Hintergrund

Der Absurde mit den roten Haaren tritt ab

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Am Donnerstagabend wird Conan O’Brien ein letztes Mal im linearen Fernsehen in einem Late-Night-Format als Host auftreten. Eine Huldigung eines Mannes mit einer Achterbahn-Karriere und einem absurden Humor.

Was zeichnet eine tägliche Late-Night-Show wirklich aus? Ein Stand-Up auf Shiny-Floor, eine Studioband, zwei Talkgäste und ein Musik-Act am Ende? Alles das ist Bestandteil einer Late-Night-Show, aber irgendwie typisch ist für solch ein Format, dass es da ist. Es existiert. Jeden Abend. Man könnte sie immer einschalten, wenn einem gerade danach ist – und man nicht gerade in Late-Night-Wüste Deutschland lebt (Kleiner Tipp: YouTube bietet Abhilfe). Am Donnerstag verabschiedet sich nun einer von dieser Late-Night-Bühne, für den genau dies galt. Gefühlt war Conan O‘Brien schon immer da. Erstmals ging er 1993 bei NBC auf Sendung und trat in die Fußstapfen von David Letterman, der zu CBS abgewandert war. Damals war der heute 58-Jährige für das Genre unwahrscheinlich junge 30 Jahre alt. Mit dabei, klar, Shiny-Floor, Studioband, zwei Talkgäste und so weiter. Gut, zur Premiere waren es drei Gäste und kein Musik-Act, aber schon damals war abzusehen, dass auch Conan diesen Bereich der Fernsehunterhaltung nicht revolutionieren würde.

Aber er gab eine Richtung vor. Denn in seine erste Sendung – unter anderem geschrieben von Comedy-Größen wie Louis C.K., Bob Odenkirk («Better Call Saul») oder Robert Smigel («Triumph, the Insult Comic Dog») – trat neben Drew Barrymore und Tony Randall als allererster Gast auch John Goodman auf, der zum „Leg-Wrestling“ gebeten wurde. Es offenbarte sich eine skurrile Szene, die später auch Randall amüsiert kommentierte. Da war er also, der neue Late-Night-Host am Fernsehhimmel. Orangene Haare, unschuldiges Gesicht, über das der bekannte TV-Kritiker Tom Shales von ‚The Washington Post‘ schrieb, dass der Moderator unter seiner bisherigen Identität „Conan O’Blivion“ weiterleben solle. Schnell war klar, Amerika war 1993 noch nicht bereit für Conan O’Brien, der zuvor nur als Autor von «Saturday Night Live» und «Die Simpsons» in „Erscheinung“ getreten war. Er schrieb großartige Episoden wie „Laura, die neue Nachbarin“, „Homer kommt in Fahrt“ und „Homer geht an die Uni“. Er biss sich durch, auch dank David Letterman, der ihm einen Besuch abstattete und so seine Wertschätzung für Conan unterstrich.

Conans Humor war nie mit dem Vorschlaghammer inszeniert, sondern immer fein gezeichnet und selbstironisch. Selten machte er andere nieder, sondern versuchte meist selbst den komischen Typ zu spielen. Zugegeben, mit einer Körpergröße von 1,93 Meter – gefühlt 1,83 Meter davon waren die Länge seiner Beine –, seinen feuerroten Haaren und seiner sehr schlanken Figur stellte ihn dieses Vorhaben in manch einem Kostüm nur selten vor eine größere Herausforderung. Fast schon legendär ist ein Clip, in dem er mit einer Gruppe Baseballspielen geht, die sich an die Regeln von vor über 100 Jahren halten. Darin macht er sich vor allem selbst zum Affen und wie er selbst sagt, ist dies einer seiner liebsten Einspieler.



Was folgte war der „Heilige Grahl“ der Comedy-Szene: Die «Tonight Show». Schon 2004 kündigte NBC an Jay Leno in fünf Jahren durch O’Brien ersetzen zu wollen. Was folgte, waren insgesamt 145 Episoden, was zunächst viel klingen mag, für eine tägliche Sendung allerdings nichts ist. Im Januar 2010 wurde Conan gekündigt und NBC verbot ihm mehr als ein halbes Jahr lang im Fernsehen aufzutreten. Jay Leno bekam seinen Platz in der «Tonight Show» zurück, ehe vier Jahre später Jimmy Fallon übernahm. Der Streit zwischen dem Pfauen-Network und O’Brien ist hinlänglich als „Tonight Show Conflict“ bekannt. Nach seiner aufgezwungenen Auszeit, in der O’Brien eine landesweite Tour spielte, über die auch eine Dokumentation entstand, heuerte er beim Kabelsender TBS an, wo er bis zum heutigen Tag auf Sendung ist.

In der Zusammenarbeit mit TBS wurde auch Conans Vielseitigkeit sichtbar. Zwar wollte er in seiner Comedy nie politisch sein und zeigte als einer der wenigen auch etwas Verständnis für Jimmy Fallons blamablen Auftritt mit dem damaligen Präsidenten Donald Trump, dennoch war Conan stets politisch interessiert, was sich allein schon in seinem breiten Wissen über die amerikanische Geschichte offenbarte. Zudem startete er mit «Conan Without Borders» eine Art Spin-off-Show, in der er in viele Länder reiste, um sich seinen Fans vor Ort zu zeigen und die teils von Trump angefeindeten Kulturen vorzustellen. So machte er eine Show aus Mexiko, aus Haiti und aus Grönland, das Trump einst kaufen wollte. Conan wollte die Verhandlungen zum Kauf führen, was einmal mehr zeigt, welch feinen und spitzen Humor Conan ausmacht.



In Erinnerung wird aber vor allem das Absurde bei Conan bleiben, wie beispielsweise die Rubrik «Clueless Gamer», in der er zusammen mit einem Mitarbeiter und Prominenten die neuesten Videospiele testet. Das Absurde? Conan ist völlig talentfrei an der Konsole, was mitunter sehr unterhaltsam ist. Am Donnerstag – in Deutschland wird es Freitagmorgen sein – tritt er nun also von der Fernsehbühne ab. Jack Black wird sein letzter Gast sein. Es ist ein Abschied mit zweijähriger Ansage, denn 2019 verkürzte man seine Sendung von einer auf eine halbe Stunde. Conan O’Brien wird in Zukunft im Geschäft weiterhin präsent sein. «Conan Without Borders» soll es in Zukunft weiterhin geben und bei HBO Max wird er eine neue Variety-Show präsentieren. Allerdings gibt es dazu noch keine genaueren Pläne.

Conan wird eine Lücke im linearen Fernsehen reißen, so viel ist klar. Zu groß ist das Vermächtnis der letzten fast 30 Jahre, das er selbst aufgebaut hat. Wer in seine Fußstapfen treten wird, muss sich herausstellen. Sollte diejenige Person einen Tipp brauchen, sollte sie aber bei Conan persönlich vorstellig werden, denn neben all dem Unsinn in seinem Kopf hat der Harvard-Absolvent eine ganze Menge Lebensweisheit zu bieten, die er schon 2011 in seiner Commencement Speech am Dartmouth College weitergab. Damals gab er zu, dass er und seine Comedian-Generation stets wie David Letterman, dem großen Late-Night-Revoluzzer der 80er-Jahre sein wollte und darin aber kläglich scheiterte. Herausgekommen ist dann eben er. Mit Sicherheit wird es eine neue Generation – wenn nicht zwei bis drei – geben, die genau wie Conan sein möchte. Es wird ihr nicht gelingen. Statt Trübsal zu blasen, gab Conan folgenden Ratschlag: „Es ist das Scheitern, ein vermeintliches Ideal werden zu wollen, was uns letztendlich ausmacht und uns einzigartig werden lässt. Es ist nicht leicht, aber wenn man sein Pech akzeptiert, und richtig damit umgeht, dann kann ein vermeintliches Scheitern zu einem Katalysator für tiefgreifende Neuerfindungen werden.“

Mit großen Worten kennt sich Conan aus, schließlich musste er sich 2010 von der «Tonight Show» verabschieden. Man darf also gespannt sein, was er heute Abend sagen wird. Vermutlich werden es nicht die gleichen Sätze sein, die er damals äußerte, auch wenn sie noch immer Gültigkeit besitzen. „Wenn du hart arbeitest und immer freundlich bist, werden fantastische Dinge passieren.“ Dass Conan aufhört hart zu arbeiten, daran ist nicht zu glauben. Somit dürfen sich HBO-Max-Zuschauer auf eine großartige Sendung freuen.

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