Line Hovens Graphic-Novel "Liebe schaut weg" ist im Rahmen ihrer Diplomarbeit im Studiengang Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg entstanden. Sie erhielt für dieses Werk den ICOM Independent-Preis 2008 in der Kategorie "Bester Independent Comic". Line Hoven (*1977) hat Visuelle Kommunikation und Illustration in Kassel und Hamburg studiert und arbeitet heutzutage als Comic-Zeichnerin und Illustratorin in Hamburg.
In "Liebe schaut weg" behandelt sie die Geschichte ihrer deutsch-amerikanischen Familie: von ihren Großeltern während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs und ihren Eltern, einem Deutschen und einer US-Amerikanerin, die sich in Deutschland kennen- und lieben lernen und schließlich im Jahr 1970 heiraten. Dabei werden im Zuge dieser Familiengeschichte nicht nur die ex- und impliziten Vorurteile sichtbar, die Amerikaner und Deutsche voneinander haben (so haben beispielsweise Charlottes Eltern große Vorbehalte bezüglich der Heirat ihrer Tochter mit einem deutschen Mann), sondern auch der Umgang der beiden Familien mit den Ereignissen der NS-Zeit.
Line Hoven verarbeitet die Geschichte ihrer Familie hierbei nicht als stringente und chronologische Erzählung, sondern sie entwirft vielmehr eine Collage aus einzelnen aussagekräftigen Szenen und Bruchstücken - so z.B. als ihr Großvater Erich heimlich die Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy hört oder als die beiden Familien ihrer Eltern in einem Restaurant in Bonn zu Abend essen. Dadurch entsteht beim Leser gleichsam der Eindruck, als würde man ein Familienalbum ansehen. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass "reale" Belege wie Eintrittskarten oder Rechnungen in den Comic eingewebt sind.
Hinzu kommt, dass sich Line Hoven bei der Erschaffung des Comics einer besonderen Technik bedient hat: sie hat nicht einfach Bilder auf Papier gezeichnet, sondern die Motive aus einem schwarz gefärbten Schabkarton gekratzt bzw. sie dort eingeritzt. Diese Schabkartontechnik erfordert nicht nur besonders viel Mühe und Zeit, sondern auch große Sorgfalt und Geduld von Seiten des Künstlers. Es ist auch diese Technik, die dem Comic seine besondere Atmosphäre verleiht. Jedes Szenenbild ist enorm ästhetisch, liebevoll und detailreich ausgearbeitet. Das mühevoll-langsame Einritzen bzw. Kratzen in den Schabkarton scheint dem ebenso mühevollen Vorgang des Erinnerns zu entsprechen, durch den eine Familiengeschichte überhaupt erst entstehen kann.
Fazit: "Liebe schaut weg" ist nicht nur die ästhetisch anspruchsvoll umgesetzte, tiefgründige Geschichte einer Familie, sondern gleichzeitig auch ein faszinierendes zeitgeschichtliches Porträt.
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