Hingeschaut

Puzzlen mit Ofenhandschuhen

von   |  4 Kommentare

So lief der Auftakt der neuen Sat.1-Show «99 – Eine:r schlägt sie alle».

Satte drei Stunden und 20 Minuten Brutto-Sendezeit mit natürlich gaaaanz viel Werbung bedeuten fast 180 Minuten reine Gameshow und fette Unterhaltung an einem Freitagabend. Mit «99 – Eine:r schlägt sie alle» hat Sat1 mal was Neues ausprobiert. Marathon-TV. Und gar nicht schlecht!

100 Kandidaten, 99 Spiele, drei Shows, 99.000 Euro als lockende Gewinnsumme für den Teilnehmer oder die Teilnehmerin, der beziehungsweise die 99 Mal nicht Letzte:r wird – dieses „höher, schneller, weiter, immer mehr“ macht vor niemandem Halt im Fernsehen. Immer neue Konzepte, meistens semi-innovativ. Aber man muss Sat.1 ja eine Chance geben für diese in Belgien erfundene Show, die im Nachbarland den schönen Titel «Homo Universalis» trägt.

Los geht´s: 100 Kandidaten, alle anfangs mit Masken, 99 Sitzbälle fallen vom Himmel. Wer blind keinen findet, ist der/die erste, der/die raus ist. Für die 33 Jahre alte Eveline hat sich das Abenteuer also nicht so richtig gelohnt. Aber dabei sein ist alles, olympisches Motto. Und im Wissen, was danach alles kommt, mag so ein ehrenvoller, schneller Abgang vielleicht ja auch nicht das Schlechteste sein…

Schon Spiel zwei ist ein bisschen albern, weil 99 Personen tanzen müssen und das nicht bei allen wirklich richtig schön ausschaut. Aus welchem Jahrzehnt kommen diese Musiktitel? „Crying at the Discoteque" ist aus den 2000ern, „Verdammt ich lieb´ Dich" aus den 90ern. Letzteres wissen nur zwei Kandidaten... Dann Spice Girls: Natürlich 90er. Nur die 64 Jahre alte Dayse verlagert das ins nächste Jahrtausend. Heim zu Eveline! Diejenigen, die es wussten, jubeln wie Nordmazedonier nach einem EM-Triumph. Moderatorin Johanna Klum wippte vorher bei jedem Takt von „Wannebe" mit. Euphorie im Sendestudio.

Bänder zusammennähen: Kein spektakuläres Ding, zumindest wenig fernsehtauglich. Viele sind blitzschnell, andere tun sich schwer. Dieses begeisternde Anfeuern der Fertigen in Richtung der Langsamen nervt jedoch. Rolf (48) muss gehen. Zugegeben: Das unterhält schon, wobei die Frage erlaubt sein muss, wieso Sat.1 Michaela (47) als Einspieler zeigt. Also geht´s nicht um die Spiele an sich, sondern doch um Menschen, die möglichst außergewöhnlich sein müssen.

Mit einem Bein wie ein Flamingo auf einer Dose stehen. Nico (28) ist nach nicht mal einer Sekunde raus. Sportkommentator Florian Schmidt-Sommerfeld hat da schon bessere Leistungen gesehen. Verdammt, wir sind erst bei der 97. Wenn der rbb die «30 außergewöhnlichsten Kieze in Berlin» vorstellt, dann kann das schon mal sehr langatmig sein. Aber 99 Spiele...? Puh!

Fünf Minuten Fangen: Wer den Klebesticker zuletzt auf dem Shirt hat, fällt raus. Gerry, 20, muss heim. Sport ist nicht sein Ding. Eisblöcke mit Körperwärme auftauen, um an eine eingefrorene Trillerpfeife heran zu kommen – wer denkt sich so krasses Zeug aus? Einer steckt sich das Ding in die Hose. Heißer Sack! Funktioniert aber! Kältehasserin Diny (73) bläst als Pfeife des Spiels zuletzt. Ab nach Hause!

Draußen regnet es. Biergarten wäre also eh nichts. Daher weiter Sat.1 und TV. Luftballons aufblasen bis zum Platzen, das Senderlogo aus Schnipselstreifen zusammenkleben, einen Besen auf Zeige- und Mittelfinger balancieren – es gibt kaum etwas Banales, was sich hier nicht findet. Der Besen von Kai (46) kippt nach 0,2 Sekunden zu Boden. Bewerbung als Straßenfeger gescheitert!

Manchmal ist es Geschick, oft Sportlichkeit, fast immer Cleverness, was zum Erfolg führt. Klopapier möglichst schnell abrollen – ein echtes Kackspiel! Den Buchstaben „A" zählen bei einem Diktat. Das ist dann doch eher eine Aufgabe für Kandidaten mit Köpfchen. Show zwei verspricht Sektkorken so weit wie machbar knallen lassen – aber ohne das Kosten danach als Belohnung.

Nach 45 Minuten Netto-Sendezeit ist in der Tat schon einiges passiert im Fernseher. Konfetti zusammenfegen bisher noch nicht. Aber jetzt. Ein kleines Puzzle zusammensetzen. Klingt einfach, ja. Ist es auch bei nur zehn Teilen. Aber mit Ofenhandschuhen kommt Kniff hinein. Fieses Sat.1! Nach möglichst exakt 99 Sekunden die Hand heben: Wer hat eine innere Uhr?

Die nächste Fete zum runden Geburtstag ist irgendwie gerettet angesichts doch einiger guter Ideen für Gesellschaftsspiele. Luftballons kann man billig kaufen, Klopapier auch. Besen lassen sich bei den Nachbarn leihen – nur das Einfrieren von Trillerpfeifen in Eisblöcken klingt ein bisschen aufwändig.

Echter Name oder Künstlername? Roland Kaiser heißt eigentlich Ronald Keiler. Aber das weiß niemand. Sandra Bullock heißt wirklich so. Tina Turner? Anna Mae Bullock ist der echte Name. Nur Claus (56) weiß das nicht. 13,67 Meter abmessen: Schwierig. Lea, 18, mit dem riesigen Donald Duck auf dem Shirt, ist die erste, die weint. Und dabei ist erst die Hälfte der ersten Folge vorbei.

Eine Nadel im Heuhaufen finden, mit Blasrohr Luftballons kaputt schießen, eine Clownsnase vom Boden einer mit Watte gefüllten Plastikflasche herauspulen, im Hamsterrad laufen, 50 Zwiebelringe schneiden, Länderflaggen den Kontinenten zuordnen. Letzteres ist Erdkunde, schwer, weil wohl kaum jemand den Libanon und die Fahne mit dem grünen Baum kennt. Und das Land Asien zuordnet. Egal.

Luftpolsterfolien in Röhren stopfen, mit unterschiedlichen Mützen blind passende Partner finden, Kartoffeln werfen und fangen, Holzlatten zusammenbauen, um aus der Ferne wieder einen Ballon zum Platzen zu bringen – kann es sein, dass Sat.1 so langsam die Ideen ausgehen? Wann werden endlich Dominosteine aneinandergereiht? Nein, das war ja RTL...

Tischtennisball über ein Maßband in ein Glas rollen lassen – das ist dann wieder was für die Party zuhause. Wobei Kartoffeln werfen auch einen Reiz hätte. Und Luftpolsterfolien liegen bei einem jeden ja ohnehin meistens irgendwo herum. Nächste Aufgabe: Eine Blume mit einer Gartenschere halten. Klingt einfach? Ist es auch. Aber wie beim Maßkrug-Stemmen wird der ausgestreckte Arm irgendwann zu schwer. Schnipp!

Bleistifte schnell spitzen, aus einem Klamottenberg den zweiten passenden Socken finden, mit einem Strohhalm Schokolinsen nach Farbe sortieren, mit Bierdeckeln ein vierstöckiges Kartenhaus bauen – alles irgendwie nett, sehenswert, animierend. Das mit den Bierdeckeln macht Lust auf Trinkspiele. Schnell noch die Kleingeldmenge in einem Glas schätzen, natürlich sind es 99 Euro – und plötzlich: Ist Schluss mit Episode eins, kurzweiliger als gedacht.

Mit 1,36 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 5,9 Prozent, 0,63 Millionen und 11,7 Prozent in der klassischen Zielgruppe, kann der Sender zufrieden sein. Episode zwei läuft am Freitagabend, den 16. Juli, ab 20.15 Uhr auf Sat1. Zwei Wochen später weiß man dann, wer die 99.000 Euro gewinnt. Eigentlich kaum vorstellbar, dass die Produktionsfirma Ideen hat für 66 weitere Spiele...

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
10.07.2021 21:48 Uhr 1
Oh neee, nicht ihr jetzt auch noch Gendern..... :grimacing:
Torsten.Schaub
11.07.2021 07:33 Uhr 2
Yop, das Gendern ist so Schrecklich.
STAC
11.07.2021 08:16 Uhr 3
Da wurde doch kaum gegendert 😱



Gendern tut auch gar nicht weh. Ich find's gut 👍😎
Nr27
11.07.2021 11:50 Uhr 4
Was viel schlimmer ist als Gendern: Menschen, die sich übers Gendern aufregen und so tun, als wolle man sie zwingen, selber zu gendern.

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