Dieses Jahr hätte Deutschland eine echte Chance gehabt. Allerdings hat sich die Jury entschieden, den Song, der eine Spitzenposition hätte erreichen können, gar nicht erst für den Vorentscheid zu nominieren.
8, 21, 18, 27, 26, 25, 4, 25, 25. Das sind nicht die Lottozahlen der letzten Woche, sondern die Platzierungen der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer seit 2018. Der krasse Ausreißer nach oben, die 4, das war 2018 Michael Schulte mit «You Let Me Walk Alone». Ansonsten herrscht Tristesse in deutschen Eurovisionslanden.
Dieses Jahr ist man bei der Nominierung der Titel, die im Vorausscheid gegeneinander antreten und dann ein Ticket für Turin lösen werden, einen neuen Weg gegangen. Zum ersten waren nämlich die Radio-Popwellen der ARD integraler Bestandteil des Auswahlverfahrens: Antenne Brandenburg, BAYERN 3, Bremen Vier, hr3, MDR Jump, NDR 2, SR 1, SWR3 und WDR 2. Die Jury bestand aus Musikexpertinnen und -experten dieser Hörfunkprogramme sowie aus Alexandra Wolfslast, Chefin der deutschen ESC-Delegation. Insgesamt gingen 944 Vorschläge ein, aus denen natürlich viele gleich wieder aussortiert worden sind.
Ab dem 10. Januar konnte man sich als ESC-Fan die, die es in die engere Auswahl geschafft hatten, auf eurovision.de anschauen und anhören. Am Donnerstag, den 10. Februar, ist nun bekannt gegeben worden, welche Künstlerinnen, Künstler und Bands zum Vorausscheid antreten werden. Außerdem hat die Jury bewiesen, dass sie noch nie etwas von YouTube gehört hat. Auf dieser Plattform nämlich konnte man sich die Stücke, die jetzt zur Auswahl stehen, auch anschauen. Zusammen haben sie dort weniger als 100.000 Klicks bekommen. (Stand: 10. Februar 2022). «Pump It» von «Eskimo Callboy» indes hat alleine mehr als acht Millionen Aufrufe für sich verbuchen können. Acht Millionen Klicks gegenüber weniger als 100.000 für alle sechs Finalisten zusammen. Beim ESC jedoch wird man die Metalcore-/Trancecore-Band aus Castrop-Rauxel nicht zu sehen bekommen, denn sie wurde von der Jury aussortiert. Der Grund: Ihr Song ist nicht radiotauglich, denn in den nächsten Wochen werden die Stücke, die in die Vorausscheidung gehen, auf den Popwellen rauf- und runtergenudelt - und da hat eine Metalband halt keinen Platz.
Der Autor dieser Zeilen stammt, wie «Eskimo Callboy», aus dem Ruhrgebiet. Und im Ruhrgebiet gibt es ein Wort, das alles bedeutet.
Samma!
Samma kann heißen: Habt Ihr sie noch alle? Seid ihr noch bei Trost? Bitte, was? Ja, leck mich rund. Ihr wollte mich doch verarschen. Und so weiter...
Samma?!
Der «ESC» ist ein Fest. Und zwar ein internationales Fest, dessen Beiträge ein internationales Publikum erreichen müssen. Ob ein Teilnehmersong im Herkunftsland radio-popwellentauglich ist oder ob die Linde rauscht, das interessiert auf dieser Bühne niemanden! Der ESC ist schrill. Berauschend. Schräg. Der ESC ist ein Moment der Flucht aus dieser Welt. Beim ESC ist alles einen Tick bunter, krachender, durchgeknallter als in der Realität. Sicher, manchmal überrascht der «ESC» auch. Siehe Michael Schulte. Oder man denke an die bittersüße, stille Ballade von Salvador Sobral aus Portugal, der 2017 sensationell den «ESC» nach Lissabon holte. Ein junger Mann auf der Bühne. Still. Fast schüchtern. Das berührte das Publikum aber nicht weniger als Conchita Wurst 2014 mit dem besten Bond-Song, der nie für einen Bond geschrieben worden ist. Conchita Wursts Auftritt war derart «ESC»: Mehr ESC geht nicht!
Nun stelle man sich die «Eskimo Callboy»s vor. Eine Bühne, eingetaucht in den Neonfarben der 80er. Aerobictänzer- und Tänzerinnen überall. Und dann diese Mischung aus 80s-Fitness-Rock und brutalistischem Metal der Gegenwart. Wahrscheinlich hätte es für einen ersten Platz nicht gereicht. Da muss man realistisch sein. Das Lied ist zum Ende hin zu hart, zu wenig massenkompatibel - im Vergleich zum Beitrag der finnischen Metal-Band «Lordi», die 2006 mit einem etwas „mainstreamigeren“ Hardrocksong gewinnen konnte. Aber ein Top-Platzierung hätte diese Band mit Sicherheit für sich und das in den letzten Jahren selten glückliche deutsche «ESC»-Publikum erlangen können. Das «ESC»-Publikum liebt die große, durchgeknallte, verrückte Show. Die deutsche Jury aber hat sich für Privatradiolala im Endstadium entschieden
Alle deutschen Song, die zum Vorentscheid antreten, kann man sich hier anschauen. Der Vorentscheid wird am Freitag, 3. März 2022, ab 20.15 Uhr bei One sowie in den dritten Programmen zu sehen sein.
Es gibt 20 Kommentare zum Artikel
11.02.2022 14:17 Uhr 1
12.02.2022 11:10 Uhr 2
Ich finde Hallo Welt sehrs schön, Hiphop mit leichtiger Souligkeit, chilliger Sound, etwas guter Laune, ziemlich zeitgemäß.
14.02.2022 14:28 Uhr 3
15.02.2022 09:15 Uhr 4
Warum willst du das wissen? Was hat das mit der Diskussion zu tun?
16.02.2022 08:50 Uhr 5
Was soll diese blöde Frage? Ihm gefällt das Lied, na und? Niemand muss sich dafür rechtfertigen. Weder ist die Auswahl beim Vorentscheid ein Debakel noch ist sie voller musikalischer Meisterwerke. Die Lieder sind grundsolide. Ich habe meine Favoriten das sind Anxiety, I Swear To God und Hallo Welt. Mir geht dieses alles Niedermachen einfach nur auf den Sack. Und Geplärre der EC-Fans nervt nur noch. Kein Wunder das kaum bekannte deutsche Acts für Deutschland beim ESC antreten wollen. Daran sind einzig und alleine die sogenannten Fans schuld, mit ihrem toxischen Verhalten. Auch vielsagend, das die Top 26 unter Verschluss gehalten werden, um sie vor Shitstorm der Fans zu schützen.
16.02.2022 12:33 Uhr 6
16.02.2022 18:39 Uhr 7
Unsere Petition ist bereit bei über 100.000 Zuschriften von EC Fans, ESC Fans aber auch ganze Foren und Gruppen aus dem Schlager und Hip Hop haben sich angeschlossen. Einfach weil man nicht mehr vom NDR Belangloses vorgesetzt bekommen möchte. Die letzten Jahre hat der NDR immer auf ganzer Linie versagt.
Wir werden nicht aufgeben bis Eskimo Callboy eine Chance im Vorentscheid gegeben wird. 4 der 6 Kandidaten haben bereits angekündigt, sich sehr gerne die Bühne mit EC im Vorentscheid teilen zu wollen für einen fairen Wettbewerb.
16.02.2022 20:19 Uhr 8
Öhm naja, also dass diesmal kein bekannter Act antreten darf, ist nun wahrlich nicht den Fans vorzuhalten. Eskimo Callboy wäre ein solcher bekannter Act mit einer gewissen (auch internationalen) Popularität und wird von den Fans gefordert, nicht niedergemacht.
Ich weigere mich auch, das musikalisch wieder einmal an allen Ecken und Enden Qualität wie Vielseitigkeit vermissen lassende NDR-Aufgebot künstlich schönzureden. 4-5 Titel in dieser Auswahl haben zum wiederholten Male nicht einmal den Hauch einer Chance, bei einem internationalen Wettbewerb auch nur in die Nähe der Top 20 zu kommen, die Songs sind ausnahmslos so beliebig, dass ich nicht wüsste, weshalb ich mich damit identifizieren sollte und nach fünf absoluten Desastern in den letzten sechs ESC-Jahren wundere ich mich schon über das absolutistisch anmutende Gebaren des NDRs.
Fohlen
17.02.2022 07:33 Uhr 9
Eure Aktion ist genauso sinnlos, wie sie schädlich und unfair gegenüber den anderen Kandidaten ist. Der NDR wird nicht nachgeben, und das ist gut so. Es gab eine Juryentscheidung über die Top 26, das war vorher bekannt, das es diese geben wird. Über die Kann man zwar diskutieren, man muss sie aber akzeptieren. Die Hetze die ihr gegen die anderen Kandidaten macht, geht gar nicht. Dabei gibt es durchaus Lieder in dieser VE die durchaus ein gutes Ergebnis holen könnten, aber durch eure Aktion wurden deren Chancen nicht gerade erhöht. Und das alles nur, weil ihr mal kurz im Rampenlicht stehen wollt. Egal wer am 04.03.2022 gewinnt, ich drücke dem VE-Gewinner die Daumen, das der Act ein gutes Ergebniss holt, damit man Leuten wie euch den Stinkefinger zeigen kann.
17.02.2022 07:47 Uhr 10
Vor der ganzen ESC-Aktion waren mir Eskimo Callboys total unbekannt. Wieviele CDs haben die in Deutschland verkauft und viele Chartshits hatten die? Also von allgemein bekannt, kann keine Rede sein. Jedenfalls nicht vor der ganzen ESC-Aktion. Es ist natürlich geschmacksache, ob einen die 6 Songs gefallen oder nicht. Wie groß die Chancen des VE-Siegers sind in Turin, muss sich noch zeigen. Aber natürlich hat sich die Chance des VE-Siegers, durch die sinnlose und peinliche Aktion der EC-Fans nicht gerade erhöht. Abgerechnet wird in Turin und nicht vorher.