Die Kritiker

«Tatort - Und immer gewinnt die Nacht»

von

Die beiden Ermittlerinnen im Bremer «Tatort» zeichnet ein völlig gegensätzliches Menschenbild aus. Entsteht so auch ein spannender Krimi?

Stab

Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram, Dar Salim, Anna Bachmann, Franziska von Harsdorf, Karoline Eichhorn
Musik: Sebastian Fillenberg
Kamera: Leah Striker
Drehbuch: Christian Jeltsch
Regie: Oliver Hirschbiegel
Diesmal hat es einen guten Samariter erwischt: einen, der alles stehen und liegen lässt, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Nachts am Hafen wird der Arzt der Herzen überfahren, mehrmals, und mit äußerster Brutalität. Sein Opfer muss ihn ganz schön gehasst haben – dabei kann es dafür eigentlich kaum Gründe gegeben haben; denn der Mann war die Gutheit in Person. Noch zu später Stunde rückte er aus, um bettelarmen Obdachlosen das Leben zu retten, die illegal im Land sind und sich deshalb nicht trauen, den Notruf zu wählen, wenn sie in einer medizinischen Notsituation sind.

Aber wie so oft ist vieles davon nur Schein. Denn auch der beste, edelste Mann hat seine Abgründe. Das erkennen die Bremer Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) schnell, als sie einmal ordentlich in seinem Privatleben stöbern: Dann stellen sie nämlich fest, dass seine Sprechstundenhilfe ordentlich abkassiert hat, um Patienten schneller einen Termin bei der Koryphäe zu verschaffen, und dass der Herr Doktor bei der Verschreibung von hochwirksamen und entsprechend süchtig machenden Substanzen ziemlich großzügig vorgegangen ist – wohl auch nicht ohne Hintergedanken.

Unterdessen ist der Dritte im Bunde – Kommissar Mads Andersen (Dar Salim) – noch in seiner Heimat Dänemark, wo er Vorträge über moderne Verbrechensbekämpfung hält. Doch schon bald hat es ein Junge auf ihn abgesehen. Er will Rache an ihm nehmen für den Tod seines Vaters, den er Kommissar Andersen zuschreibt, aus seiner Zeit, als der noch tief im Terroristenmilieu von Kopenhagen ermittelt hat.

Ein bisschen ist das also ein «Tatort» wie jeder andere – was ein wenig seltsam anmutet, schließlich sind die Hauptfiguren doch bedeutend jünger als ihre Kolleginnen aus anderen Städten. Ein bisschen mehr Power hätte man gerade bei dynamischen Darstellerinnen wie Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram erwartet – beziehungsweise ein Drehbuch, das ihnen ihre Rollen auch auf den Leib schreibt. Tatsächlich aber ergehen sich die beiden Figuren fast die gesamten neunzig Minuten über in recht seltsam anmutenden Dialogen über ihre völlig gegensätzliche Weltanschauung zur Bösartigkeit des Menschen: Denn Linda Selb ist überzeugt, dass jeder zum Mörder werden kann, wenn ihn nur das richtige Motiv und die richtige Gelegenheit ereilt; Liv Moormann dagegen, die sich aus den Slums von Bremerhaven in einen angesehen Beruf vorgekämpft hat, besitzt trotz einer schwierigen Biographie ein viel optimistischeres Menschenbild. Eigentlich ein interessanter Ansatz – nur wird leider nicht klar, warum er hier immer so gestelzt vorgetragen werden muss.

Im Ersten ist die Folge «Tatort – Und immer gewinnt die Nacht» am Sonntag, den 12. Dezember um 20.15 Uhr zu sehen.

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