Bayern.
Sie selbst sind in Sachsen geboren und im Sommer 1989 aus der DDR geflohen, um Schauspieler zu werden…
Zuerst zog es mich dahin, wo ich mich freier fühlen konnte. Als Kind spürt man das nicht so. Ich hatte sogar eine schöne Kindheit, aber als Jugendlicher hatte ich durch Westverwandte den Vergleich und hatte nicht das Gefühl, dass es in der DDR besser wird. Ich habe dann abgewartet, bis ich volljährig bin, um meine Eltern nicht zu gefährden.
Wie fühlten Sie sich, als wenige Monate später die Mauer fiel?
Ich weiß noch, dass ich damals in Baden-Württemberg lebte und sofort wieder die Tür zuschlug, als ein alter Kumpel mit Koffer vor mir stand. Denn uns trennten plötzlich Welten. Meine Flucht war mit vielen Gefahren verbunden, er musste sich nur in den Zug setzen. Ich war noch nicht so weit, das zu akzeptieren, weil ich auch so vielen Ängsten ausgesetzt war.
Wann trauten Sie sich dann nach Berlin, wo Sie mittlerweile seit über 20 Jahren leben?
Trauen trifft zu, denn es war ja die weltweit einzige Stadt, in der es in jeder Himmelsrichtung in den Osten ging. Aber ich hatte ja meine Gründe, aus dem Osten abzuhauen. Sollte ich wirklich wieder so tief in den Osten zurück? Dann habe ich es doch gewagt und habe seitdem viel gewonnen. Also ich bin nicht gänzlich zufrieden mit dieser Stadt, aber ich kann mich hier gut ausleben.
Was stinkt Ihnen denn an Berlin?
Die Verkehrspolitik z.B. missfällt mir sehr. Extrem fragwürdig, weil es zu viele Baustellen gibt, an denen monatelang nicht gearbeitet wird. Zudem mehr Hauptverkehrsadern von drei auf zwei Spuren reduziert, was tagtäglich zu extremen Staus führt. Es wird nur noch weggenommen anstatt kreativ zu gestalten. Damit stiftet man Unzufriedenheit - nicht nur bei Autofahrern.
Wie bewegen Sie sich hauptsächlich durch Berlin?
Neulich war ich joggen und hatte plötzlich keine Lust mehr, zurückzulaufen. Da habe ich mir einfach so einen Roller geschnappt. Ich mache auch Carsharing. Tatsächlich habe ich mir aber jetzt einen umweltfreundlichen Van von Opel angeschafft, weil es bestimmt noch dauern wird, bis man mit der Familie wieder in den Flieger steigen wird. Selbst das ist ja fragwürdig geworden, deshalb dachte ich, lieber am Boden bleiben mit einer richtigen Familienkutsche.
Für Ausflüge mit Ihren beiden Söhnen?
Ja, für die ist es momentan auch nicht leicht. Mein 15-Jähriger steckt mitten in der Pubertät, allerdings mit angezogener Handbremse. Wenn ich mich zurückerinnere, ist man in dem Alter mit der Clique unterwegs. Da vermischen sich Jungs und Mädels. Das findet zurzeit gar nicht statt. Ich weiß noch nicht, wohin das führt. Aber es kann doch nicht sein, dass man erst mit vielleicht 20 sein erstes Mädchen küsst. Das würde ich bedauern.
Und wie geht es Ihrem Jüngeren damit?
Der hat das Problem mit neun noch nicht. Der ist jedoch mit seinen Hausaufgaben oft auf sich gestellt, was ungünstig ist. Da hat es etwas Gutes, wenn ich nicht arbeite und mich auf meine Kinder einlassen kann. Nur dass man momentan nicht viel unternehmen kann. Außer vielleicht mal mit dem Auto in die Natur. Aber vorher lieber noch mal gucken beim Auswärtigen Amt, ob man überhaupt noch nach Brandenburg darf (lacht).
Viel Erfolg bei der Preisverleihung am 26. Mai!
Die Gewinner werden bei WDR 5 am 26. Mai 2021 ab 20.04 Uhr gelüftet.
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