Stab
Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram, Dar Salim, Johanna Polley, André Szymanski, Leonie WesselowKamera: Filip Zumbrunn
Buch: Christian Jeltsch
Regie: Barbara Kulcsar
Dass vom gediegenen Lürsen- und Stedefreund-Team gerade das blutrünstigste Mitglied übriggeblieben ist, kann man zum einen als Anzeichen dafür werten, wie austauschbar und uninteressant die beiden Hauptfiguren zuletzt waren, und zum anderen vielleicht auch als Symptom für eine gewisse erzählerische Verzweiflung: Wenn nichts mehr geht, will man halt damit schocken, dass die hochintelligente Pathologin, die den ganzen Tag mit verunstalteten Leichen zu tun hat, ihren Beruf aus einem schier krankhaften Fetisch heraus ergriffen hat.
Die Neuzugänge, die uns von nun an durch den Krimi-Sonntagabend führen, wenn das Zepter ein- oder zweimal im Jahr an Radio Bremen übergeben wird, passen trotz anfänglicher Tapsigkeiten ganz gut zur schrägen Gerichtsmedizinerin: Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) reist für den neuen Job frisch aus Bremerhaven an, und weil gerade alle Einsatzkräfte mit der Suche nach einem verschwundenen Neugeborenen beschäftigt sind, will sie sich sofort den Fall eines toten jungen Mannes unter den Nagel reißen, der in der vorherigen Nacht von einem Silo gestoßen wurde. Am Fundort der Leiche angekommen, macht ihre Nonchalance im Angesicht von durchbohrten Körperteilen fast Linda Selbs Kaltschnäuzigkeit Konkurrenz.
Kommissar Mads Andersen (Dar Salim) ist derweil eigentlich gerade im Begriff, die Stadt zu verlassen und in seine Heimat Kopenhagen zurückzukehren. Doch gerade werden alle Hände an Deck gebraucht, und so soll er die Ermittlungen in Livs erstem Fall leiten. Warum ein dänischer Polizist jahrelang in Deutschland ermittelt hat, fragen sich nicht nur seine beiden Kolleginnen, sondern auch die Zuschauer. Organisierte Kriminalität, BKA und Zeugenschutz, lauten entsprechende Schlagwörter, die schnell durch die Gegend fliegen – und wohl den Grundstein für Enthüllungen in späteren Folgen legen sollen.
Die Freude an Leichenteilen wird derweil nicht nur vom trüben Bremer Regenwetter gespiegelt, sondern auch von der sozialen Kälte in den sozialen Brennpunkten der Stadt, wo das Mordopfer mit seinen Drogen hausieren ging. Dort hat in der vergangenen Nacht auch seine ehemalige Affäre entbunden. Wer der Vater des Kindes ist, will sie nicht sagen. Aber man kann es sich natürlich denken – während die ansonsten geistig sehr hochtrabende Linda Selb erstaunlich lange braucht, um ein paar offensichtliche Fäden zusammenzuführen. Damit es aber nicht allzu depressiv wird und der Zuschauer nicht zum Fremdeln mit einer außergewöhnlich kalten Figur verführt wird, darf ihr auch ein besonders trauriger Moment nahegehen. Man sieht sie dann einsam weinend im Fahrstuhl und wundert sich, wie viel von der zur Schau gestellten Kälte eben genau das ist: Show.
Indes bleiben die „Neuen“ auf dem Revier nach der ersten Folge noch ähnlich farblos wie die in Grautönen gehaltene Optik dieses tristen Films. Die von Jasna Fritzi Bauer sehr professionell und etwas übermotiviert angelegte Kommissarin Liv Moormann stürzt sich zwar beherzt mitten ins Getümmel und lässt sich dabei eher vom Verstand als von den Emotionen leiten, wird von Kollegin Selb aber gleichzeitig als Minnie-Maus abgekanzelt. Dar Salim muss sich als Mads Andersen dagegen in betont bedeutungsschwangerer Verschwiegenheit üben und darf all die zu erahnenden Traumata und biographischen Brüche seiner Figur nur andeuten. Fest steht: In Bremen bleibt es grau.
Das Erste zeigt «Tatort – Neugeboren» am Pfingstmontag, den 24. Mai um 20.15 Uhr.
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