Jede Generation hat ihr ganz persönliches Science-Fiction-Erlebnis. Ende der Sechzigerjahre verschaffte Stanley Kubrick den Hippies mit «2001 – Odyssee im Weltraum» einen psychodelischen Trip. 1977 brachte George Lucas eine neue Generation von Teenagern mit «Star Wars» auf den intergalaktischen Abenteuerkurs, und um die Jahrtausendwende war gewiss «Matrix» von den Wachowskis eine Offenbarung für die Jugend. Nun ist mit «Dune» ein neues Filmwerk entstanden, dass für junge Menschen zum ersten ultimativen Kinoerlebnis werden könnte. Denn was Regisseur Denis Villeneuve («Blade Runner 2049») auf die Leinwand zaubert, ist schlichtweg gigantisch. Dabei ist er nicht der erste, der sich der gleichnamigen Science-Fiction-Saga von Frank Herbert (†65) angenommen hat. David Lynch («Twin Peaks») biss sich 1984 daran die Zähne aus, und auch die Miniserie von 2000 konnte nicht wirklich überzeugen. Und auch in den Siebzigern gab es schon mehrere gescheiterte Versuche, «Dune» verfilmen zu wollen. Was hat Villeneuve nun richtig gemacht, dass seine Version mit einer solchen Wucht durch die Kinosäle weht, dass sich viele gleich nochmals eine Karte dafür kaufen?
In den Weiten des Weltalls
In einer fernen Zeit irgendwo in den Weiten des Weltalls entbrennt ein Machtkampf um eine Ressource, die wertvoller als das Leben selbst erscheint. Das kostbare Spice existiert jedoch nur auf dem Wüstenplanet Arrakis, auch Dune genannt. Mit Hilfe des Spice erlangen die einen eine Bewusstseinserweiterung, für andere ist es der Treibstoff, um von einem Planeten zum anderen zu gelangen. Das Haus der Harkonnen war bisher vom Imperator damit beauftragt, das Spice abzubauen. Doch nun soll das Haus Atreides diese Aufgabe übernehmen. Herzog Leto Atreides will damit zugleich Frieden mit den Fremen, den Ureinwohnern von Arrakis, schließen. Er kann nicht ahnen, dass Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) ein Komplott geschmiedet hat, um das Haus Atreides für immer untergehen zu lassen. Der Herzog wird Opfer eines Hinterhalts, doch sein Sohn Paul (Timothée Chalamet) und dessen Mutter Lady Jessica Atreides (Rebecca Ferguson) können in die unendliche Wüste fliehen, die von gigantischen und alles verschlingenden Sandwürmern beherrscht wird. Schon bald geraten die beiden in die Fänge der Fremen, die in Paul den prophezeiten Messias sehen. Doch zunächst muss er sich den schweren Aufgaben ihres Anführers Stilgar (Javier Bardem) stellen.
Der Stoff, aus dem die Helden sind
Soweit die verknappte Inhaltsangabe zu «Dune», die aber schon erkennen lässt, wie sehr sich bereits George Lucas davon inspirieren ließ, um «Star Wars» auf den Weg zu bringen. Der Erfolg von «Star Wars» im Jahre 1977 führte wiederum dazu, dass eine Verfilmung von «Dune» ernsthaft vorangetrieben werden konnte. Damals existierten bereits drei Romane von «Dune», und bis zu seinem Tod im Jahre 1986 schrieb Frank Herbert noch drei weitere Bücher, um die komplexe Handlung und die Vernetzung mit weiteren Figuren noch auszudehnen. Dass David Lynch 1984 mit seiner ersten Verfilmung enttäuschte, lag vor allem daran, dass zu viel Stoff in einen Zweieinhalb-Stunden-Film gestopft wurde, viele Zuschauer irgendwann den Überblick verloren und die Zusammenhänge nicht mehr erkennen konnten. Diesen Fehler macht der Kanadier Denis Villeneuve glücklicherweise nicht. Seine Version dauert 155 Minuten, in denen er sich Zeit lässt, Figuren einzuführen, ein Gefühl für die drei Welten zu geben und vor allem, den Helden der Geschichte wachsen zu lassen. Damit verhilft er seinem Film zu einer wahrlich epischen Breite, die die literarische Vorlage verlangt.
Alles richtig gemacht!
Etliche Fans haben sich zuvor nochmals Lynchs Verfilmung angesehen und werden womöglich erstaunt feststellen, dass Villeneuve und seine Mitdrehbuchautoren Jon Spaihts («Prometheus – Dunkle Zeiten») und Eric Roth («A Star Is Born») sehr viel früher aus der Story aussteigen als Lynch. «Dune» endet also abrupt, weil tatsächlich nur der erste Roman umgesetzt wurde, und das ganze so angelegt ist, dass daraus eine ganze Filmreihe werden könnte. Vorausgesetzt, «Dune» kann überzeugen, wonach es momentan aussieht. Denn letztendlich hat Denis Villeneuve alles richtig gemacht, auch wenn seine Version noch düsterer und ernsthafter erscheint als die von Lynch, der mit einigen skurrilen Einfällen noch für etwas grotesken Humor sorgte. Dass mag manchen aufstoßen, aber «Dune» will eben kein Märchen sein, sondern durchaus ein verfremdetes Abbild unserer Mythen, Religionen, Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen sein, weshalb man in der fiktiven Geschichte so viel lesen kann und gewiss auch Verweise auf unsere Vergangenheit und Gegenwart findet. Darüber hinaus lebt „Dune“ auch von einem hervorragenden Cast und einer Flut atemberaubender Special Effects. Aber anders hätte man das von einem Denis Villeneuve auch nicht erwartet.
Fazit: Denis Villeneuve liefert 2021 die gelungenste Verfilmung von Herbert Franks Science-Fiction-Epos «Dune» ab. Denn er nimmt sich die Zeit, die vielen Figuren einzuführen, vergisst dabei aber nicht, auch großes Special-Effects-Kino zu bieten. Ein abruptes Ende lässt auf mehr als eine Fortsetzung hoffen.
«Dune» ist im Kino zu sehen.
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