Der Podcast «Fest und Flauschig» mit Satiriker, Provokateur und Teilzeitpoet Jan Böhmermann und Kultmusiker/Singer-Songwriter Olli Schulz ist längst eine feste und auch flauschige Institution in der deutschen Medienlandschaft. Nach dem Wechsel des damals noch unter dem Titel «Sanft und Sorgfältig» laufenden Radioformats zu Spotify war der Laberpodcast sogar der weltweit erfolgreichste seiner Art, Olli und Janni die Aushängeschilder des Streamingdienstes.
Die Zeiten sind in der Tat vorbei, andere Podcasts sind an den beiden alten Hasen, die von früher erzählen, vorbeigezogen. Dabei merkt Jan auch an, er käme jetzt in die Midlife-Crisis und Olli, der sie so gut wie hinter sich hätte, solle ihn mal an die Hand nehmen und dadurch führen. Olli ist - wie auch Jan auffällt - noch energiegeladener und redseliger als sonst und der Grund dafür ist ein Thema, dass die Sendung derzeit maßgeblich bestimmt, sogar die Titel für die letzten Ausgaben lieferte: Olli Schulz hat mit dem Rauchen aufgehört. Jetzt habe er mehr Energie. Dabei war Schulz eigentlich immer schon der Temperamentvollere der beiden, der, der sich emotional echauffiert, während Böhmermann allenfalls etwas erhitzt vor sich hinnörgelte. Aber mittlerweile holt Olli Schulz sogar zum viertelstündigen Rant aus, in dem Böhmi nicht einmal mehr versucht, ihn zu bremsen. Insgesamt hat der Podcast derzeit negativere Vibes als früher, die zwei Moderatoren wirken vom Leben genervt. Aber geht uns das derzeit nicht allen so?
Die Themen, über die man sich in Range redet, sind auch persönlicher geworden. Jan spricht ganz offen vom "gläsernen Podcast". Zwischen den Rant über das "N-Wort" und über Corona passt dann auch mal eine Geschichte über Hundekot am Handgelenk auf dem Weg zum Bäcker. Auch die Geschichte kommt natürlich von Schulz, denn Böhmermann und Hunde ging ja noch nie wirklich gut. Ja, Oliver Marc Schulz dominiert den Podcast derzeit und das auch aus dem Bedürfnis heraus, etwas in der Welt zu ändern. Vielleicht ist dieses Bedürfnis in Böhmermann aber auch schlicht deshalb im Podcast nicht so präsent, weil er es seit der Neuausrichtung des «ZDF Magazin Royale» dort einmal die Woche auslebt. Denn Überzeugungstäter und Weltverbesserer sind beide. Nur eine zweite Bühne mit breiter Öffentlichkeit hat Schulz halt nicht. Deshalb schimpft Olli ausgelassen über alles, was ihn derzeit umtreibt.
Auch die Kommentare zum Weltgeschehen haben eine persönliche Note, denn natürlich wird auch Corona weiterhin thematisiert. Die Pandemie ist halt überall und nicht einmal hier ist man vor ihr sicher. Olli Schulz berichtet davon, dass er, weil seine Mutter ins Krankenhaus gekommen sei, direkt mitbekommen habe, wie sehr unsere Pflegekräfte in den Krankenhäusern am Ende seien. Das Einzige, das das Mitleid mit den Krankenschwestern zu überwiegen scheint, ist die Wut auf jene, die sich nicht haben impfen lassen und nun die Intensivstationen auslasten würden. Böhmi tangiert das Thema aktuell wegen seiner Kinder und auch er macht schnell die Schuldige aus: Yvonne Gebauer. Die Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen will nämlich nun, dass sich die ungeimpften Kinder eigenverantwortlich testen lassen und die "immunisierten" gar nicht mehr. Das dürfte nicht nur in Böhmermanns Augen eine ausgemachte Schnapsidee darstellen.
Stolz präsentiert Olli aber auch seinen Trailer für das Tischtennisduell mit Timo Boll, für das - so Jan, der wieder den "gläsernen Podcast" betont - noch gar nichts wirklich geplant wäre. Aber irgendwas soll im Mai stattfinden. Abgesehen davon findet das Herumblödeln, das einst Markenzeichen des Podcasts war, eher nur noch am Rand statt. Hin und wieder blitzt auch nur noch der Nerd in Böhmermann durch, der die neuste Netflix-Serie empfiehlt oder einen Song aus dem neusten Disney-Film auf die Playlist setzt - sehr zu Irritation seines Gegenübers.
Aber liegt es wirklich an Schulz und Böhmermann, dass sich der Podcast zunehmend in diese Richtung entwickelt? Oder sind die beiden nicht wie wir alle den Gegebenheiten unserer Zeit unterworfen? Kann man von Böhmi und Olli wirklich erwarten, dass sie stets gute Miene zum bösen Spiel machen und Dinge wie Corona, Rassismus, die Ukraine oder schlicht die Verrohung der Sitten ignorieren? Als Zuhörer mag man sich das manchmal wünschen, weil man dieser Realität entfliehen will. Doch haben wir an Jan Böhmermann und Olli Schulz nicht bei all ihren oftmals mit Fiktion gespickten Anekdoten nicht stets geschätzt, dass sie als Personen authentisch waren bzw. immer noch sind? Ist der "gläserne Podcast" nicht auch die folgerichtige Weiterentwicklung dieser Idee?
Wir müssen als mit den beiden Moderatoren interagierende Zuhörer auch damit leben, dass wir, wenn wir einem linken Musiker wie Olli Schulz Bücher des rechts-konservativen Psychologen Jordan Peterson ans Herz legen, diese um die Ohren geschmissen bekommen - besonders dann, wenn Peterson in seinem Werk Tipps für die physische Züchtigung von Kindern gibt. So ist Olli Schulz und so war er auch, bevor er mit dem Rauchen aufgehört hat. Böhmermann hört sich das entsetzt an und kritisiert das Vorgelesene ruhiger, aber nicht mit weniger Abscheu.
Im Kern sind sich Janni und Olli also absolut treu geblieben und Anekdoten über die zwei Toiletten im Bad des Bielefelder Witzbildmalers Rolf Grothe... oder Ralph Ruthe... haben ja nach wie vor Platz in der Sendung. Aber an der immer bedrückenderen Stimmung im Land kommen die zwei halt nicht vorbei. Also ja, der Podcast ist nicht mehr so unterhaltsam und locker wie einst, aber das ist dem Zeitgeist geschuldet und nicht dem Umstand, dass sich Böhmermann auf die Midlife-Crisis zubewegt und Schulz mit dem Rauchen aufgehört hat.
Das Schlusswort hat Olli Schulz: "Die analysieren gespielte Scheiße und machen da auch noch 'nen Podcast draus." Ähm...okay?!
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