Stab
Darsteller: Mark Waschke, Wanja Mues, Hannah Schiller, Franziska Hartmann, Maja Schöne, Oskar WohlgemuthMusik: Christoph M. Kaiser und Julian Maas
Kamera: Armin Dierolf
Buch: Daniel Nocke
Regie: Stefan Krohmer
Der Schock sitzt tief, und auch ihr familiäres Umfeld ist von dem Schicksalsschlag schwer getroffen. Es stellen sich aber auch sehr unmittelbare Fragen: Wo soll Alma wohnen? Bei ihrem Vater? Das wäre nicht ganz unkompliziert. Almas Eltern lebten seit vielen Jahren getrennt, denn ihr Vater hat sich kurz nach ihrer Geburt als schwul geoutet und lebt nun mit einem Mann zusammen. Zwar sieht Alma ihren Vater regelmäßig, der Kontakt ist nie eingeschlafen – aber eine wirklich enge emotionale Bindung, die ihr dabei helfen kann, diesen schweren Schock zu verkraften? Da ist nicht nur Vater Oliver (Mark Waschke) selbst skeptisch.
Deutlich offener zeigt sich dagegen sein Lebensgefährte Felix (Wanja Mues) – und ganz besonders Almas Tante Franziska (Franziska Hartmann), die ihren betagten Eltern nicht zutraut, sich um die Enkelin zu kümmern, ohne selbst daran Schaden zu nehmen. Also probiert Alma den Tapetenwechsel aus und zieht zu ihrem Vater und dessen Mann in die gemeinsame Wohnung. Auch wenn, insbesondere wegen Almas psychischen Ausbrüchen, von Beginn an nicht alles völlig reibungslos verläuft, scheinen sich doch alle einzuleben und einander vertrauen zu lernen.
Bis plötzlich ein Junge aufkreuzt, der Almas Nähe sucht und sie mit zu seinen Eltern nimmt. Die ganze Familie gehört zu den Zeugen Jehovas, einer christlichen Sekte, die Bluttransfusionen und Homosexualität strikt ablehnt und für eine schwere Sünde hält. Je mehr Zeit sie mit dem Jungen und seiner Familie verbringt, desto mehr übernimmt auch Alma die Glaubensgrundsätze dieser Religionsgemeinschaft, was natürlich einen Keil zwischen sie und die gerade wieder aufkeimende Beziehung zu ihrem Vater treibt.
Überraschend kommt diese Wendung auf jeden Fall – schließlich würde man nicht erwarten, dass in einem Dramafilm um ein Mädchen, das seine Mutter verloren hat und nun eine Beziehung zu ihrem schwulen Vater aufbaut, eine Wendung über die Verführung zu einer Religion mit fragwürdigen Glaubensgrundsätzen genommen wird, die in unsere heutige Gesellschaft schwer passen: Dass auch schwule Männer genauso tolle Väter sein können wie heterosexuelle Männer, ist schließlich in der Breite der Gesellschaft längst angekommen. Nicht zuletzt deshalb scheint diese Handlungsentwicklung mitunter etwas seltsam – vielleicht weil sie in Teilen so wirkt, als habe man einen möglichst scharfen Kontrast schaffen wollen, um zu zeigen, mit welchen äußeren Konflikten eine Beziehung wie die von Alma und ihrem Vater belastet werden kann. Dass man dafür aber auf eine absolute Randerscheinung zurückgreift (die Mitgliederzahl der Zeugen Jehovas in Deutschland ist trotz zahlreicher Besuche an der heimischen Haustür vor der Pandemie verschwindend gering), nimmt diesem Argument aber etwas die Schlagkraft.
Trotzdem ist recht vieles an dem Film überzeugend – zum Beispiel die gelungene Performance von Hannah Schiller und Mark Waschke, die ihre jeweiligen Figuren sehr authentisch und lebensnah verkörpern. Vieles an der Handlung wird zudem einige Menschen ansprechen, deren zwischenmenschliche Beziehungen selbst nicht immer glatt gelaufen sind und die vielleicht deshalb gerade in schweren Zeiten eine neue Gemeinsamkeit finden können.
Das Erste zeigt den Film «Eine fremde Tochter» am Mittwoch, den 9. März um 20.15 Uhr.
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