Interview

«Der Überfall»-Autoren: ‚Es ändern sich die Sehgewohnheiten‘

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Das Autoren-Duo Katja Wenzel und Stefan Kolditz schrieb die neue Miniserie von UFA Fiction, die freitags und samstags ausgestrahlt wird.

Hallo Frau Wenzel, guten Tag Herr Kolditz. Für Ihre Miniserie «Der Überfall» haben Sie Lorna Ishema gewinnen können. Die Schauspielerin, die in Hannover aufwuchs, überzeugte in den Spielfilm «Ivie wie Ivie», bei dem Sie den Deutschen Filmpreis für die besten Nebenrolle gewann. Haben Sie sich über ihre Zusage gefreut und wie lief der gemeinsame Dreh ab?
Lorna Ishema hat sich in einem Casting für die Rolle durchgesetzt. Zu dem Zeitpunkt war «Ivie wie Ivie» noch gar nicht im Kino. Als Autor:in ist es immer schön, das Gefühl zu haben, wenn eine geschriebene Rolle mit Leben ausgefüllt wird. Doch auch, wenn wir bald zusammen mit dem Regisseur Stephan Lacant wussten, dass Lorna die Richtige war, gab es noch eine knifflige Sache: Wir hatten mit Marie-Rosie Merz die Figur der Charly, der „filmischen Tochter“ von Lorna Ishema bereits besetzt. Es ging also auch darum, dass man beiden Schauspielerinnen die Mutter-Tochter-Beziehung glaubt. Lorna hat eine sehr junge Ausstrahlungskraft und Marie als Nachwuchsschauspielerin war nach der langen Verschiebung des Drehs natürlich auch um ein Jahr „gewachsen“. Bei einem noch sehr jungen Menschen macht das sehr viel aus. Während der Dreharbeiten und der Begleitung des Schnitts haben wir uns gefreut zu sehen, dass die Beziehung der beiden absolut glaubwürdig war. Hervorzuheben ist, wie professionell Marie ihre erste Hauptrolle gleich in einer Serie gemeistert hat.

Mit Katja Riemann haben Sie auch eine Schauspielerin unter Vertrag nehmen können, die sowohl bei den älteren («Unsere wunderbaren Jahre») als auch bei den jungen Menschen («Fack ju Göhte») bekannt ist. Wie konnten Sie die Darstellerin für Ihr Projekt gewinnen?
Nicht wir als Autoren haben sie unter Vertrag genommen, sondern der Produzent Benjamin Benedict, nachdem der Regisseur Stephan Lacant sich für sich entschieden hatte. Katja hat sich in einem regulären Casting (kein Starbonus) gegen andere Kolleginnen durchgesetzt. Sie wollte die Rolle unbedingt spielen.

In der Miniserie «Der Überfall» wird ein Laden ausgeraubt und eine Kette von Ereignissen spielt sich ab. Können Sie unseren Lesern etwas davon verraten?
«Der Überfall» erzählt multiperspektivisch in sechs Folgen – die jeweils einen Tag abbilden – wie eine Gruppe unterschiedlicher Menschen in einer Großstadt um Existenz, Identität und Status kämpft. Sie alle transportieren unterschiedliche Hintergründe und Überzeugungen und – obwohl der Überfall auf einen Laden die Charaktere zusammenbringt – verfolgt jeder und jede ein eigenes Ziel.

Das ZDF strahlt die sechs Episoden jeweils am Freitag um 21.15 Uhr und am Samstag um 21.45 Uhr aus. Wer nimmt sich denn heutzutage an sechs Wochenendtagen dafür Zeit?
Das wird sich zeigen. Auf jeden Fall ändern sich die Sehgewohnheiten. Und abgesehen davon, wird die Serie schon eine Woche vor der linearen Ausstrahlung komplett in der Mediathek gezeigt.

Welche Miniserie haben Sie eigentlich zuletzt geschaut? So etwas brutales wie «Squid Game» oder doch etwas wie «Glauben» bei RTL?
Die zuletzt gesehenen Serien waren «Mare of Easttown», «After Life» und Raoul Pecks vierteilige Dokumentarfilmreihe «Rottet die Bestien aus!» auf arte, die sich mit Rassismus, Kolonialismus und dem Einfluss der westlichen Welt auf historische Phänomene wie Genozide beschäftigt. Aus unserer Sicht ein absolutes Muss, da auch das deutsche Kollektivgedächtnis enorme Leerstellen in Bezug auf die eigene Historie bis heute aufweist.

«Der Überfall» ist eine Produktion von UFA Fiction. Wie divers ist heutzutage eine Serie aufgebaut? Muss Sie überhaupt divers besetzt sein?
Der Satz „Alle Menschen sind gleich.“ trifft generell nicht zu. Zum einen, weil Menschen unterschiedlich behandelt werden, zum anderen sind es die Unterschiede, die uns einzigartig machen und somit unser Leben bereichern können. In dem Sinne sind wir alle divers, mit den verschiedensten Erfahrungen und somit Perspektiven. Das ist die Realität. Aber wird sie abgebildet?

In Deutschland leben nicht nur gesunde, heterosexuelle und/oder weiße Männer. Wäre auch langweilig und die Menschheit würde aussterben. Im Ernst. Es hat sehr lange gedauert, mit vielen Kämpfen von vor allem Schwarzer- und POC-Kulturschaffenden, bis längst gelebte Realitäten bei den öffentlich-rechtlichen Sendern langsam Aufmerksamkeit finden. Und das ist erst der Anfang. Auch jetzt hat man bei vielen Serien/Filmen immer noch das unbehagliche Gefühl, dass Besetzungen eher alibimäßig stattfinden, statt ernsthaft die unterschiedlichen diversen Lebensrealitäten und Widersprüche abzubilden. Der «Überfall» ist auch da ein wichtiger Schritt. Auch, um Vorbilder für junge Menschen zu stärken. Jemand hatte zu uns gesagt: „Ich habe noch nie eine Schwarze Polizistin in Deutschland gesehen.“ Tja, dann wird es Zeit. Und für den Film bedeutet das: jede/r sollte alles spielen können. Die Qualität entscheidet.

Wo und wie haben eigentlich die Dreharbeiten stattgefunden?
Vornehmlich in Berlin und am Ende in Nürnberg.

Frau Wenzel, Sie haben davor den Mehrteiler «Das Geheimnis des Totenwaldes» gemacht. Wie unterscheidet sich die Arbeit einer Drehbuchautorin von einer Dramaturgin?
Als Dramaturgin von «Das Geheimnis des Totenwaldes» habe ich vor allem eng mit Stefan Kolditz zusammengearbeitet und die Figuren- und Stoffentwicklung mit begleitet und auch Ideen beigesteuert. Jedoch war hier der Rahmen durch den Bezug auf eine wahre Begebenheit anders gesetzt und meine eher das Projekt „begleitende“ Position und die Arbeitsaufgaben andere.

Die Arbeit am «Überfall» war viel intensiver, da wir hier von Anfang an gemeinsam genuin eigene Figuren, Themen und die Geschichte entwickelt haben, und ich als Autorin viel mehr Verantwortung übernehmen musste und konnte. Das bedeutete eine konzentrierte Arbeit an den Texten, den Dialogen, aber auch immensen Spaß durch die bereichernde Zusammenarbeit mit Stefan Kolditz und dann mit Stephan Lacant über den Dreh bis zum Schnitt.

Herr Kolditz, Sie sind ein alter Hase in Sachen Drehbuch schreiben. Welches war zuletzt ihr Lieblingsprojekt?
In dem Fall tatsächlich «Der Überfall», an dem Katja und ich viereinhalb Jahre gearbeitet haben.

Sie haben das Skript zusammen verfasst. Wollen Sie auch in Zukunft den einen oder anderen Film oder Serie gemeinsam umsetzen?
Das ist nach dem «Totenwald» und dem «Überfall» bereits wieder passiert.

Freut mich zu hören!

«Der Überfall» startet am Freitag, den 4. März, um 21.15 Uhr im ZDF. Außerdem sind alle Folgen in der ZDFmediathek verfügbar.

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