Schon seit Sommer 2020 können die Leser von überregionalen Tages- und Wochenzeitungen wie dem Hamburger Blatt „Der Spiegel“ im Detail den Prozess zwischen dem deutschen Rapper und Songwriter, Bushido, geboren als Anis Mohamed Youssef Ferchichi, und seinem ehemaligen Weggefährten und zeitweise Manager Arafat Abou-Chaker, der ihn wohl aus dem Vertrag mit Aggro Berlin vor rund 20 Jahren herauslöste.
Jetzt brachte die Firma Content Factory die Doku-Reihe «Unzensiert – Bushido’s Wahrheit» heraus. Der Journalist Peter Rossberg begleitete den Rapper zwischen August 2018 und August 2020 mit einem Kamerateam. Es entstanden zahlreiche Aufnahmen, die das Team zu mehreren Folgen zusammenschnitt. Handelt die erste Episode noch von den Anfängen des deutschen Raps im Jahr 1998/1999, beschäftigen sich die übrigen Folgen fast nur noch mit dem Streit mit Abou-Chaker, der – wie viele weitere auch – nicht in der Dokumentation vorkommen wollte.
Ob sich Bushido mit der Dokumentation einen Gefallen getan hat? Den Deutschen Fernsehpreis wird Content Factory nicht bekommen, denn der Informationsgehalt der neuen Amazon-Reihe ist äußerst dünn. Stattdessen wird das Projekt seit Tagen gepusht und der reflektierte Zuschauer bemerkt, dass der Künstler diesen Vertrag ebenso kopflos unterzeichnete, wie die Zusammenarbeit mit Aggro Berlin und Abou-Chaker. Denn die Familie Ferchihi, darunter auch seine Ehefrau Anna-Maria, lassen in «Unzensiert – Bushido’s Wahrheit» die Hüllen fallen.
Die sechsteilige Reihe ist 219 Minuten lang und damit nur eine Minute kürzer als das Epos «Vom Winde verweht», das wenigstens mehrere Höhepunkte und zahlreiche Special-Effects hatte. Ferchichi ist kein Clark Gable. Die Aussagen in der Dokumentationsreihe werden sukzessiv trivialer und – zum Leid der Zuschauer – diese wurden auch schon durch die größten Online-Blätter und in den Boulevardmedien gezeigt.
Skurril sind unter anderem Stellen, in denen Bushidos Frau Anna-Maria sich über das mediale Interesse von Klatschzeitungen ärgerte, die die intimen Momente in die Welt verbreiten. Für die Dokumentation schaut sie sich überdies aber auch diese Werke wieder an – und kommentiert diese und andere intimen Stellen ihres gemeinsamen Lebens. Man muss der Familie und auch den Menschen hinter der Kamera attestieren, dass sie zum Teil verantwortungslos agieren. Die Familie steht bis heute unter Polizeischutz, doch die Kinder werden teilweise in Großaufnahmen gezeigt. Schwarze Balken oder gar verpixelte Kinder? Fehlanzeige.
Grundsätzlich soll die Serie eigentlich das Zerwürfnis zwischen Bushido und Arafat Abou-Chaker beleuchten. Doch das kann sie nicht, denn – zum Glück – sind in Deutschland dafür keine Amazon-Produktionen verantwortlich. Es mag zwar schon stimmen, dass Anis mit Anna-Maria (die Schwester von Sängerin Sarah Connor) seine große Liebe fand und ein Gegengewicht zu seinem Manager hatte, aber wie die genauen Details des Streits aussahen, ist unklar. Ohnehin ist der Prozess, der aktuell vor dem Berliner Landgericht ausgefochten wird, noch nicht vorbei. Wie will man die Gerichtsentscheidung einbauen? So kultig wie «Tiger King» wird «Unzensiert – Bushido’s Wahrheit» nicht, dass sich eine weitere Staffel lohnen würde. Ohnehin ist das Timing mehr als verwunderlich: Die Produktion wurde vor rund 15 Monate beendet, warum wirft Amazon diese Doku-Reihe jetzt auf den Markt?
Das Werk von Bild-Reporter Peter Rossberg fügt sich perfekt in die Amazon-Welt von «Bild.Macht.Deutschland?», «Behind the Legend» oder «Schw31ns7eiger» ein – PR-Fernsehen der ersten Kajüte. Doch die Reihe ist zäh wie Leder wie schon die Dokureihe «Kevin Kühnert und die SPD», die der NDR in der Nacht versteckte. Dieser muss man aber zu gute halten, dass sie in der Politik- und Medienblase gute Kritiken kam. Zurück zu «Unzensiert – Bushido’s Wahrheit»: Der gordische Knoten in Sachen Storytelling wird nicht durchschlagen. Wer seine Lebenszeit von 220 Minuten für diesen Mist opfert, sollte sich nach dem Lesen dieses Artikels zumindest nicht beschweren.
«Unzensiert – Bushido’s Wahrheit» ist bei Amazon zu sehen.
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