Interview

Kurt Krömer: ‚Ich mache mich mal nackt‘

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Kurt Krömer spricht mit Quotenmeter über sein neues Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Meine Depression". Außerdem verrät er wie er noch immer Gäste für seine Show «Chez Krömer» bekommt.

Hallo Herr Krömer, wann sind Sie eigentlich Herr Bojcan und wann Herr Krömer?
Das haben mich einige Journalisten gefragt. Hätte ich das gewusst, hätte ich wohl noch ein Kapitel drangehängt. Ich hole mal aus: 2012 war ich in Afghanistan und habe dort gedreht, nachdem mich die Bundeswehr gefragt hat, ob ich da Truppenbetreuung machen könnte. Da hat eine Metamorphose stattgefunden. Seit 2012 sind Kurt Krömer und Alexander Bojcan deckungsgleich, aber Kurt Krömer tritt in der Öffentlichkeit auf. Deshalb steht auch Kurt Krömer als Autor auf dem Buchcover. Und eine Kunstfigur kann schließlich kein Buch schreiben.

In der rbb-Sendung weiß der Zuschauer nie so ganz, was ihn erwartet, denn geladen ist immer entweder ein „Arschloch oder Freund“. Wie kommen Sie weiterhin an Gäste? Warum kommen noch immer Menschen in ihre Sendung, obwohl die Chance beträchtlich ist, vorgeführt zu werden?
Das frage ich mich auch. (lacht) Ich bin jetzt gerade in der Vorbereitung für die nächste Staffel, wir laden hunderte ein, wovon aber letztendlich nur sechs kommen. Es zeichnet sich ab, dass das eine Hassliebe bei mir ist. Deshalb bin ich froh, dass auch Freunde kommen. Aber ich brauche gleichzeitig die Reibung, das Provozieren. Ich will auch Krawall haben in der Sendung.

Im vergangenen Jahr sprachen Sie mit Torsten Sträter, eher aus der Kategorie Freund, in der Sendung erstmals offen über Ihre schwere Depression. Er sagte damals, dass es in der Natur der Depression liegt, dass man nur schwer vermitteln könne, wie es ist mit der Krankheit zu leben. Warum haben Sie sich trotz dieser Schwierigkeit dazu entschlossen ein Buch über Ihre Depression zu schreiben?
Das Buch ist kein Ratgeber, sondern mein Erfahrungsbericht. Ich hoffe einfach, dass wir das Tabuthema brechen und dass die Leute denken: Der Krömer hat über seine Depressionen gesprochen, dann kann ich das auch machen. Es reicht zum Hausarzt zu gehen, man muss nicht gleich ein ganzes Buch schreiben.

Nachdem Sie tatsächlich ein ganzes Buch über Ihre Krankheit geschrieben haben, fällt es Ihnen nun leichter kurz zu formulieren, wie es sich anfühlt mit einer Depression zu leben?
Ich sehe das wie Torsten Sträter: wenn man irgendwann in einem Satz zusammenfassen könnte, was Depressionen haben, bedeutet, dann haben wir unsere Mission erfüllt. Dann würden wir es auf tausenden Postkarten drucken und weltweit verschicken.

Aber vielleicht soviel: depressiv sein kann man sich wie eine Messiwohnung im Kopf vorstellen. Jeden Tag kommt zu dem ganzen Krempel, der da schon drin ist, Neues dazu. In der Tagesklinik hat man mir geholfen, aufzuräumen.

Kam Ihnen beim Schreiben auch mal der Gedanke: ‚Das ist jetzt hier aber viel zu privat, warum schreibe ich das überhaupt auf‘?
Auf jeden Fall, ich habe auch erst überlegt, ob ich das Buch überhaupt schreiben kann, weil es bedeutet, komplett die Hosen runterzulassen. Aber das Buch war mir einfach wichtig. Und wir sprechen heutzutage immer alle davon, wie wichtig Ehrlichkeit ist. Und deshalb dachte ich mir, mache ich mich mal nackt.

Zu Beginn des Buches vergleichen Sie die Sendung mit Sträter mit einem Outing einer homosexuellen Person, die jahrelang verschlossen lebte. Sie zeigen sich überrascht und geradezu überwältigt ob der immensen Flut an Reaktionen auf die Sendung. Was erwarten Sie, wenn ihr Buch erscheint?
Das wird denke ich ein Atomkraftwerk, aber ich hoffe, dass es mir positiv um die Ohren fliegen wird.

Trotz der vielen Reaktionen auf Ihre Depression wurde das Coming-out als Tabubruch bezeichnet, warum wird mentale Schwäche in unserer Gesellschaft noch immer so ungern wahrgenommen?
Weil die Strukturen unserer Gesellschaft noch immer depressivfördernd sind. Wir glauben „funktionieren“ zu müssen. Das finde ich ein ganz schlimmes Wort: Funktionieren, ich bin doch kein Roboter, sondern ein Mensch. Aber wenn man sonntags feststellt, dass man montags ins Büro muss und dem Chef nicht sagen kann, dass man depressiv ist, sich nicht konzentrieren kann, nicht arbeiten kann, weil man Angst hat, gefeuert zu werden, dann glaubt man, „funktionieren“ zu müssen.

Sie formulieren klar und deutlich, dass Sie kein Therapeut sind und keine Diagnosen stellen können, sondern einfach Ihre Geschichte erzählen möchten. Was hat Ihnen bei Ihrer Therapie am meisten gegen die Depression geholfen?
Die Klinik hat mir als erstes beigebracht, dass ich nicht funktionieren kann und muss. Denn das habe ich vorher auch geglaubt. Und dass ich nicht perfekt sein muss. Das geht als alleinerziehender Vater nämlich auch gar nicht.

Wann haben Sie gemerkt, dass Ihre Depression weg war?
Die Ärzte in der Tagesklinik haben zu mir gesagt, dass ich gut aus der Depression herausgefunden habe.

Und als ich dann unter anderem auf dem Savigyplatz in Berlin stand und wieder gespürt habe, was es bedeutet, wenn die Blätter im Herbst von den Bäumen fallen. Das zu beobachten, war grandios. Oder als ich wieder ein Buch durchlesen konnte. Das kann man nämlich nicht, wenn man depressiv ist und Konzentrationsschwierigkeiten hat.

Was würden Sie depressiven Menschen als erstes raten?
Geht zum Hausarzt, wenn ihr euch nicht gleich traut, zum Psychiater zu gehen. Der Hausarzt kann auch feststellen, ob eine Depression vorliegt und kann weitervermitteln. Oder ich empfehle auch immer gerne die Website der Deutschen Depressionshilfe, da kann man einen Fragebogen ausfüllen, um zu überprüfen, ob man typische Symptome hat und ob man eine leichte, mittlere oder schwere Depression hat.

Herr Krömer, vielen Dank für das Interview!

Das Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Meine Depression" von Kurt Krömer (Kiepenheuer&Witsch, 20,00 €) ist im Handel erhältlich.

Kurz-URL: qmde.de/133051
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