Die Kino-Kritiker

«Matrix Resurrections» – Die Welt im Wandel

von   |  14 Kommentare

Lana Wachowski setzte den vierten Teil der Reihe ohne ihre Schwester um. Kann Neo an die früheren Zeiten anknüpfen? Und was hat eigentlich Neil Patrick Harris damit zu tun?

1999 schien die Welt vor einem Wandel zu stehen. Denn ein neues Jahrtausend sollte anbrechen, was Hoffnungen weckte, aber auch Ängste schürte. Viele befürchteten etwa einen Computer-Gau, weil das Umspringen auf die Jahreszahl 2000 von etlichen Programmen nicht bewältigt werden könnte. Abstürze von Flugzeugen und weltweite Stromausfälle wurden befürchtet. In dieser Stimmung kam im Sommer 1999 ein Film in die Kinos, der die Zuschauer mit einer noch viel absurderen Zukunftsvision konfrontierte: Was wäre, wenn die Welt bald von Maschinen beherrscht werden würde, die Menschen vorgaukeln, noch immer ein ihnen vertrautes Leben zu führen? Oder leben wir nicht schon längst in einer Welt der Illusionen? Solche Gedanken provozierten einen philosophischen Rahmen, den die Regisseure Larry und Andy Wachowski in den beiden Fortsetzungen «Matrix Reloaded» und «Matrix Revolutions» dermaßen ausbauten, dass man sich anstrengen musste, um ihnen überhaupt noch folgen zu können. Inzwischen haben sich die beiden Brüder nacheinander einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und nennen sind jetzt Lana und Lilly Wachowski. Eine Wiederaufleben unter anderem Vorzeichen verspricht nun auch der vierte Teil zu sein. Doch «Matrix Resurrections» wurde allein von Lana bestritten.

Zwischen Wahn und Wirklichkeit
Thomas Anderson (Keanu Reeves) hat sich eine Karriere als Designer von Computerspielen aufgebaut. Sein größter Verkaufsschlager ist die «Matrix»-Trilogie als Computerspiel. Doch er wird von Halluzinationen gequält und glaubt, sein Spiel real erlebt zu haben. Sein Psychoanalytiker (Neil Patrick Harris) redet ihm das immer wieder aus und versorgt Thomas mit blauen Pillen, die er regelmäßig einnehmen soll. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Thomas existiert nur gedanklich im sonnigen San Francisco als Spieldesigner. Sein verkabelter Körper indes ist gefangen in einem Tank, der von Maschinen kontrolliert wird. Zwei befreite Menschen wollen ihn daraus holen. Aber zunächst müssen Bugs (Jessica Henwick) und Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) den Psychoanalytiker austricksen. Thomas erwacht und erinnert sich, wer er wirklich ist und dass er mit richtigen Namen Neo heißt. Doch wo ist seine einstige Kampfgefährtin Trinity (Carrie-Anne Moss)? Als Tiffany lebt sie in der Matrix das Leben einer glücklich verheirateten Frau, die nichts von ihrem Unglück ahnt. Neo beschließt, auch so zu befreien.

Die Marke Matrix
Schon im ersten Teil stellte Morpheus - damals noch von Laurence Fishburne gespielt - Neo vor der Wahl, die blaue oder rote Pille einzunehmen. Will er weiterhin sein routiniert- langweiliges Leben in einer Scheinwelt führen, muss er die blaue einnehmen. Sucht er jedoch sein wahres Ich und will mit der Welt konfrontiert werden wie sie wirklich ist, dann muss er die rote Pille schlucken. Dass der Held der «Matrix»-Saga, im vierten Teil erneut vor der Wahl gestellt wird, zeigt eigentlich nur, dass uns im Großen und Ganzen nochmals das Gleiche wie aus dem ersten Teil vorgekaut wird. Was daran liegen mag, dass allein «Matrix» von 1999 zum Kultfilm geworden ist, während die ersten beiden Fortsetzungen die Fans mehr und mehr verwirrten. Sich vor allem auf das Original von 1999 zu beziehen, macht also Sinn, wenn man 14 Jahre nach Ende der Science-Fiction-Trilogie die Marke «Matrix» wieder aufleben lassen will. Das könnte sogar funktionieren, denn einstige Fans erinnern sich noch gern an eines ihrer bedeutendsten Kinoerlebnisse und sind gewiss gewillt, Neo und Trinity eine zweite Chance zu geben.

Eine zweite Chance
Es scheint als wollten Lana Wachowski und ihre Mitschreiber David Mitchell («Cloud Atlas») und Aleksander Hemon («Sense8») die Plot-Schwierigkeiten der Teile 2 und 3 tatsächlich ausräumen, weshalb sie einerseits öfters auf selbstironische Weise ihre Wiederholungstaktik entlarven, anderseits schenken sie der Zuneigung zwischen Trinity und Neo mehr Beachtung als je zuvor. Eine zweite Chance als Liebes- oder Traumpaar? Warum nicht! Wobei es recht lange dauert, bis beide endlich Seite an Seite erneut für mehr Menschlichkeit kämpfen und dabei wieder die unmöglichsten Kapriolen schlagen. Denn in erster Linie haben sie gefälligst dann doch als Actionstars mit überirdischen Fähigkeiten zu funktionieren. Kämpfen, Schlagen, Schießen - permanent werden daraus Action-Höhepunkte kreiert, was mit der Zeit allerdings auch etwas anstrengend wird, weil es stets visuelle Effekte sind, die uns beeindrucken sollen. Da die physikalischen Gesetze in der Matrix aber sowieso nicht gelten und quasi alles möglich ist, wird man kaum noch überrascht und nimmt den Action-Aufstand auf der Leinwand fast wie selbstverständlich hin und schaut öfters mal dran vorbei. Natürlich bleiben auch im vierten Teil die philosophischen Exkurse nicht aus, um der «Matrix»-Mythologie zu Fragen unserer Existenz weiterhin Bedeutung zu schenken. Wer aber da so richtig durchschauen will, sollte sich zuvor unbedingt nochmals die ersten drei Teile ansehen.

Fazit: Nochmals alles auf Anfang. In «Matrix Resurrections» geht es zunächst mal zu wie im Originalfilm von 1999. Danach bekommt die Liebe eine Chance, wenn auch mit ganz viel Action-Gewitter und philosophischen Überbau.

Kurz-URL: qmde.de/131547
Finde ich...
super
schade
62 %
38 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelSR schickt Florian Mayer nach Washingtonnächster ArtikelBuchclub: „Winterrezepte aus dem Kollektiv“
Es gibt 14 Kommentare zum Artikel
Torsten
28.12.2021 11:29 Uhr 1
Wie ich jetzt in vielen Berichten gelsen habe, floppt der Film ziemlich an den Kinokassen, was nicht (man sehe es bei Spidy) an der Pandemie liegt. Auch viele Kritiker und Fans sind nicht wirklich begeistert von dem Film. Wohl doch nur eine unnötige Fortsetzung die leiner braucht.
Fabian
28.12.2021 11:38 Uhr 2
Ich will den eigentlich sehen, aber ich muss sagen, mich schrecken inzwischen diese 150 Minuten Filme ab. Am Ende geht man aus dem Kino raus und denkt sich, ja, hättet euch 90 min sparen können. Außerdem waren Matrix 2 und 3 schon ein wirklicher Scheiß.
Sentinel2003
28.12.2021 13:03 Uhr 3
Joar, im Spiegel Forum sind die meissten ziemlich enttäuscht davon, den hätte es wohl nicht unbedingt gebraucht!
Der Clown
28.12.2021 16:50 Uhr 4
Zweimal gesehen, einmal Kino Premierenabend, einmal HBO Max. Matrix-Fan der 1. Stunde, aber man darf eben nicht zuviel erwarten und dann hat man Spaß, auch als Fan. Es ist eben nicht mehr 1999, es ist nicht mehr 2003, der Regisseur ist jetzt eine RegisseurIN und hat seichtere Produktionen mit Sonnenaufgang verantwortet. Das seichte wurde hier übertragen und auch die Sonnenuntergänge. Es ist am Ende eine Liebesstory von zwei Mit-50ern.... Und dass das nicht vielen gefällt, merkt man am Boxoffice. Aber das Timing nach dem Milliarden-Spidey ist halt auch doof
Sentinel2003
28.12.2021 22:40 Uhr 5
Ich weiß noch, dass ich damals zum 2. Teil mit meinem Kumpel und deren Freundin ins Kino gegangen bin mit fast schon unmenschlich hohen Erwartungen....dann sind Wir 3 dabei fast eingenickt.....
LittleQ
29.12.2021 00:48 Uhr 6
Kann leider auch nichts guter über den Film berichten. Ich finde ihn jetzt nicht grausam schlecht, aber eben leider auch nicht wirklich gut. Bin nicht enttäuscht, weil ich echt keine Erwartungen hatte, aber Matrix 4 lässt nicht viel Platz zum Liebhaben.
Flapwazzle
29.12.2021 10:56 Uhr 7
Meine Wertung, nachdem ich die Trilogie nochmals komplett bei Netflix über Weihnachten gestreamt hatte:



The Matrix (9 von 10 Punkten)

The Marrix Reloaded (bombastische 10 von 10 Punkten)

The Matrix Revolutions (8 von 10 Punkten)



Und gestern im Kino:

The Matrix Resurrections (leider nur 6 von 10 Punkten)



Vielleicht können doch nur männliche Regisseure gute SciFi-Actionfilme abliefern?! ;-)
MasterElwood
31.12.2021 04:58 Uhr 8


Genau DAS ist das Problem. Spidy saugt quasi das ganze Publikum weg. Eine Woche nach NWH war einfach nur dumm.
Friccs
31.12.2021 18:32 Uhr 9
Der Film ist einfach nur sauschlecht. Mit 5,8 bei IMDB braucht man da auch nicht mehr wirklich viel dazu sagen.
Wolfsgesicht
31.12.2021 18:55 Uhr 10
Jap. Wollte den im IMAX sehen, aber dort läuft die ganze Woche nur Spider Man. Die einzige Vorstellung im IMAX läuft um 23 Uhr. Mit Werbung ist das Ding um 2 Uhr durch - geil!

Muss schauen ob ich mich noch ins Kino bemühe.

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung