Im Hier und Jetzt hat sich das Ärztepaar aus Josh Skinner (Keegan-Michael Key) und Melissa Gimble (Cecily Strong) im Alltag eingerichtet. Was so viel heißt wie: Das Leben zehrt an ihnen und ihren Gefühlen füreinander, und in der modernen Welt weiß sowieso niemand so richtig, ob das jetzt alles auf Dauer angelegt ist. Um ihre langweilige, gesetzte Beziehung zu retten, nehmen sie an einem Backpacking-Trip in der Natur teil, wo sie sich natürlich alsbald vom Rest der Gruppe entfernen – und plötzlich auf eine sonderbare Brücke stoßen.
Die führt sie just in ein wundersames Land, wo nicht nur das Gras grüner, sondern alle Farben knalliger – und vor allem die Menschen froher, hilfsbereiter und netter sind. Dass die Sonne immer scheint und jeder (bis auf eine ältliche, griesgrämige, pseudoreligiöse Frau) stets ein Lächeln auf den Lippen trägt, versteht sich ohnehin von selbst: genauso wie die Tatsache, dass man sich in diesem Dorf namens Schmigadoon nahezu ausschließlich in Reimform und mit passender musikalischer Untermalung unterhält. Auch Josh und Melissa schwant es so langsam: Sie sind in einer Musical-Welt gefangen, der sie erst wieder entkommen werden, wenn sie mit ihrer „wahren Liebe“ über die Brücke in die Außenwelt zurückkehren.
Aber wieso überhaupt entkommen? Wo das Gras grüner und die Musik immer beschwingt ist, ist es doch viel schöner als in unserer grauen, verregneten, missmutigen Welt. So denkt am Anfang auch noch Melissa, die die anheimelnd-betuliche Atmosphäre als Kontrast zu Klinik- und Beziehungsalltag zunächst sehr zu schätzen weiß, während ihrem Freund Josh das ganze Gesinge und Getanze schon von der ersten Minute an gehörig auf den Keks geht. Wer auf Ursachensuche gehen will, warum es in ihrer Beziehung kriselt, findet an dieser Stelle schon einen ersten Anhaltspunkt.
Und tatsächlich nehmen sich die beiden bald an der Hand und gehen über die Brücke – nur, dass daraufhin nicht passiert, der magische Moment der Rückkehr in die „normale“ Welt unterbleibt. Was nur die Schlussfolgerung zulässt: Ihre „wahre Liebe“ hat noch keiner der beiden gefunden, erst recht nicht im anderen. Aber dieses musikalische Dorf dürfte ja noch ein paar andere Überraschungen parat halten…
Schon beim Vorspann wird dagegen klar, in welcher Tradition diese sechsteilige Serie von AppleTV+ steht: Der große amerikanische Musical-Film der 40er und 50er Jahre war knallbunt, kitschig und quietschfidel, und so durchzieht auch «Schmigadoon!», zumindest nachdem sich Josh und Melissa raus aus der Tristesse ihres eingeschlafenen Beziehungsalltags begeben haben, eine vollumfängliche Unbekümmertheit und ein ziemlich schräger Sinn für Humor. Weil man heute aber nicht mehr so erzählen kann wie vor siebzig Jahren – Amerika ist schließlich inklusiver geworden und heute auf Repräsentation all seiner gesellschaftlichen Gruppierungen bedacht – muss mit dieser Tradition nahezu ständig gebrochen werden, um auch schwulen und/oder nicht-weißen Figuren Raum in dieser Serie zu geben, wo die humoristische zweite Ebene nicht immer funktioniert. Selbiges gilt für die ständige Betonung der Rolle der Frau in jenen altbackenen Vorbildern, die heute natürlich auch keinen Bestand mehr haben kann. Trotzdessen entfacht «Schmigadoon!» ein angenehmes Retro-Gefühl mit einigem Ohrwurmpotential. Noch jemand Maispudding?
Die Serie «Schmigadoon!» ist bei AppleTV+ zu sehen.
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