Erfolgsregisseur Michael Bay («Transformers») hatte schon immer einen Hang zur Übertreibung. Bei ihm muss alles sehr viel lauter, zerstörerischer und auch visuell beeindruckender sein. Ob auf dem Schlachtfeld («Pearl Harbor»), im Weltraum («Armageddon») oder auf dem Highway («Bad Boys») - stets bekommt das Publikum die volle Packung Action. Sein neuer Film «Ambulance» macht zunächst den Eindruck, als hätte sich Bay diesmal etwas gedrosselt, immerhin spielt sich mehr als ein Drittel der Handlung im Inneren eines Krankenwagens ab. Aber weit gefehlt, auch «Ambulance» schlägt wie eine Bombe ein. Denn was als Banküberfall beginnt, mündet in eine unendliche Verfolgungsjagd quer durch Los Angeles. Die Story ist dabei schlicht gehalten und noch nicht mal ein Original. «Ambulance» ist das Remake eines dänischen Films mit gleichem Titel aus dem Jahr 2005.
Darf es ein bisschen mehr sein
Um die lebensrettende Operation für seine schwerkranke Frau bezahlen zu können, braucht Kriegsveteran Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) dringend Geld. 230.000 Dollar sind nötig. Will hofft, dass ihm sein Adoptivbruder Danny Sharp (Jake Gyllenhaal) aushelfen kann. Aber der fragt nur, ob es auch ein bisschen mehr sein darf. Denn er will Will für einen Banküberfall für seine Bande rekrutieren, bei dem 32 Mio. Dollar rausspringen sollen. Will zögert, aber die Zeit drängt. Schon ist er mittendrin und wird zum Beteiligten, als plötzlich alles schief läuft. Die Polizei hat Wind davon bekommen, umzingelt die Bank. Bis auf Will und Danny gehen alle Männer der Bande drauf. Um zu entkommen, kidnappen die Brüder einen Krankenwagen, in dem ein angeschlossener Polizist ums Überleben kämpft. Cam Thompson (Eiza González) ist die behandelnde Sanitäterin. Beide sind nun die Geiseln, die unbedingt am Leben bleiben müssen. Sonst könnten die Sharp-Brüder auf ihrer Verfolgungsjagd vor der Polizei von Scharfschützen abgeknallt werden.
Was gut beginnt, endet katastrophal
Das dänische Original wirkte eher wie ein kleines Kammerspiel, während Bay mit seiner Version in die Vollen greift und dafür nur noch die Grundstory übernimmt, um anschließend mehr und mehr seinen eigenen dramaturgischen Regeln zu folgen. Tatsächlich fängt «Ambulance» vielversprechend an. Mit einem bombastischen Sound treibt Bay die Spannung an, und die entfesselte Kamera, die manchmal an einer Häuserfront entlang ins Geschehen fliegt und dann wieder die Vogelperspektive über Los Angeles einnimmt, bringt wahnsinnig viel Dynamik ins Spiel. Auch tut der Regisseur gut daran, den eigentlichen Banküberfall auszulassen, weil man das schon hundertmal im Kino gesehen hat und auch einem Michael Bay dazu wohl nichts mehr Neues einfällt. Die Spannung ist aber da, wenn sich ein verliebter Streifenpolizist nichtsahnend Zutritt in die bereits verbarrikadierte Bank verschafft, um einer Kassiererin seine Avancen zu machen. Zu spät erkennt er, was wirklich los ist. Auch das anschließende Feuergefecht ist effektvoll inszeniert. Aber sobald der gestohlene Krankenwagen in Fahrt kommt, gerät die Dramaturgie ins Stocken und mächtige Logiklöcher tun sich auf.
Eine endlose Verfolgungsjagd beginnt
Spätestens hier übernimmt Michael Bay vollendest das Zepter, um das dänische Vorbild abzuhängen. In der Enge des Krankentransporters soll man den vier Hauptfiguren möglichst nah kommen, mit ihnen Leid, Angst und Wut teilen. Hier kristallisiert sich endgültig heraus, was man schon vorher erahnen konnte. Yahya Abdul-Mateen II ist als Will der Gute, während Jake Gyllenhaals Figur psychopathische Züge annimmt, was den Schauspieler zusehends zum Overacting animiert. Gyllenhaal hat zuvor schon in «Nightcrawler» und «Spider-Man: Far from Home» Schurken gespielt, die aber weitaus nuancierter und damit bedrohlicher angelegt waren. Aber Gyllenhaals Overacting könnte man noch schlucken, wenn nicht immer mehr zweifelhafte Zwischenfälle die Glaubwürdigkeit des Ganzen in Frage stellen würden. Das Entfernen einer Kugel aus den Innereien des schwerverletzten Cops bei Höchstgeschwindigkeit wirkt dabei besonders lächerlich. Ruhephasen werden dem Publikum dabei nicht gegönnt, und nach über 130 Minuten Dauerdröhnen dröhnt einem tatsächlich der Kopf.
Fazit: «Ambulance» beginnt vielversprechend. Der treibende Sound und die entfesselte Kamera ziehen das Publikum völlig in den Bann. Sobald aber der geklaute Krankenwagen zum Hauptschauplatz wird, verfährt sich dieses Action-Spektakel in eine dramaturgische Sackgasse.
«Ambulance» ist im Kino zu sehen.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
04.04.2022 12:27 Uhr 1
04.04.2022 21:24 Uhr 2
Wenn ich Zeit gehabt hätte bis jetzt, wäre ich schon längst rein gegangen, aber, das Pflegen meiner Mutter erfordert viel Kraft und Zeit.
06.04.2022 00:48 Uhr 3