Wen begeistern diese Serien heute eigentlich noch? Wird auf den Schulhöfen dieser Republik über sie gesprochen? Steht da der 14 Jahre alte Alexander in der Pause mit seinen Freunden zusammen und spricht mit denen über die letzte «MacGyver»-Episode, die er auf Nitro gesehen hat? Natürlich ist hier das Original aus den 80ern gemeint und nicht sein Neuaufguss. Das dürfte nicht wirklich der Fall sein. Es ist sogar eher unwahrscheinlich, dass besagter Alexander Papas DVD-Sammlung plündert und sich in seinem Zimmer mal anschaut, was Papa eigentlich in seinem Alter so geguckt hat, denn in Alexanders Zimmer mag vielleicht ein Flachbildschirm stehen, aber in dessen HDM1-Anschluss steckt ein Amazon Stick, der ihn mit Onlinevideotheken verbindet, deren Film- und Serienauswahl Papas DVD-Sammlung übersichtlich erscheinen lässt: Wozu braucht er da noch einen DVD-Player? Dass er über seine Playstation auch DVDs und Blu-Rays gucken könnte, mag Alexander schon mal gehört haben, aber wahrscheinlich hat er es auch schon wieder vergessen ...
Um einmal die unerquickliche Wahrheit auszusprechen: Die Liebe zur Fernsehserie der 1980-er Jahre basiert vor allem auf einem Gefühl der Nostalgie und des Erinnerns. Und das Publikum, das sich an den Serien der 80-er heutzutage delektiert, ist das Publikum, das die Premierenzeit dieser Serien live und in Farbe miterlebt hat: die Jahrgänge etwa zwischen 1966 und 1975/76, welche aufgrund des Titels eines maßlos überschätzten Bestsellers als „Generation Golf“ bezeichnet wird. Jene Generation, die sich von den überpolitisierten, moralinsauren 68-ern und ihrem Parka-Fetisch ab, und einem eher unpolitischen, neonfarbenen Schulterpolsterfetisch zuwandte. Wer dieser Generation entstammt, hat sich an Alfs anarchistischem Wesen erfreut, wünschte sich, dass dieser «Remington Steele»-Darsteller Pierce Brosnan irgendwann einmal James Bond würde und wollte einmal nur halb so cool sein wie Don Johnson in «Miami Vice».
Der Nostalgiefaktor ist hoch und von ihm profitieren nicht nur Sender wie RTL Nitro oder Kabel Eins Classics, die ihre Programmplätze oft und gerne diesen Serien zur Verfügung stellen. Es gibt kaum eine (prominente) Serie, von der im Laufe der Nuller- oder Zehnerjahre nicht eine große, alle Episoden umfassende DVD-Box auf den Markt gekommen wäre. 20, 25 DVDs mit allen Episoden, ungeschnitten und in chronologischer Reihenfolge. Da lacht das Sammlerherz.
Aber kehren wir noch einmal zum 14-jährigen Alexander zurück. Was juckt Alexander Papas «Knight Rider»-Komplettbox auf 26 DVDs? Moment – Alexander ist durchaus an kulturellen Werken der Vergangenheit interessiert: Immerhin hat er sich zum letzten Weihnachtsfest einen Plattenspieler gewünscht und von Omma dann tatsächlich so einen Retro-Plattenspieler vom Discounter geschenkt bekommen, der zwar recht billig verarbeitet ist, aber einen überraschen guten Klang liefert! Das Comeback der Schallplatte ist mit der Liebe zur Serie der 80-er allerdings nicht vergleichbar. Die Schallplatte ist ein generationenübergreifendes Phänomen. Für ältere Hörer ist sie eine erlebte Erinnerung → oder sie stellt eine audiophile Liebe zum tatsächlich etwas sanfteren Klang dar, welche gar kein Comeback feiern musste, weil diese Liebe nie erloschen ist. Für jüngere Vinylfreunde ist die Schallplatte derweil nicht selten eine Sehnsucht nach der Definition des eigenen kulturellen Ichs. Sie ist keine von Spotify aus unzähligen Daten zusammengeklöppelte Playlist, sondern ein Statement: „Das bin ich, das ist meine Musik“.
Nun gibt es ein Phänomen auf dem Musiksektor: Junge Schallplattenfreunde greifen durchaus gerne auf Musik zurück, die schon ihre Eltern (oder gar Großeltern) gehört haben. Da findet sich dann im Regal des doch schon mehrfach bemühten Alexanders tatsächlich U2s «The Joshua Tree», eine Platte, zu deren Klängen sich bereits seine Eltern angeschmachtet haben. Das mag irritieren, aber wenn Alexander kein Musikkonsument ist, der sich nebenbei nur beschallen lässt, sondern ein Musikhörer, der zuhört, dann erkennt er die Zeiten überdauernde Größe dieser Produktion (wahlweise lassen sich statt U2, um den Fokus auf die 80-er zu setzen, Bands und Künstler wie Pink Floyd, Frankie goes to Hollywood, Michael Jackson, etc. einsetzen).
Musik vs. Serie
Und genau das ist der Punkt, an dem sich die Musik der 80er und das Nostalgieobjekt TV-Serie der 80er kaum vergleichen lassen. Wo in der Musik Qualität die Zeiten überdauert hat, ist die Serie eine Erinnerung. Natürlich ist auch in den 80ern massig billiger Gebrauchs-Pop produziert worden, darüber muss an dieser Stell gar nicht diskutiert werden. Die Anzahl an Werken aber, die die Zeiten überdauert haben, ist erquicklich. Man muss nicht gleich die Behauptung aufstellen, die 80er seien nur erfunden worden, um private Radiostationen auf Jahrzehnte mit „der besten Musik“ zu bemustern. Es ist dennoch erstaunlich, wie gut viele Produktionen aus diesem Jahrzehnt gealtert sind.
Was man von den meisten TV-Serien der Zeit nicht behaupten kann. Zu weit haben sich Dramaturgie, Visualität, ja sogar das Schauspiel zwischen den 1980ern und der Gegenwart auseinander entwickelt.
Der prägnanteste Unterschied zwischen Fernsehserien der 1980-er Jahre und denen der Gegenwart ist der Wechsel von der vertikalen Dramaturgie zur horizontalen Erzählweise. Was es damit auf sich hat, das ist an sich einfach erklärt. «Ein Colt für alle Fälle», «Knight Rider», «Agentin mit Herz», «Trio mit vier Fäusten» oder «Simon & Simon», alles seinerzeit erfolgreiche Serien, bedienen sich einer vertikalen Dramaturgie. Krimiserien wie «Inspector Barnaby» funktionieren heute oft noch so: Am Anfang steht ein Mord, im Laufe der Spielzeit wird der aufgeklärt und am Ende erfolgt die Auflösung. Und so funktioniert Episode um Episode. Jede Folge erschafft eine neue Gegenwart und stellt zu Beginn den Urzustand wieder her. Als hätte es das Gestern nie gegeben.
Da wird in einer Episode des kurzlebigen «Knight Rider»-Klons «Streethawk» aus dem Jahr 1985 etwa am Ende einer Episode der einst beste Freund der Hauptfigur erschossen – und eine Woche später erinnert nichts an diesen tragischen Moment. Dass sich unsere reiner heute an genau diese Episode erinnert, ist der Tatsache geschuldet, dass der Freund von einem gewissen George Clooney dargestellt wurde: seinerzeit ein unbekannter Jungschauspieler, dem keine allzu große Zukunft vorherbestimmt erschien. Und so funktionieren all diese Serien. Da finden Bösewichter gewaltsam den Tod, es wird geballert, dramatische Ereignisse über dramatische Ereignisse stürzen über die Protagonisten ein, diese werden gar verletzt, vielleicht stirbt sogar mal eine sympathische Figur im Verlauf einer Geschichte und dann... nichts. In der nächsten Folge wird das gesamte Handlungsuniversum rebootet.
Dies gilt natürlich nicht für Seifenopern, die seit jeher vom Cliffhanger-Prinzip leben, daher seien Serien wie «Dallas» oder «Falcon Crest» an dieser Stelle ignoriert. Im Krimi jedoch, aber auch der Sitcom, der Actionserie oder der Dramaserie der 80er Jahre: Nur bitte keine Ereignisse, die über das Ende der 45 Minuten Laufzeit hinaus Schatten auf den Fortgang der Handlung werfen würden!
Und dann ist da das reine Handwerk. Natürlich gab es da eine Serie wie «Miami Vice», die inszenatorisch einen regelrechten Quantensprung fürs Fernsehen der 80er darstellte. Es gab aber auch Serien wie «The Fall Guy» – «Ein Colt für alle Fälle». Und diese Serie ist heute schlichtweg unanguckbar.
Shitstorm in 3... 2... 1!
Wer «Ein Colt für alle Fälle» gerne schaut, weil er oder sie damit positive Erinnerungen an eine einfache Fernsehzeit verbindet, soll das tun. Dieser Text bildet nur die Meinung eines Autors ab. Sie ist nicht als in Stein gemeißelte Wahrheit zu betrachten. Was jedoch nichts daran ändert, dass die Serie – rein handwerklich – lausig inszeniert ist. Sorry. Billige Bluescreen-Aufnahmen werden an aus Spielfilmen geklauten Actionszenen geklebt, Räume sind grundsätzlich wie eine Theaterbühne von vorne ausgeleuchtet, Schauspieler stehen starr, weil die Kulissen so klein sind, dass schon eine Bewegung sie aus diesen Kulissen hinausführen würde. Es gibt Aufführungen auf Schul-Aula-Bühnen, die mehr Bewegung liefern als dieses bräsige Bühnenspiel, das Größe behauptet (eine Größe, die ausschließlich auf aus Spielfilmen geklauten Actionszenen basiert), in Wahrheit aber eine 90-er Seifenoper von RTL wie «Herr der Ringe» wirken lässt.
Es gibt vermutlich keine andere Serie, bei der die nostalgische Verklärung und die Realität derart auseinanderdriften wie im Fall von «Ein Colt für alle Fälle». Aber bitte, damals war das ganz spaßig, da hat man nicht auf diese handwerklichen Feinheiten geachtet. Das war doch nur Fernsehen!
Genau das ist das aber das Problem vieler Serien - aus heutiger Perspektive betrachtet. Sie waren nur Fernsehen. Lieblos runter gekurbelte Bewegtbilder, die (in den USA) der Werbung ein angenehmes Umfeld schaffen sollten. Da diese Serien aber immer noch besser waren als das, was der deutsche Michel zu jener Zeit produzierte, wurde dies von Teens und Twens seinerzeit dankbar aufgenommen. Auch der Autor dieser Zeilen hat das alles geguckt! Schuldig, euer Ehren.
Nur warum sollte das heute unser 14-jähriger Alexander schauen? Allein das Frauenbild, das diese Serien transportier(t)en, würde er uns und um die Ohren hauen. Was seine Schwester dazu sagen würde, ist vermutlich nicht zitierfähig. Die Hauptdarstellerin von «Ein Colt für alle Fälle» hieß Heather Thomas. Heather Thomas war eine unbestritten attraktive Frau. Mehr aber durfte sie auch nicht sein. Ihr Job bestand darin, hübsch dastehen, gut aussehen und die Jungs vorm Fernsehen aufgeilen. Man muss man kein Absolvent der Genderstudienschule für geschlechtsneutrale Sternchensetzung sein, um dies als ziemlich billigen Sexismus zu bewerten. Und das ist er nicht nur aus heutiger Sicht. Sexistisch war das auch schon zwischen 1981 und 1986, den Produktionsjahren der Serie.
Starke Frauenfiguren irgendwo? Erinnert sich heute jemand daran, dass «Knight Rider»s Chefmechaniker eine Frau gewesen ist? Dr. Bonnie Barstow, dargestellt von Patricia McPherson? Eben. Patricia McPherson durfte hübsch aussehen. Aber für eine ziemlich geniale Ingenieurin fiel ihre Rolle doch etwas.... übersichtlich aus.
Witzigerweise ist das amerikanische Fernsehen der 1980er – wenn man etwas in die Tiefe schaut – voll toller Frauenfiguren. Nur nicht im hier besprochenen Genrefernsehen. Seltsamerweise sind genau die Serien, die eben keine solch billigen Rollenbilder transportierten, in Deutschland eher schlecht im Fernsehen gelaufen. «Hill Street Blues» (in Deutschland «Polizeirevier Hill Street»), eine fast vergessene Dramaserie über den Alltag auf einer Polizeiwache, stellte erstmals Männer und Frauen in einem solchen Milieu als gleichberechtigte Charaktere dar, ohne die üblichen Rollenklischees. «St. Elsewhere», in Deutschland mit dem bizarren Titel «Chefarzt Dr. Westphall» versehen, brach mit überholten Rollenklischees, indem es Ärzte, egal ob Mann oder Frau, auf das Menschsein herunterbrach. Auch in Sachen ethnischer Herkunft der Hauptfiguren gab sich die Serie farbenblind. Zwar wurden die Chefärzte vorwiegend von älteren, weißen Männern dargestellt, es war jedoch der Darsteller eines jungen, afroamerikanischen Assistenzarztes, der der Serie seinen Durchbruch verdanken darf: Denzel Washington. Es gab sie durchaus, die anderen Serien, die sich trauten, neue Wege zu beschreiten, die mit den Sehgewohnheiten brachen, die anspruchsvolle Geschichten erzählten. Und «Hill Street Blues» und «St. Elsewhere» waren in den USA auch große Erfolge, ihre Hauptdarsteller galten zur Zeit der Ausstrahlung dieser Serien als TV-Stars. Aber eben nicht in deutschen Landen. Was aber nicht den deutschen Zuschauern allein angelastet werden kann. Zuschauerschelte ist einfach, aber auch billig. Gerade anspruchsvollere Serien wurden in den 80ern hierzulande gerne auf eher mäßig erfolgversprechenden Sendeplätzen ausgestrahlt. Und dann gab es diese Unsitte, nur die „besten“ Episoden einzukaufen. Umfasste eine Serie, sagen wir, zum Zeitpunkt des Lizenzeinkaufs bereits zwei Staffeln mit 44 Episoden, kaufte man in Deutschland 20, um damit ein halbes Jahr lang einen Sendeplatz belegen zu können. Was bei einer Serie wie «Hill Street Blues» dazu führte, dass sie teils keinen Sinn ergab, gehörte sie doch zu den ersten Serien, die nicht mit jeder Episode die Welt in ihren Urzustand zurückdrehte, sondern begann, Handlungsstränge horizontal zu erzählen – episodenübergreifend. So, wie es heute die Regel ist. Wenn dann aber dem Publikum einzelne Episoden vorenthalten werden, verliert das Publikum schnell das Interesse, wenn es das Gefühl hat – da fehlt doch was (ohne zu wissen, dass da wirklich etwas fehlt: denn woher sollte das Publikum das wissen? Es gab kein Internet, in dem solch ein Missstand sofort angeprangert worden wäre!).
Mit dem Aufkommen der privaten Sender wurden mehr Serien eingekauft und die Privaten sind mit der Serie als Kunstform, man traut es sich kaum zu schreiben, pfleglicher umgegangen als ARD und ZDF. Sie haben zumindest keine Episoden beim Kauf ausgelassen oder Episoden auf eine bestimmte Spielzeit heruntergeschnitten (dauerte eine «Miami Vice»-Episode in der Regel um die 46 oder 47 Minuten, gab es in der ARD nur einen 45-Minuten-Sendeplatz – also wurde die Schere angesetzt!).
Um dies noch einmal zu betonen. Niemanden soll der Spaß an seinen Erinnerungen verdorben werden. Wer «Ein Colt für alle Fälle» genießen kann, ohne sich nach zwei Episoden die Augen mit Brennspiritus ausspülen zu wollen, soll die Serie genießen. Und wer sich am Ende einer Episode von «Das A-Team» freut, dass mal wieder ein Plan funktioniert hat, dem sei diese Freude gegönnt. Auch wenn der Handlungsablauf sich immer und immer und immer wiederholt.
Nur die Zeiten: Die haben sich geändert. Was gestern zu begeistern verstand, hält bei einer objektiven Betrachtung gegenwärtigen Qualitätsmaßstäben nicht mehr stand.
Was den Serienfans zwischen 45 und 55 Jahren, die die (amerikanischen) Fernseh-80er live erlebt haben, bleibt, ist die Erinnerung an viele unterhaltsame Fernsehstunden. Vielleicht sollte man es dabei belassen.
Früher war früher. Heute ist heute.
Bevor dieser Text jedoch deprimierend endet und den Fans besagter Serien ihr fortgeschrittenes Alter vor Augen führt, sei ein Blick auf Serien erlaubt, die in den 80ern zu begeistern verstanden – und die Zeiten gut überdauert haben.
An erster Stelle sei natürlich «Miami Vice» genannt. Wer cool sein wollte, trug seine Sonnenbrille, offenes Sakko und in den Schuhen – keine Socken. Don Johnson gab nicht nur den coolsten Bullen von Miami. Keine andere Krimiserie hat die 80er derart beeinflusst wie die. Gab sich die Serie zunächst von der neuen MTV-Videoästhetik beeinflusst und verschmelzten Bild, Design und Musik zu einer fließenden Einheit, beeinflusste sie selbst bald Serienmacher, da es Serien-Mastermind Michael Mann gelang, eben nicht nur schöne Bilder zu kreieren, sondern Bild und Handlung zu einer so bis dato nicht gekannten Symbiose zu vereinen. Manch (deutscher) Kritiker verachtete die Serie als Augenschmaus für Designfetischisten und übersah dabei, dass «Miami Vice» so viel mehr war: «Miami Vice» war die erste große Serie, die auch vor düsteren Storylines nicht zurückschreckte. Erstmals entwickelten sich in einer (normalen) Kriminalserie Geschichten über mehrere Episoden hinweg und vor allem: Die Charaktere lebten. So wie auch die Figuren in Michael Manns zweiter großen Serie «Crime Story», die vom Kampf eines durchaus zu Härten neigenden Chicagoer Polizisten in den frühen 60ern gegen den Aufstieg eines Kriminellen zum Boss der Stadt erzählt. In Deutschland wurde die Serie auf RTL2 irgendwann verballert, in den USA wurde sie nach zwei Staffeln eingestellt. Dabei scheiterte sie weniger an ihren Quoten als an den hohen Produktionskosten.
Eine wahrhaft unterschätzte Serie der Entstehungszeit ist «Magnum». Ja, auch sie hat mit jeder Episode einen einmal etablierten Ur-Zustand wieder hergestellt, «Magnum» wollte an sich auch nie mehr sein, als eine entspannte, unterhaltsame Mischung aus Komödie und ein bisschen Action. Thomas Magnum war der Typ, mit dem man sofort ein Bier getrunken hätte, der nette Typ von nebenan. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Magnum nämlich ist auch ein Mann mit Vergangenheit, ein Vietnamveteran. Wenn er sich von einem exzentrischen Bestsellerautor aushalten lässt und für freie Logis etwas auf dessen Besitz achtet, dann ist Magnum eben nicht nur der Sonnyboy. Er ist auch der Mann, der nie so ganz die Kurve bekommen hat, im Gegensatz zu seinen Freunden, die mit ihrer Vergangenheit als Kriegsveteranen Frieden geschlossen haben. Das lässt die Serie hier und da anklingen – vor allem in der werkgetreuen Synchro von RTL. Das ist nämlich der böse Gag der Geschichte. Das Erste ließ ernste Momente, die Thomas Magnums Kriegsvergangenheit thematisierten, einst umsynchronisieren. Eine Unterhaltungsserie musste unterhalten, sie durfte keine ernsten Töne anschneiden, dafür war das deutsche Publikum einfach zu dumm. Unterhaltung ist Unterhaltung, Ernsthaftigkeit Ernsthaftigkeit. Ja, man darf nicht nur über die Arroganz, die einst in öffentlich-rechtlichen Direktionsstuben herrschte, böse lästern: Man muss! RTL hat nicht nur diverse Episoden ausgestrahlt, die von der ARD nicht ausgestrahlt worden sind. RTL hat die Serie auch neu synchronisieren lassen, weil die ARD-Synchro schlicht und ergreifend teils so arg vom Originalton abwich, dass man glaubte, den Fans damit einen Gefallen zu tun. Wofür die RTL jedoch verachteten, denn die wollten ihren alten, lustigen Thomas Magnum. Tja, nur ist die RTL-Synchro tatsächlich die werkgetreue Synchro!
«Der Equalizer – Der Schutzengel von New York» wäre derweil heute vermutlich vergessen, gäbe es da nicht die Spielfilmadaptionen mit Denzel Washington und seit einiger Zeit ein Reboot mit Queen Latifah in der Hauptrolle. Im Original aus den 80ern ist der Equalizer allerdings ein netter älterer Herr namens Robert McCall, der von dem britischen Charakterdarsteller Edward Woodward dargestellt wurde. Dieser Robert McCall verfolgt nur ein Ziel: Menschen, die unverschuldet in ernsthafte Probleme geraten sind und denen sonst niemand helfen kann, eben diese Hilfe angedeihen zu lassen. Allerdings war Robert McCall mal bei der CIA – als Mann für die Drecksarbeit, der nun in gewisser Weise Schuld, die er auf sich geladen hat, durch gute Taten wieder gutmacht. Denn tatsächlich ist dieser ältere, kultivierte, feinfühlige Herr eben auch gnadenlos. Korrupte Polizisten, Vergewaltiger, Drogendealer: McCall zieht sein Ding durch. Gelingt es ihm, einen Finsterling auf legalem Weg eine Bestrafung zukommen zu lassen, dann tut er das. Wenn nicht, erledigt sein Handlanger Mickey den Job. Tödlich. Während Amerika seinen Wiederaufstieg nach den eher deprimierenden 70ern feierte und sich im Yuppieismus verlor, dem Kapitalismus zu neuen Ehren verhalf und seine neue Größe feierte, da zeigte «Der Equalizer» die Dunkelheit hinter dieser Fassade. Am Ende ist die Serie zwar etwas abgehoben, da ging es immer häufiger um McCalls CIA-Vergangenheit, da reichte es nicht mehr, einfach diese düstere, grimmige Atmosphäre aufrechtzuerhalten, die ersten beiden Staffeln der Serie aber sind großartig.
Großartig ist auch «Kampf gegen die Mafia», eine Serie, die 2022 zum ersten Mal in Deutschland auf DVD erscheinen wird. Für RTL entpuppte sich die Serie als Flop. Auch, da sie sie im Vorabendprogramm zeigte, weshalb so ziemlich jede Gewaltszene entfernt werden musste. Was ziemlich dumm ist in einer Serie, die sich eben vor allem um das Thema Gewalt drehte – und gar nicht so sehr um die Mafia als solche. Womit der zweite Fauxpas der deutschen Vermarktung offenbart wurde. Die Hauptfigur Vinnie Terranova kämpft nur in der ersten Staffel gegen die Mafia. Der Originaltitel der Serie lautet «Wiseguy». Ken Wahl stellte seinerzeit diese Vinnie dar und hätte er Anfang der 90er Jahre keinen schweren Unfall erlitten: Wahl galt als heiß, als jemand, dem eine große Karriere vorausgesagt worden ist. Zu Recht. Vinnie Terranova ist ein Krimineller, der drei Jahre im Knast saß und nach seiner Entlassung sofort wieder die Nähe zur organisierten Kriminalität sucht. Zur Verzweiflung seiner Mutter, die einfach nicht verstehen kann, dass ihr Vinnie ein Krimineller ist → was auch Vinnie immer wieder in eine emotionale Krise stürzt, denn außer seinem Bruder, einem Priester, darf er niemanden die Wahrheit sagen: nicht einmal seiner eigenen Mutter. Vinnie ist ein FBI-Agent, der eine absolut perfekte Tarnung aufgebaut hat.
Die 80er waren auch das Zeitalter der Fantasy- und Horror-Anthologieserien. Und «The Twilight Zone» ist heute noch herausragend. Sicher, sie ist „nur“ die Wiederauflage einer Serie aus den 60ern. Und wenn man sie sich heute anschaut, ist nicht zu übersehen, dass ihr Budget sehr, sehr gering ausgefallen ist. Aber ihre überraschenden Geschichten, Regisseure wie Wes Craven und Autoren wie Harlan Ellison (und in zumindest einem Fall Stephen King) stehen für die herausragende Qualität dieses Kleinods.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
06.04.2022 12:58 Uhr 1
07.04.2022 07:48 Uhr 2
Hab letztlich mal ne Folge geschaut. War jetzt wirklich wie früher, dämlicher Plot, immer die selben Charactermomente. Definitiv was fürs Hirnabschalten.
07.04.2022 09:38 Uhr 3
Eine harte Grenze kann man eh nicht ziehen, allenfalls fällt mir die Gameboy, Anime (Mila Superstar etc. auf RTL2), Pokemon Grenze auf. Damit kam die Generation Golf nicht mehr in Berührung.
07.04.2022 21:23 Uhr 4
11.04.2022 12:37 Uhr 5