Debatte

Drei Lehren aus dem Südafrika-Dschungel

von   |  11 Kommentare

Nach einem Jahr Pause im Tiny House kehrte «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» mit herausragenden Einschaltquoten zurück. Dennoch war nicht alles fabelhaft und RTL wird die Perfektion auch nicht mehr erreichen.

1. Das Konzept
Im vergangenen Jahr musste die Crew von ITV Studios Germany auf die perfekte Vorlage der englischen Kollegen verzichten. Aufgrund der Corona-Pandemie entstand die britische Version nicht in Down Under, sondern in Gwrych Castle im bezaubernden Wales. Bei RTL in Köln wollte man die Möglichkeiten einer australischen Version lange Zeit nicht aufgeben, man glaubte, die Pandemie wäre im Herbst/Winter 2020 passé.

Das Ergebnis war eine schreckliche Unterhaltungsshow, die ihren Charme nicht ausspielen konnte. Bei «Ich bin ein Star – Die große Dschungelshow», die zwischen 15. und 29. Januar 2021 in Hürth-Efferen produziert wurde, wurden ernsthaft jeweils drei Celebrity-TV-Personalitys (die Prominenten waren 2021 nicht dabei) in ein Tiny House gesteckt. Diese Mini-Wohnungen sind laut Presse der letzte Schrei, fanden aber noch nie so wirklich den Weg in die breite Gesellschaft.

Das Konzept von «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» ist so perfekt wie auch einfach. Zwischen zehn und dreizehn Prominente ziehen in ein Camp ein, ihre Konsumgegenstände wie Alkohol, Zigaretten, Essen und Wasser werden streng rationiert. Nach ein paar Fehlschlägen bei den Prüfungen zehrt es an den Nerven der Kandidaten, die sich schlussendlich gegenseitig beschuldigen, die Gruppe zu sabotieren.

Das funktioniert nicht, wenn ITV Studios Germany jeweils drei Prominente drei Tage in ein Minihaus einziehen lässt. Danach zogen die Prominenten wieder ins Hotel, ehe noch einmal die Kandidaten für jeweils einen Tag ins Haus zogen. Nach dem ersten Halbfinale durften sogar Teilnehmer wie Meike Heiter und Zoe Saip noch einmal ihre Freiheit im Hotel genießen. Das Konzept war wirklich übel, sodass die Freude an der „Dschungel“-Show“ schnell verloren ging.

2. Die Masse an Reality-Shows
In den vergangenen Jahren haben die Fernsehsender zahlreiche neue Sendungen auf den Markt geworfen und somit die Mutter der Reality-Shows «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» mächtig Wasser abgegraben. Selbst der eigene Sender RTL lässt zeitgleich die vierte Runde von «Are You The One?» und die zweite Season von «Temptation Island VIP» beim Streamingdienst RTL+ ausstrahlen.

Darüber hinaus locken bei RTL+ noch zahlreiche Formate wie «Ex on the Beach», «Bachelor in Paradise», die amerikanischen Versionen von «Ex on the Beach» und «Are You The One?» oder die englische Version von «Love Island». MTV und Joyn befördern die deutsch-schweizerische Serie «Reality Shore» ins Fernsehen und im Sommer macht RTL einmal mehr «Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare».

Bei der ProSiebenSat.1-Gruppe gehören ebenfalls zahlreiche Reality-Shows zum Aushängeschild. Promis, die in der Pflege arbeiten, Reality-Stars, die bei der Feuerwehr eine Ausbildung machen. Neue Gesichter für die Shows kommen seit vergangener Woche bei «Germany’s Next Topmodel» zum Vorschein. Und RTL lässt die «The Bachelor» und «Bachelorette»-Maschinerie wieder anlaufen. Konkurrenz zum RTL-Dschungel gab es quasi zwar immer, aber in den vergangenen 24 Monaten sind die Mitbewerber noch einmal massiv angewachsen. Gutes Reality-Fernsehen bekommt man derzeit an jeder Ecke.

3. Die Sehgewohnheiten verändern sich
Das RTL-Erfolgsformat «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» überzeugt immer noch mit fantastischen Reichweiten. Allerdings müssen sich die Macher eingestehen, dass sich die Zuschauergewohnheiten verändert haben. Der Streamingdienst RTL+ kann mehrere Millionen zahlende Kunden vorweisen, die sich nicht auf die Reichweiten positiv auswirken.

Netflix und Disney+ werfen inzwischen wöchentlich neue Shows auf den Markt. Die Zahl der Abonnenten hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal stark erhöht und die Nutzungszeit dieser Dienste nahm durch die Pandemie ebenfalls massiv zu. Klar: Auch die linearen Fernsehsender profitierten durch den Lockdown im Frühjahr 2020 – doch im Vergleich nur sehr gering.

Durch die Veränderung der Sehgewohnheiten haben Reality-Shows einen großen Nachteil. Der Fernsehzuschauer schaut diese, egal, wie gut die sein könnten, nicht mehr im Nachhinein an. Im Programmpaket von RTL+ schlummern tolle Formate und zahlreiche unterhaltsame Shows, doch die Kunden, die nachträglich eine alte «Sommerhaus»-Staffel verfolgten, sind wenige.

Fazit: Der Dschungel wird in Zukunft mit vier Millionen Zuschauern ein Aushängeschild von RTL bleiben. Allerdings hat sich die Mediennutzung in den vergangenen zwei Jahren noch einmal komplett verändert. Internationale Player wie Netflix und Disney+ dominieren den Markt, Sky hat sein Serienpaket massiv vergrößert. Dienste wie TikTok, Twitch und YouTube sind ebenfalls auf dem Markt tätig und rauben dem klassischen Fernsehen die Zuschauer.

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Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
07.02.2022 00:14 Uhr 1
So phantastisch sind die Quoten nicht, das Format ist in die Jahre gekommen. Ich verstehe nicht, warum man die Idee aus Großbritannien nicht aufgriff und den Schauplatz auf eine Burgruine änderte, um einen neuen Look zu kreieren.



Ich habe es nicht mehr gesehen bis auf die Siegerverkündigung. Die Luft ist aus dem Format entwichen.

Wahrscheinlich fehlen die echten Promis. Offensichtlich ist das Format so schlecht beleumundet, dass daran keine Sportler oder einstige Musiker mehr teilnehmen wollen.



Das Problem ist, dass man sich zu sehr an alten Formaten festhält, die Programmstruktur versuppt und sich in Seriengeschäft nicht auf die Stärken der Fall-der-Woche-Serie konzentriert. Das Privatfernsehen schaufelt sich sein Grab selbst. Stärkster Konkurrent sind nicht nur die Streamingdienste, sondern auch die Öffentlich-Rechtlichen.
michael.ciao
07.02.2022 06:34 Uhr 2
Also wirklich. Diese Quoten. Richtig schlecht sind sie.

Ich weiß ja auch nicht was der Kommentar soll. Unnötig.

Die Quoten sind mit über 30% Marktanteil nicht gut???? Jeder Sender, wirklich jeder wäre froh über solche Quoten.

Und der Dschungel war dieses Jahr mit Abstand eines der besten Jahrgänge der je da war.

Location? Südafrika war der Hammer👍🏻👍🏻👍🏻Alleine die Prüfung mit dem Sprung in das Netz👍🏻👍🏻👍🏻👍🏻Mehr geht nicht. Würde mich freuen wenn man in Afrika bleibt. Auch die Erzählstruktur durch die fast gleiche Zeit mit Deutschland ist eine viel bessere. Das die Kandidaten nach dem Aus noch eine Nacht bleiben müssen ist auch viel besser.

Danke für 2 Wochen mehr als beste Unterhaltung.

Danke an die tollen, tollen, wirklich tollen Kandidaten.

Aber Hauptsache dann doch das Finale gesehen zu haben um dann einen blöden unnötigen Kommentar zu schreiben obwohl man sonst nichts gesehen hat. Da haben sie einiges verpasst.

Denn der Dschungel hat sich in weiten Teilen dieses Jahr neu erfunden.
Familie Tschiep
07.02.2022 11:46 Uhr 3
Im Vergleich zu den Vorgängerstaffel sind die Quoten deutlich gesunken, da lag der Dschungel bei 6 bis 8 Millionen, das ist deutlich mehr, in der Zielgruppe hatte man auch einen höheren Anteil bei den Jungen. Der Verfall kann sich in den nächsten Staffeln auch fortsetzen.
Vittel
07.02.2022 12:14 Uhr 4
Ich denke, man muss Quoten vor und nach dem Start von VOD (ca. 2015) getrennt voneinander betrachten.



Für einen Privatsender im Jahr 2022 waren das wohl sehr gute Einschaltquoten bzw. Anzahl an Zuschauern.

Richtig ist aber auch, dass die Zahlen weiter fallen können und in ein paar Jahren dann 2-3 Mio. Zuschauer schon der absolute Hit sein werden, während sich andere Sendungen mit ein paar hunderttausend Zuschauern begnügen müssen.
EPFAN
07.02.2022 12:26 Uhr 5
Mich würde mal interessieren, ob RTL+ an RTL selbst eine Art Ausgleich zahelen muss. Angenomnen den Dschungel schauen 500.000-1 Million auf RTL+. Diese Reichweite fehlt dem linearen Sender, obwohl dieser alles bezahlt. Vorallem auch bei Vorab Inhalten kostet das lineare Reichweite. Ich käme mir als RTL verarscht vor ':) .
Vittel
07.02.2022 13:09 Uhr 6


Verarscht? Die RTL interactive GmbH (die den Streamingservice betreibt) ist eine Tocher von RTL Television und damit Bestandteil der RTL Group.

Wenn da Leistungen verrechnet werden, dann ist das ohnehin Linke Tasche/Rechte Tasche. Wie auch immer das genau aussieht (bestimmt auch ein steuerliches bzw. bilanzrechtliches Thema), mit Sicherheit gibt es eine Gesamtkosten/Ertragsrechnung eines Formates wie IBES, in dem dann alle Erträge zusammengerechnet werden.



Für RTL+ und für RTL gesamt sind solche Formate per Stream natürlich sehr wichtig, denn das sind die einzigen Inhalte, die man nicht auf den internationalen Konkurrenzplattformen wie Netflix/Amazon/D+ bekommen kann.
AlphaOrange
07.02.2022 16:55 Uhr 7
"Drei Lehren aus dem Südafrika-Dschungel" - und die wären nun welche?

1. dreht sich doch einzig um das Format aus dem Vorjahr

2. um andere Reality-Formate

und 3. um den Streaming-Markt.
Fabian
08.02.2022 12:43 Uhr 8

Keine Alleingänge. Scheinbar waren die deutschen Kreativen aber unkreativ, sonst wäre 2021 nicht so eine schlechte Show daraus geworden. Einfach weiter die englischen Spiele kopieren.



Man hat sich derweil zu viel eigene Konkurrenz erschaffen.



Die Kunden, die es bei Streaming schauen, werden nicht offiziell erfasst.
Familie Tschiep
08.02.2022 15:20 Uhr 9
Warum kopieren? Man kann sich auch anstrengen, besser und kreativer zu werden.
Fabian
08.02.2022 15:25 Uhr 10


Erinnerst du dich an das Tiny House? Bevor man es noch mal vermasselt, lieber auf Nummer sicher gehen.

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