Debatte

Mehr Integration wagen: ARD-Sender für türkische Mitbürger

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Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haben in den vergangenen Jahren viel für Blinde und Taube getan. Jetzt sollte man ein weiteres Ziel in Angriff nehmen.

Rund 2,8 Millionen Menschen mit türkischem Hintergrund leben in der Bundesrepublik Deutschland, von denen etwa die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Darunter befinden sich viele Personen mit einem Migrationshintergrund, aber auch eine überproportionale Häufung von in Deutschland geborenen türkischen Mitbürgern. Obwohl kleinere Länder der Erde für etwa drei Millionen Bürger ein Fernsehangebot anbieten, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Die Beitragszahler mit türkischem Hintergrund werden außen vor gelassen.

Tatsächlich ist den öffentlich-rechtlichen Sendern zuzuschreiben, dass sie ihre acht Milliarden Euro jedes Jahr nie genutzt haben, um die zahlreichen Satellitenschüsseln auf Balkonen vorzubeugen. Im Gespräch mit der Redaktion teilten zuletzt viele Menschen mit Migrationshintergrund mit, dass man vorwiegend ausländisches Fernsehen im Wohnzimmer sehe. Die jungen Leute haben zwar Netflix und Co. abonniert, aber in Sachen Nachrichten und kulturelles Leben wird für die älteren Personen kein Angebot gemacht.

Wie wichtig ist es, ein eigenes sprachliches Angebot zu machen, erkannte auch die BBC. Für die gälische Bevölkerung startete die britische Version der ARD bereits vor 13 Jahren einen eigenen Fernsehsender, für den mittleren Osten gründete man einen arabischsprachigen Ableger von BBC World News. Sprache ist ein wichtiges Werkzeug, um Inhalte zu vermitteln. Gerade in Zeiten von Trumps „Fake News“-Kampagnen und Erdogans Beschwichtigungen in Sachen Corona-Gefährlichkeit wurden zahlreiche türkische Menschen nicht erreicht. Es ist deshalb schon eine Farce gewesen, dass man beispielsweise im Raum Köln die Menschen mit Handzetteln informieren wollte.

Dabei bedienen wir – völlig selbstverständlich – vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch andere Minderheiten. Audiodeskription, also die Erzählung, was die Kamera gerade zeigt, ist trotz 0,50 Millionen Menschen inzwischen etabliert. Bei der Fußball-Übertragung wird dieser Dienst sogar von den Sehenden verwendet. Die Teletext-Tafeln, damit Gehörlose den Inhalt verstehen, spricht theoretisch nur 0,32 Millionen Menschen an.

Es reicht allerdings nicht, nur eine Sendung im täglichen Stream zu veröffentlichen. Stattdessen sollte vor allem die ARD ihre Kompetenzen bündeln: Ein linearer Fernsehsender, der im Internet, per App und per Stream verfügbar ist. Neben eigens produzierten Nachrichten wie eine eigene «Tagesschau», die die deutschen Themen auf Türkisch behandelt, sollte durch die Berichterstattung aus der Türkei ausgebaut werden. Immerhin hat eine bestimmte Zielgruppe das Bedürfnis auf diese Informationen.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender könnten sich auch mit den privaten Fernsehsendern zusammenschließen, um den kulturellen Auftrag zu erfüllen. Was spricht dagegen, die RTL-Soaps zu lizenzieren und mit türkischer Synchronisation anzubieten? Selbst Comedy-Formate wären angebracht. Hätten sich so viele Türken über Böhmermanns Gedicht echauffiert, wenn sie regelmäßige Zuschauer vom «Neo Magazin Royale» gewesen wären? Würden so viele Menschen Erdogan in Deutschland wählen, wenn sie aufgeklärt werden? Die Antwort ist ungewiss – allerdings kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk beitragen, die Menschen aufzuklären – und zu unterhalten.

Fazit: Es leben in Deutschland zahlreiche Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Ohne Frage: In vielen türkischstämmigen Familien wird die Heimatsprache gesprochen, in den vergangenen Jahren wurde immer offensichtlicher, dass es eine Parallelgesellschaft gibt. Dies wurde in der Corona-Pandemie ersichtlich. Der Rundfunkbeitrags-Topf ist mit acht Milliarden gut gefüllt, von denen man ein paar Millionen abzwacken kann.

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