Sie haben mit Ihren 34 Jahren eine eindrucksvolle Vita. Sie gehören seit einem Jahr zum Ensemble von «In aller Freundschaft» und drehten zudem unter anderem für «Wilsberg», «Bad Banks», «Tatort Münster», und «Wir Kinder vom Bahnhof Zoo». Herzlichen Glückwunsch zu so vielen Projekten. Wie kriegen Sie dies alles unter einen Hut?
Vielen lieben Dank. Wenn ich zurückblicke, gab es hier und da ein paar Überschneidungen aber im Großen und Ganzen waren die Drehzeiträume dank aller Beteiligten gut machbar. Ab und zu genieße ich die Hektik und den Leistungsdruck, die das Reisen und die unterschiedlichen Rollen mit sich bringen. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, sich immer wieder zwischen den Projekten ausreichend Zeit zu schaffen, um sich zu erholen und sich aufs nächste Projekt vorzubereiten.
Sie sind in der Nähe der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi geboren, zogen mit fünf Jahren nach Chemnitz und leben nun in Leipzig. Was ist für Sie Heimat? Und was ist für Sie Zuhause?
Diese beiden Begriffe sind für mich Synonyme. Tatsächlich gehen sie mir auch nicht so über die Lippen, weil dahinter so viel steckt. Für mich als einen Menschen, der schon an vielen Orten gewohnt hat, ist die Heimat da, wo ich mich niederlasse. Je zugehöriger ich mich fühle, desto mehr wird dieser Ort für mich ein Zuhause. Heimat ist eine Entscheidung, Wurzeln zu schlagen, egal wie gut oder widrig die Umstände sind. So findet auch ein Kind aus der Provinz Bác Ninh in Chemnitz oder jeder anderen Stadt eine Heimat/ein Zuhause.
Durch Ihre umfangreiche Filmografie sind Sie schon viel in der Welt herumgekommen. Genießen Sie die Zeit, neue Städte und Kulturen kennenzulernen?
Das kann ein schöner Part am Schauspielerdasein sein. Besonders liebe ich es, die einheimische Küche der jeweiligen Regionen kennenzulernen. Manchmal ist dafür aber leider keine Zeit. Da besteht der Aufenthalt aus Anreise, Hotel, Dreh, Abreise – egal in welcher Stadt.
Im Februar/März 2020 erreichte das Corona-Virus Deutschland und somit die deutschen Medien. Mehrere Freunde, die ebenfalls aus Vietnam stammen, mussten Ausgrenzung und Hass erfahren. Wie war Ihr Eindruck?
Durch die Corona-Pandemie köchelte der bereits bestehende Rassismus gegenüber asiatisch gelesenen Menschen noch mehr an die Oberfläche. Das Phänomen, für ein Virus, das man nicht (be)greifen kann, eine Volksgruppe verantwortlich zu machen, ist leider nichts Neues und äußerst problematisch. Ich finde es richtig, dass diese Form der Ausgrenzung immer mehr thematisiert wird und die Gesellschaft dadurch langsam lernt, reflektierter und vor allem respektvoller durch die Welt zu gehen.
Vor wenigen Wochen wurden die Virus-Varianten aufgrund von Rassismus-Vorwürfen umbenannt. Die Variante aus Großbritannien heißt nun Alpha, Südafrika ist Beta, die Mutante aus Brasilien ist Gamma und die aus Indien erstmals entdeckte Art ist nun Delta. Führt dies zu Rassismus?
Ich komme nicht von einem der oben genannten Orte und weiß auch nicht, wie sich Rassismus gegenüber Großbritannien anfühlt.
Als Betroffene von anti-asiatischem Rassismus, kann ich bestätigen, während der Corona-Pandemie noch mehr Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben als üblich. Daher finde ich neutrale Bezeichnungen richtig und wichtig, um zu vermeiden, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren.
Wenige Menschen nehmen sich Zeit, die verschiedenen Kulturen im asiatischen Raum zu unterscheiden. Beispielsweise hat Vietnam keine chinesischen Schriftzeichen in der Sprache. Sind Sie verwundert, dass – aufgrund von Unwissenheit – der gesamte asiatische Raum über einen Kamm geschert wird?
Nein, das wundert mich nicht. Es war bisher im Bildungssystem nicht vorgesehen über die komplexe Geschichte Asiens zu lernen. In einer weißen Makrogesellschaft ist der Fokus nun mal auf die westliche Welt gerichtet. Das ist so weit auch in Ordnung. Problematisch finde ich aber, wenn auf mich als Vietnamesin sämtliche asiatische Kulturen, Weltanschauungen etc. projiziert werden. Da fehlt mir die nötige Differenzierung und da fühle ich mich als Betroffene auch nicht immer verpflichtet, jedem zu erklären, dass das verletzend ist.
Ich lebe in einer Universitätsstadt mit zahlreichen unterschiedlichen Kulturen. Wie sind Sie in Chemnitz aufgewachsen?
Chemnitz habe ich im Kindesalter kennengelernt und als junge Erwachsene verlassen. Rassismus gibt es überall, in Chemnitz auch - mit all seinen regionalen Besonderheiten. Da die Eindrücke für mich als Kind sehr einprägsam und schwer einzuordnen waren, blicke ich vielleicht etwas verklärt auf Chemnitz zurück. Auch wenn es viele niederschmetternde Erlebnisse gab, überwiegen für mich die schönen Momente, wenn ich an meine erste deutsche Heimat denke.
Im Jahr 2014 wurde die amerikanische Show «The Quest» in Österreich gedreht. Für den Sender ABC schlüpften Sie in die Rolle der Solas, einer der drei Schicksale. Dies war doch eine sehr klischeehafte Rolle, oder? War dies im Nachhinein ein Fehler?
Es war in keinerlei Hinsicht ein Fehler. Die Besetzung war im Gegensatz zur üblich deutschen Besetzung divers und vor allem nicht klischeebehaftet. Es hat keine Rolle gespielt, wo die Schicksalsgöttin herkam, oder warum ihre Schwestern jeweils einer anderen Ethnie angehörten. Im Vergleich dazu hatte ich zur selben Zeit Anfragen für eine thailändische Prostituierte, eine asiatische Putzfrau, Kellnerin etc. in deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehformaten. Für mich war «The Quest» eine der fortschrittlichsten Produktionen, in denen ich mitgewirkt habe, und das 2013!
Sie stehen hauptsächlich für öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme vor der Kamera. Sollten die deutschen Privatsender mehr in Fiction investieren?
Ja, bisher habe ich überwiegend in öffentlich-rechtlichen Formaten mitgewirkt. Aber es erreichen mich durchaus auch Anfragen von Netflix oder RTL, die spannend sind. So wie ich das sehe, passiert da auch grade sehr viel.
Zuletzt standen Sie für den Kinderfilm «Zitterinchen» vor der Kamera. Können Sie etwas über dieses Projekt erzählen?
«Zitterinchen» ist mein erster Märchenfilm. Es ist eine Geschichte nach Motiven des Thüringer Märchenerzählers Ludwig Bechstein. Ich habe mich sehr gefreut, als „Nymphe“ in diese fantastische Welt einzutauchen. Die Dreharbeiten fanden im schönen Thüringen statt, in mystischen Szenerien und mit einem grandiosen Maskenbild.
Im Juli geht die aktuelle Staffel von «In aller Freundschaft» weiter. Auf welche spannenden Geschichten können wir uns mit Ihnen freuen?
Auf Dr. Lilly Phan und Ihre Kollegen kommt in dieser Staffel noch einiges zu. Die Zuschauer werden auch ein wenig mehr über die Figur der ambitionierten Neurochirurgin erfahren als nur ihre Liebe zum Beruf. Wir verfolgen den Flirt mit Pfleger Kris Haas weiter und werfen einen kleinen Blick in die Vergangenheit, aber mehr kann ich nicht verraten.
Ich freue mich darauf! Herzlichen Dank für das offene Gespräch.
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