Die sechste Staffel von «The Expanse» schließt praktisch nahtlos an das Finale der fünften Staffel an. Das gesamte Universum befindet sich im Krieg. Die Erde wurde von Asteroideneinschlägen getroffen, für die sich Marco Inaros (Keon Alexander) und seine freie Raummarine verantwortlich zeigen. Neben Millionen Toten durch die Einschläge, haben diese auch eine Klimakatastrophe vergleichbar mit einem nuklearen Winter ausgelöst, die zu einer Hungersnot führen. Die Marsianer und die Erde arbeiten währenddessen, unterstützt von der Rocinante, zusammen, um gegen die freie Raummarine zurückzuschlagen.
Erzählerisch schafft es Staffel sechs trotz der geringen Episodenanzahl sich Zeit für die einzelnen Crewmitglieder zu nehmen und deren persönliche, charakterliche Entwicklung Revue passieren zu lassen. Dieser Fokus auf Einzelschicksale, bei dem sich die Autoren nie darum geschert haben, ob diese vom Zuschauer positiv oder negativ interpretiert werden könnten und sich durch bestimmte Handlungen und Aussagen Sympathien oder Antipathien entwickelten, bestimmte von jeher den Kern der Serie. Dem gleichwertigen Blick auf die Antriebsgründe und innere Zerrissenheit sowohl der Anti(-helden) der Serie als auch deren Gegenspieler wird auch mit Staffel sechs weiterhin hohe Bedeutung zugemessen.
Neben den zahlreichen individuellen Charaktermomenten kommen allerdings auch die hervorragend inszenierten Raumschlachten abermals nicht zu kurz und das visuelle Niveau der Vorgängerstaffel kann gehalten werden. Trotzdem wird insgesamt recht schnell klar, dass die sechs Folgen mehr oder weniger einen Kompromiss darstellen, die Serie noch zu einem runden Abschluss zu bringen. Da die nachfolgende Trilogie rund 30 Jahre in der Zukunft spielt und man diese nur mit massivem Make-Up bzw. CGI-Einsatz die Protagonisten betreffend hätte umsetzen können, ist der (möglicherweise vorrübergehende) Abschluss der Serie durchaus nachzuvollziehen. Warum allerdings seitens Amazon die Episodenanzahl betreffend so geknausert wurde und man den Autoren nicht die üblichen zehn Folgen zur Verfügung gestellt hat, wirft durchaus einige ungelöste Fragen auf. Denn letztlich fehlt dieser finalen Staffel an vielen Ecken und Ende die Luft zum Atmen, Charakterinteraktionen kommen teilweise zu kurz und viele Beweggründe für bestimmte Handlungsstränge werden nicht mehr hinterfragt.
Trotz des unweigerlichen Gefühls, dass in einigen Bereichen dieser letzten Staffel etwas gehetzt vorgegangen wurde, dürften Fans weltweit dankbar sein, nach der vorübergehenden Absetzung der Serie nach Staffel drei überhaupt an einem Punkt angekommen zu sein, der «The Expanse» einen runden Abschluss ermöglicht. Denn gerade im Bereich Science-Fiction konnte sich die Serie wie kaum eine andere in den letzten Jahren vom Einheitsbrei abheben und eine erwachsene, multilaterale und komplexe Geschichte erzählen, die ihr hohes Niveau von Beginn an halten und teilweise noch steigern konnte.
Die sechste Staffel von «The Expanse» läuft seit dem 10. Dezember 2021 in wöchentlicher Ausstrahlung bei Amazon Prime Video.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel