Ist der Wahlkampf in Deutschland schon gelaufen? Nach Informationen mehrerer Regionalzeitungen ist der Anteil an Briefwählern extrem hoch. Wie die in Würzburg ansässige ‚Main-Post‘ erfahren hat, habe rund die Hälfte der knapp 100.000 stimmberechtigten Bürger ihre Briefwahlunterlagen schon erhalten. In Hannover, so berichtet der NDR, wurden über 90.000 Unterlagen per Post verschickt. Knapp 25 Prozent der Bürger wählten die Briefwahl, Tendenz steigend.
Obwohl der Wahlkampf in Deutschland spannend wie seit 2005 ist, sind die Fernseh-Quoten im Vergleich rückläufig. Die Duelle zwischen Kanzler Schröder und Edmund Stoiber verzeichneten 14,98 sowie 15,26 Millionen Zuschauer, mit Merkel gab es drei Jahre später nur ein Duell: 20,98 Millionen Menschen waren dabei. Frank-Walter Steinmeier hatte 2009 gegen die Amtsinhaberin keine reelle Chance, der derzeitige Bundestagspräsident redete vor 14,26 Millionen Zuschauer. Gegen Peer Steinbrück verbesserte sich das Ergebnis auf 17,64 Millionen, Martin Schulz‘ Auftritt wollten sich 16,11 Millionen Zuschauer anschauen.
Bereits Ende August 2021 strahlte RTL das erste Triell zwischen Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) aus, das für RTL-verhältnisse fabelhafte 5,05 Millionen Zuschauer holte. Die Wahrheit ist aber auch, dass kein Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten in der Primetime jemals schlechter lief. Das zweite Triell, das bei Das Erste und im ZDF am Sonntag ausgestrahlt wurde, kam auf 10,87 Millionen Menschen. Zweitschlechtester Wert aller Zeiten. Immerhin werden sich die öffentlich-rechtlichen Sender und RTL freuen können, dass wohl aller Voraussicht die ProSiebenSat.1-Gruppe am kommenden Sonntag noch den letzten Platz einnehmen wird.
Zwischenfazit: Es lässt sich also festhalten, dass die Strategie von Angela Merkel stets mit dem größten Erfolg gekrönt war: Ein Duell, möglichst viele Fernsehsender. Es hat sich gezeigt, dass auch die Kombination zwischen einem Privatsender und einer öffentlich-rechtlichen Anstalt Sinn machte. Mit der Aufteilung der Trielle zwischen RTL, ARD/ZDF und ProSiebenSat.1 ist keinem Programm so wirklich geholfen. Denn: Wer Das Erste konsumiert, der gehört auch zum Beuteschema zum ZDF. Die ProSiebenSat.1-Gruppe ist so inhaltlich leer, dass dort mit «Die Herzblut-Aufgabe – Promis in der Pflege» (ab 18. Oktober) und «Die Job-Touristen: Wir lernen jetzt was Richtiges» (ab 16. September) zwei nahezu identische Formate laufen werden.
Bei den übrigen Wahl-Formaten schlug sich ProSieben in den meisten Fällen schlecht. Die im Frühjahr ausgestrahlten Interviews mit Baerbock (1,07 Mio.), Scholz (0,74 Mio.) und Laschet (0,94 Mio.) erreichten beim Zielpublikum 8,5, 6,4 und 7,7 Prozent. «Die Bundestagswahl-Show» mit Louis Klamroth kam auf 0,95 Millionen Zuschauer, der Marktanteil lag mit 9,3 Prozent im grünen Bereich. Ähnlich erging es auch Sat.1 mit «Kannste Kanzleramt?», bei dem die Spitzenkandidaten Schulklassen besuchten. Für Sat.1-Verhältnisse holte man gute neun Prozent. Aber dann wären da noch die Interviews mit dem politischen Spitzenpersonal. Beispielsweise holte das Gespräch mit FDP-Chef Christian Lindner am Samstag um 19.40 Uhr nur 0,36 Millionen Zuschauer. In der Zielgruppe erreichte die Gespräche 2,3, 5,2, 1,6 und 2,3 Prozent Marktanteil.
Die öffentlich-rechtlichen Sender sind deutlich beliebter: Die ersten Interviews von Das Erste und ZDF im April, Mai und Juni waren ein voller Erfolg. Bis zu 4,22 Millionen Menschen verfolgten im Ersten «Farbe bekennen» mit Olaf Scholz, Armin Laschet verbuchte 3,48 Millionen mit «Was, nun…?». Auch bei den jungen Zuschauern war das Interesse vorhanden. Weniger gut lief es für die erste «Am Tisch mit»-Ausgabe von RTL, die mit 0,55 Millionen Zuschauern floppte.
Die Townhall-Sendungen im Ersten und im ZDF liefen dagegen besser. Grünen-Kandidatin Baerbock holte 2,99 Millionen Zuschauer, Olaf Scholz verbuchte einen Tag später 3,86 Millionen Zuschauer. Das ZDF sendete eine Sendung mit Armin Laschet, die auf 3,44 Millionen Zuschauer kam. Überraschend stark sind diese Zuschauer-Sendungen bei den 14- bis 49-Jährigen. Die ersten drei Ausgaben von ARD/ZDF landeten auf Reichweite von 0,67 bis 0,91 Millionen Zuschauer.
Fazit: Die deutschen Fernsehzuschauer informieren sich auch weiterhin bei Das Erste und dem ZDF, das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Sender ist groß. Das liegt daran, dass das Programm wöchentlich zahlreiche Dokumentationen und Politik-Sendungen aufweist. Zwar fahren die Privatsender kleine Achtungserfolge ein, aber ein wirklich ernstzunehmender Konkurrent wird weder RTL noch die ProSiebenSat.1-Gruppe.
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