Debatte

Der populistische Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

von   |  18 Kommentare

Das Erste und das ZDF stehen zu Jahresbeginn wieder unter Druck. Die Politik will gerade die Aushängeschilder beschneiden. Dabei wäre eine konstruktive Auseinandersetzung mit der ARD wirklich interessant, denn die Unterschiede sind von Anstalt zu Anstalt gewaltig. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Der 51-Jährige Markus Kurze gehört seit 20 Jahren dem Landtag von Sachsen-Anhalt an und wurde zuletzt mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ zitiert, er wolle Das Erste als „eigenständigen Kanal abschaffen“. Kurze, dessen Wahlkreis östlich von Magdeburg liegt, wurde allerdings nicht als Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) gewählt, sondern für die Christlich Demokratische Union (CDU). Die Partei diskutiert, nicht zum ersten Mal, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk deutlich reduziert werden kann.

Schon in mehreren Ländern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck. Vor etwa vier Jahren haben die Schweizer darüber entscheiden dürfen, ob deren Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG-SSR) keinen staatlichen Auftrag mehr übernehmen soll und somit 1,2 Milliarden Franken pro Jahr verliert. 71,6 Prozent der Schweizer wollten den Rundfunk behalten. In Großbritannien zielt Boris Johnson schon seit geraumer Zeit gegen die BBC. Seine Kulturministerin plant die Royal Charter, also den Rundfunkvertrag, nicht noch einmal zu erneuern.

Wie die Zeitung „The Mail on Sunday“ berichtete, sollen neue Möglichkeiten diskutiert werden, wie man die Fortführung der Anstalt finanzieren könne. Die Fernsehanstalt von der Insel und der britische Premierminister werden keine Freunde mehr. Seit dem Amtsantritt von Johnson im Juli 2019 und heute ist das Verhältnis schlecht. Die konservativen Tories warfen der Anstalt vor, viel zu negativ über den Brexit zu berichten. Johnson und seine Kollegen lehnen fast alle Interviews ab, teilen lieber gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei der Konkurrenz oder den gedruckten Zeitungen aus.

In Deutschland sind wir von solchen Zuständen – zum Glück – noch weit entfernt. Alexander Gauland (AfD) sagte zum 60-jährigen Jubiläum von «Panorama», dass er den Rundfunkbeitrag „eindampfen“ möchte. Wie er mitteilte, sei der Rundfunk einseitig und geht nur in eine Richtung. Nur in welche? Die einen schimpfen über die hohen Sportrechte, die anderen über die zahllosen gleichen Krimis und die nächsten finden, er werde zu viel Geld für Intendanten ausgegeben.

Seien wir doch ehrlich: Die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind sehr verzwickt und mit einem Etat von über acht Milliarden Euro pro Jahr spielt man in einer Großkonzernen-Liga. In einer solchen Größenordnung müssen sich Unternehmen stetig hinterfragen, ob ihr Geschäftsmodell und ihr Aufbau noch zeitgemäß sind. Das hat in den vergangenen Jahren schon oft geklappt, wie die trimediale Arbeitsstruktur. Heißt: Wer einen Fernsehbeitrag macht, stellt einen Radiobeitrag her und verfasst den Text für das Internetangebot.

Es gibt bei den unterschiedlichen ARD-Anstalten überhaupt keine gemeinsamen Linien: Der bayerische Rundfunk hat als einziger Sender eine eigene Vorabendserie, aber unterteilt die Regionalmagazine nur in Nord und Süd. Unterdessen leistet sich der WDR elf verschiedene Lokalstudios. Bei einigen Beiträgen muss man sich fragen, ob die «Lokalzeit» kein Informationsmagazin ist, sondern eine Beschäftigungsmaßnahme. Beim hr Fernsehen gibt es unterdessen bei der «hessenschau» und «maintower» keine regionale Unterteilung.

Beim Blick auf die defizitären Abteilungen Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk muss ebenfalls das Angebot hinterfragt werden. Das Saarland hat etwas mehr als eine Million Einwohner, der seit 1. Mai 2021 im Amt befindende Intendant Martin Grasmück unterhält fünf eigenständige Radiostationen. Der Norddeutsche Rundfunk, der finanziell gut aufgestellt ist, produziert mit Deutschlandfunk Kultur eine Podcast-Serie über den Monobloc, ein Plastik-Stuhl.

Journalisten, die sich in die Materie „öffentlich-rechtliches Fernsehen“ einarbeiten bleiben oftmals ratlos zurück. Jede der neun Anstalten unterhält zahlreiche Abteilungen, die wiederrum viele Regionalbüros haben. Es wird allerdings nicht mehr ein Programm produziert, um zu unterhalten oder um zu informieren, sondern als Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen. Der Norddeutsche Rundfunk ist fast im gesamten Norddeutschland zuständig, nur für den Stadtstaat Bremen gibt es die Anstalt radiobremen, die jährlich Millionen verschlingt. Nicht nur die 44 Millionen Euro aus Beiträgen, sondern weitere 50 Millionen von den anderen ARD-Anstalten.

Fazit: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist riesig, schwerfällig und eine gigantische Behörde. Eine Diskussion über eine Reform, wenn nicht sogar mehrere, ist angebracht. Aber bitte auf keinem populistischen Niveau, sondern auf eine konstruktive Art und Weise. Doch bislang ist kein sinnvoller Prozess gestartet worden, um ARD und ZDF fit für die Zukunft zu machen. Übrigens: Mittlerweile ruderte Kurze zurück, Das Erste könne ja das „Schaufenster der Regionen“ werden. Aber dafür haben wir doch die Dritte.

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Es gibt 18 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
01.02.2022 23:26 Uhr 1
Ich frage mich manchmal echt, warum zdf_neo und ONE überhaupt senden!! Für meine Mutter und mich ist das Ding fast schon DER AbspielSender von "Wilsberg" :relieved: !! Anscheinend kennt dieser Sender fast nix anders mehr....und, ONE ist ja auch fast nur noch eine Abspiel Station von Wdhlg.!! Noch bis vor 3 oder 4 Jahren hat ONE immer wunderbare Wdhlg. von deutschen Filmen aus der ARD gezeigt, die nicht älter als 5 Jahre waren, das gibt es gar nicht mehr!
kauai
02.02.2022 13:13 Uhr 2
Entweder "Das Erste" oder das ZDF gehören komplett eingestampft! Die Regionalprogramme gehören sowohl in TV als auch Radio ordentlich abgesteckt. Ein zentraler und eine handvoll regionaler Sender wären vollkommen ausreichend um Bildungsauftrag, Informationspflicht und Grundversorgung zu gewährleisten. Als das Konstrukt der ör Grundversorgung entstanden ist, gab es weder Internet noch privaten Rundfunk. Dementsprechend wäre eine Reform des Konstruktes nicht nur erforderlich sondern ist längst überfällig!
Vittel
02.02.2022 18:20 Uhr 3
Ja, eine Reform ist unabdingbar und es ist ganz dringend erforderlich, die Diskussion aus den Händen der Populisten zu nehmen und in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.

Ansonsten gewinnen die Populisten nämlich auch, in dem sie die Diskussion und eine folgende Reform verhindern und der ÖRR in der Bedeutungslosigkeit verschwindet und die Zuschauer nach und nach wegsterben, während sich die jüngeren Leute anderweitig beschäftigen.



Den Populisten kann man den Wind aus den Segeln nehmen, wenn man die Reform an Stellen startet, die kein Zugeständnis sind: Bei der Unterhaltung, die viel Geld bringt, aber keine direkte gesellschaftlich wichtige Rolle einnimmt (So wie Information, Bildung und Kultur)



Man könnte mit einem einfachen Schaubild anfangen: Auf der X-Achse trägt man die Kosten für ein Unterhaltungsformat ab, auf der Y-Achse die Wahrscheinlichkeit, dass das Unterhaltungsformat wunderbar außerhalb des ÖRR weiter existiert.

Fußball Bundesliga z.B. ist relativ teuer, die Wahrscheinlichkeit, dass es weiterhin verfügbar bleibt, liegt bei fast 100%.



So trägt man dann alle Unterhaltungssendungen ab und startet mit denen im rechten oberen Quadranten. Diese Sendungen werden dann nach und nach reduziert und abgeschafft. Gottschalk darf noch zwei mal Wetten Dass senden und Helene noch eine Weihnachtsshow feiern, danach gibt es kein neues Budget für solche Art der Unterhaltung

Die Einsparungen gibt man dann zum Teil an die Gebührenzahler zurück und steckt sie in die Themen, die außerhalb des ÖRR nicht oder nicht so gut funktionieren: Information, Kunst, Kultur, Bildung.
skyfreak1972
02.02.2022 18:32 Uhr 4


Selten so ein Schwachsinn gelesen. Man müsst als User von Quotenmeter.de wissen, das ARD und ZDF von den Einschaltenquoten her, die beliebtesten Programme in Deutschland sind, weit vor den Privaten. Und deshalb sind die Angriffe der rechtsradikalen Populisten auf die ARD und ZDF um jeden Preis abzuwehren. Jeder weiß doch das die CDU in Sachsen, der Afd sehr nahe sind. Außerdem will ich was sehen für mein Geld, und deshalb bin ich absolut dagegen, das Programme eingestampft oder abgeschaltet werden. Die Lobby der Privaten macht also ganz schön druck. Unterhaltung und Sport gehören auch zum Auftrag. Jeder Versuch ARD und ZDF zu beschneiden, ist ein Angriff auf die Mediale Vielfalt und auf die Meinungsvielfalt und Demokratie.
Sentinel2003
02.02.2022 21:19 Uhr 5
also, einstampfen von ARD und ZDF sage ich ja nicht, ich wäre für die Einstellung von ONE und zdf_neo....
kauai
02.02.2022 23:47 Uhr 6

Ich zahle genau so viel wie Du und hätte auch gern eine Gegenleistung, aber finde nicht ein Format, das ich dauerhaft sehen will! Ich bin auch bereit für Bildungsauftrag und Grundversorgung meinen Teil zu entrichten (auch wenn ich die Programme praktisch nicht nutze), aber eben nur, so lange diese Sender nicht sinnlosen Mumpitz senden, der nicht zum eigentlich Auftrag gehört!



Die Quoten spielen im ör TV nur eine untergeordnete Rolle! Es geht um den Zweck, zu dem sie geschaffen worden sind und dass deshalb alle dafür zahlen müssen. Abgesehen davon können die, die diesen Murks sehen wollen, für einige der Inhalte zusätzlich zahlen, aber es kann nicht sein, dass alle für 20 Gameshows, Formate wie Traumschiff, Volksverdummungsmusik und Bundesliga zahlen obwohl es sie nicht interessiert und vor allem diese Formate rein gar nix mit Bildungsauftrag oder Grundinformation zu tun haben!



Und niemand behauptet, dass auf diesem Programm gar keine Unterhaltung und kein Sport laufen soll. Es muß aber nicht zu Premiumkosten sein, wie die Bundesliga und einige Serien oder in der Masse wie die derzeitige Unterhaltung! Es muß auch nicht sein, dass mehrere ör TV-Teams von den gleichen Ereignissen berichten oder sich ör Sender gegenseitig Personal abwerben. Alles überflüssig!



Und nein: ich bin weder AFD-Wähler, noch Sachse, noch will ich die Demokratie oder die Meinungsfreiheit abschaffen, aber das was die ör Anstallten mittlerweile anbieten, geht weit über den Zweck hinaus und dafür bin ich nicht bereit zu zahlen, u.a. auch weil ich es nicht nutze!
kauai
03.02.2022 00:34 Uhr 7
@ Skyfreak:



Noch ein kleiner Nachtrag: übrigens schön, dass Du gleich die rechte Keule schwingst. Das passt in die aktuelle Zeit. Jeder der den linksgrünen Mainstream, die Utopien von FFF oder die Impfpflicht kritisiert kann nur ein Rechtsradikaler sein! Natürlich steht der linksgrüne Mainstream für Toleranz - zumindest gegenüber denjenigen, die seine Ansichten teilen......^^
skyfreak1972
03.02.2022 08:41 Uhr 8


Was für den einen Mumpitz ist, ist für den anderen gute Unterhaltung. Deine Haltung ist nicht allgemeingültig. Ich würde mich total ärgern, wenn die Bundesliga bei ARD und ZDF nicht in irgendeiner Form laufen würde. Habe mich auch geärgert als das ZDF die Rechte für die Champions League verloren hat. Ich will was sehen für mein Geld. Außerdem gilt immer: die fernbedienung wurde schon lange erfunden. Und wenn einem das Programm nicht passt, einfach umschalten. Aktuell freue ich mich zumindest was den Sport angeht, auf Olympia. Und bin froh das ich dabei nicht nur auf Eurosport angewiesen bin.
kauai
03.02.2022 09:38 Uhr 9
Natürlich sind Geschmäcker verschieden und eben deshalb sollte Unterhaltung nur zu einem kleinen Teil im Programm der ör Anstalten vorhanden sein. Der eigentliche Hauptauftrag der ör Anstalten ist es nicht, Unterhaltung zu bieten! Es gibt zahlreiche Anbieter, die Unterhaltung gegen Bezahlung bieten. Ich verlange von Niemandem, dass er Sky bezahlt obwohl er es nicht nutzt, ich es aber nutzen will. Es spielt doch keine Rolle, ob ich eine Fernbedienung habe oder nicht - ich zahle trotzdem und zwar für Murks, der weder zum Bildungsauftrag noch zur Informationspflicht gehört und das ist der springende Punkt!



Ich bin auch Fußball-Fan und habe früher einige CL-Spiele im ZDF gesehen und trotzdem muss das nicht gebührenfinanziert und von allen bezahlt laufen, da das unproblematisch andere Anbieter findet. Ich habe kein Problem mit Übertragungen von Olympischen Spielen oder Randsportarten, die nie im Privat- oder Pay-TV laufen würden denn dafür können die Gebühren aller durchaus genutzt werden.
Fabian
03.02.2022 11:21 Uhr 10
Um hier mal einzuhaken. Niemand ist doch dagegen, dass Unterhaltung und Serien auf Null zurückgefahren werden. Aber die ARD und das ZDF werfen aktuell viele Serien auf den Markt, die dann irgendwann im Spätprogramm mit katastrophalen Quoten laufen. Stichwort: Hauptsache die Mediatheken füllen.



Sport: Champions League ist zwar schade, aber man muss ja diese Preise nicht bezahlen. Sehe ich beispielsweise auch bei Olympia. Hätte man die drei Asia-Veranstaltungen mal komplett ignoriert, wäre Discovery auf die Nase gefallen. Wir brauchen Breitensport, wie mit den Biathlon, dritte Liga oder Lokalfußball.

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