Serientäter

«Murdoch Mysteries»

von

Der Tod schlägt auf offener Bühne zu. Um die Gefährlichkeit des von Nikola Tesla entwickelten Zweiphasenwechselstroms zu beweisen, soll auf eben dieser Bühne ein Hund sterben. Doch während der ahnungslose Hund in seinem Käfig auf sein Schicksal wartet, ist es der Dame am Schalter, Miss Toronto Electric & Light, die einen tödlichen Stromschlag erhält.

Stab

DARSTELLER: Yannick Bisson, Hélène Joy, Thomas Craig, Johnny Harris, David Huband, Tamsen McDonough, Dmitry Chepovetsky
REGIE: Farhad Mann
DREHBUCH: Bob Carney
KAMERA: Dvid Perrault
MUSIK: Robert Carli
So also beginnen die «Murdoch Mysteries». Detective William Murdoch ist ein ungewöhnlicher Polizist. Er ist Frankokanadier und Katholik, doch sein Einsatzgebiet ist das protestantisch, englisch geprägte Toronto. Seine Herkunft aber ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal des attraktiven Polizeibeamten. Er ist ein Freund jeglicher neuer Technik; hätte er die Möglichkeit zum Studieren gehabt, er wäre vermutlich ein Wissenschaftlicher mit Leib und Seele geworden. Doch es sind die 1890er Jahre, in denen er als Detective in Toronto auf Mörderjagd geht und bei aller Liebe zur Technik: für die meisten Menschen stellt etwa elektrischer Strom noch immer so etwas wie Hexerei da. Oder ein verdammt gutes Geschäft, das es nur richtig zu verkaufen gilt.

Was Daniel Pratt, Eigentümer der Toronto Electric & Light nämlich auf einer Bühne vor Publikum veranstaltet, ist nicht nur eine Show. Pratt kämpft vielmehr um seinen Wohlstand. Welchen Wert hat da schon ein Streuner, den er auf offener Bühne durch einen Elekroschlag umbringen will. Ja, da ist eine junge Tierschutzaktivistin, die von einem Mord spricht und die Veranstaltung stört. Aber bitte, einen Hund durch einen Stromschlag sterben zu lassen wird Menschenleben schützen. Schützen vor der Scharlatanerie dieses Nikola Teslas, dessen Wechselstrom irgendwann alle Anwesenden töten wird. Pratt zumindest findet die richtigen Worte, um das Publikum gegen Tesla aufzubringen, der tatsächlich dem Schauspiel beiwohnt. Heimlich. Aber doch erkannt wird. Was Detective Murdoch entzückt. Gegen den Zirkus, den Pratt veranstaltet, kann er nichts unternehmen. Der ist angemeldet und nicht illegal. Aber ein Gespräch mit Nikola Tesla? Bevor es soweit kommt, ereignet sich auf der Bühne jedoch das besagte Unglück. Statt des Hundes, der den Vorfall wohlbehalten überlebt, fließt der Strom durch den Körper der Miss Toronto Electric & Light. Was sie auf der Stelle umbringt.

Dadurch wird sie ein Fall für Murdoch – der diesen Zirkus nicht alleine besucht hat. Begleitet wird er von Dr. Julia Ogden, einer Pathologin und Leichenbestatterin, die Murdochs Faszination für den Fortschritt teilt. Zusammen fällt es den beiden nicht schwer zu beweisen, dass der Unfall kein Unfall gewesen ist – sondern herbeigeführt wurde. Damit steht Murdoch schon bald in einem direkten Konflikt mit mächtigen Männern aus der Stadt. Auch weil er weiß, was mit dem Zirkus tatsächlich bezweckt werden sollte. Pratt hat sein Vermögen mit der Straßenbeleuchtung der Stadt verdient: Die auf dem von Edison entwickelte Gleichstromverfahren basiert. Nun aber schwenken mehr und mehr Städte auf Teslas Wechselstromverfahren um, das in Wahrheit einfacher, billiger, effektiver ist als Edisons Entwicklung. Hat Pratt die Vorführung vielleicht manipuliert, weil der Tod eines Menschen schockierender wirkt als der eines Straßenhundes?

«Unter Strom», sie erste Episode der «Murdoch Mysteries», gibt die Stoßrichtung der Serie vor. Hübsch ist die erste Episode ausgestattet. Kostüme, Kulissen, das alles wirkt mit viel Liebe umgesetzt. Es wirkt aber auch alles etwas steril, etwas sehr sauber. Einen Vergleich mit einer britischen A-Serien wie «Ripper Street», die etwa zur gleichen Zeit in London spielt und sich mit Dreck, Elend und Gewalt nicht zurückhält, hält dieses hübsche Retro-Toronto nicht stand. Was nicht bedeutet, dass es nicht schön anzuschauen wäre. Das ist es sehr wohl, denn die, genau, Liebe, die in der Ausstattung steckt, ist in jeder Einstellung sichtbar.

Darüber hinaus steht von der ersten Minute fest, wem die Sympathien der Serie gehören. Detective Murdoch und Dr. Ogden, zwei der Zukunft zugewandte Mittdreißiger, die mit Sicherheit noch das eine oder andere Mal an der Rückständigkeit ihrer Mitmenschen verzweifeln werden. Das alles ist vorhersehbar, aber funktioniert im Grunde vom ersten Moment an. Das schöne Umfeld, die geschliffenen Dialoge, der Ermittler, der über den Dingen steht und sich von nichts und niemanden verrückt machen lässt: Würde jemand behaupten, dieser Detective Murdoch sei der Ur-Großvater eines gewissen «Inspector Barnaby»s: Es würde wohl niemand kritisch hinterfragen.

In Kanada hat sich die Serie zu einem Phänomen entwickelt. Die erste Episode, die One am 15. September 2021 ausstrahlt, erlebte ihre Premiere in Kanada bereits im Jahr 2008, wo die Serie inzwischen 14 Staffeln und 221 Episoden plus drei Specials umfasst (Stand: September 2021).

Vor der Ausstrahlung im Free-TV hat der Sony Channel bereits im März mit der Ausstrahlung der ersten Staffel begonnen. Ob die Serie hierzulande gleichfalls ein derart treues Publikum finden wird wie in Kanada sei jedoch dahingestellt. Alles, was die erste Episode verspricht, ist nett. Das ist Fernsehunterhaltung im besten Sinne des Wortes. Flott inszeniert, sympathisch gespielt. Aber abgesehen von der hübschen Ausstattung wirkt die Geschichte doch am Ende recht simpel konstruiert und könnte so auch im Vorabendprogramm laufen. Aber vielleicht findet die Serie ja am Ende doch ein so begeistertes Publikum wie jenes, das nach dem Ende der fünften Staffel eine Petition gegen die Absetzung der Serie startete. Das nämlich ist nach fünf Jahren passiert. Der Sender CityTV stellte die Serie ein, da sie nicht mehr ins Schema passte – nicht etwa wegen sinkender Quoten. Der Protest der Fans zeigte Wirkung und flugs schlug das öffentlich-rechtliche Fernsehen Kanadas, CBC, zu und sicherte sich die Rechte an der Serie und vor allem ihrem Weiterleben!

«Murdoch Mysteries – Unter Strom», seit Mittwoch, 15. September 2021, 21.50 Uhr auf ONE. Natürlich auch in der ARD-Mediathek.

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