Stab
DARSTELLER: Philipp Hochmair, Johannes Allmayer, Maximilian Brückner, Matthias Bundschuh, Fabian Busch, Jakob Diehl, Lilli Fichtner, Godehard Giese, Peter Jordan, Arnd Klawitter, Frederic Linkemann, Thomas Loibl, Sascha Nathan, Markus Schleinzer, Simon Schwarz, Rafael StachowiakREGIE: Matti Geschonneck
DREHBUCH: Magnus Vattrodt, Paul Mommertz
KAMERA: Theo Bierken
SCHNITT: Dirk Grau
Über das, was dann in der Villa an diesem Januartag im Jahr 1942 besprochen worden ist, liegt derweil ein ausführliches Protokoll vor, das sämtliche Einwürfe, Kritikpunkte, vor allem aber sehr viel Wohlwollen und Zustimmung der teilnehmenden Personen aufführt. Auch die Uhrzeiten sind protokolliert. Am Ende hat dieses Treffen knapp 90 Minuten gedauert. 90 Minuten, in denen ein millionenfacher Mord beschlossen wurde, so unvorstellbar und barbarisch in seinen Dimensionen, dass es kein Wort gibt, dass diesen Schrecken tatsächlich zu fassen bekäme. Natürlich gibt es Versuche, diesen Bruch aller Zivilisation sprachlich zu erklären. Völkermord. Holocaust. Doch am Ende muss jeder Versuch, die Bedeutung tatsächlich zu fassen zu bekommen, scheitern.
Was Matti Geschonneck in seiner Inszenierung berücksichtigt. Er zeigt die Konferenz aus einer semidokumentarischen Sicht. Die Kamera verzichtet auf Spielereien jeder Art. Gleichzeitig aber bleibt sie keinesfalls starr. Sie entwickelt immer wieder Dynamik. Diese aber steht nie für sich. Sie zeigt vielmehr auf, wie auch die Entscheider nicht sofort auf einer Linie agieren und durchaus Animositäten zwischen den Männern zu spüren sind. Die Uniformträger haben wenig Verständnis für die anfängliche Zurückhaltung der Staatsbeamten. Den Zivilisten geht der Enthusiasmus der Soldaten etwas zu weit. Nicht, dass sie auch nur einen Moment das Ziel infrage stellen würden. Allein in Bezug auf die zu wählenden Wege (oder: die Formalitäten) herrscht immer wieder Dissens.
In seinen stärksten Momenten ist es pure Fassungslosigkeit, welche Matti Geschonneck seine Zuschauer spüren lässt. Fassungslosigkeit und Sprachlosigkeiten. Geschonneck bricht das Geschehen auf den Verwaltungsakt des geplanten Genozides herunter. Es stehen Fragen im Raum wie: Welche Gruppen werden zwecks Vernichtung wohin geschickt? Welchen Aufwand erfordert es, Millionen Menschen erschießen zu lassen? Was sagen die Forschungen über effektivere Tötungsmethoden aus? Wohin mit all den Leichen? Die Männer, die an einem in U-Form positionierten Verhandlungstisch sitzen, diskutieren über all diese Fragen mit ihrem Fachwissen, wobei sich herauskristallisiert, dass ohne die zivilen Kräfte der Ministerien mit ihren Staatssekretären und Fachbeamten ein solch unbeschreibliches Menschheitsverbrechen nie auch nur im Ansatz umsetzbar gewesen wäre, denn eines zeigt die Inszenierung immer und immer wieder: Ohne die Sachkompetenz der zivilen Beamten hätte es den Uniformträgern schlicht an Knowhow gefehlt.
Es ist eine teils unerträgliche Kost, die Matti Geschonneck den Zuschauern zumutet. Sie ist unerträglich, weil der Regisseur die Geschehnisse in fürchterlicher Sachlichkeit präsentiert. Natürlich gibt es da immer wieder Momente, in denen, wie bereits erwähnt, Dissenz auftritt und auch Animositäten offen an den Tag treten. Aber das alles wirkt nie wirklich dramatisch oder gar explosiv. Nein, man redet, man arbeitet die Unterpunkte des einzigen Tagesordnungspunktes ab und nach 90 Minuten steht das Ergebnis im Raum.
Ein Menschheitsverbrechen.
Ein Genozid.
«Die Wannseekonferenz» ist verdammt harte Kost.
Sehenswert ist der Film auf jeden Fall.
Am Montag, 24. Januar 2022, 20.15 Uhr im ZDF.