Interview

Daniel Aminati: ‚Ich habe wahnsinnig viel Brutalität, Aggressivität und Lieblosigkeit mitbekommen‘

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Daniel Aminati spricht im Quotenmeter-Interview über seine schwierige Kindheit, seine Zeit beim FC Bayern München und verrät, warum er letztes Jahr nicht «Die Alm» bei ProSieben moderierte.

Hallo Herr Aminati, Sie spielten in der Jugend beim FC Bayern München, waren Teil einer Boy-Band und sind nun seit vielen Jahren erfolgreicher Moderator. Gibt es etwas, das Sie nicht können?
Die Welt ist voll von Dingen, die man tun könnte, wir wären den ganzen Tag damit beschäftigt aufzuzählen, was ich alles nicht kann. Aber ich freue mich, dass ich in den letzten 30 bis 40 Jahren einiges erleben durfte. Und das Schöne ist: Das Leben ist noch nicht vorbei, ich bin gespannt, was noch so kommt.

Das Positive überwog aber in den letzten Jahren?
Das Positive überwog – Gott sei Dank – in den letzten Jahren. Und aufgrund dessen, dass ich mir immer mehr auf die Schliche komme und begreife, wie glücklich das Leben funktionieren kann, werde ich hoffentlich noch viele glückliche Momente erleben dürfen.

Mit Ihrem Buch „Am Abgrund wachsen dir Flügel. Du scheiterst erst, wenn du aufgibst“ möchten Sie vermitteln, in jedem Scheitern einen Schritt zum Erfolg zu sehen. Was ist der erste Schritt zur persönlichen Verbesserung?
Zunächst: Ich bezeichne mich überhaupt nicht als Coach oder ähnliches. Ich bin jemand, der in seinem Leben schon ein bisschen was erlebt hat. Wenn mich jemand um Rat fragt, überlege ich immer erst, was ich selbst eigentlich tun würde. Und daraus resultierend würde ich überlegen, was ich einem Freund raten würde. Meiner Meinung nach ist der erste Schritt, um überhaupt in die richtige Richtung zu gehen, die Frage: ‚Wer will man sein?‘. Daraus muss man nicht nur ein Bewusstsein schaffen, sondern auch in die Aktion kommen. Nichts ist ohne seinen Plan und ein Plan ist nichts ohne sein Tun.

Pläne können sich bekanntlich ändern.
Da haben Sie vollkommen recht und das ist auch gut so. Stellen Sie sich vor, alles im Leben würde gelingen und jeder Plan würde ins Ziel treffen, dann wäre das Leben relativ unspektakulär. Herausforderungen werden sich immer in den Weg stellen. Es ist die Frage, wie wir damit umgehen, wie man sich einstellt, wenn Dinge passieren. Die Frage ist, wie hüpfe ich über diese Stolpersteine, wie kann ich dem Ganzen noch etwas Positives abgewinnen. Jede Sache, die einem passiert, enthält meist auch eine Botschaft für einen selbst, pathetisch ausgedrückt ist es ein Geschenk. Meine Ableitung lautet: Alles ist gut so, wie es ist. Die Frage ist nur, was man daraus macht.

Sie betrachten Herausforderungen als nichts Negatives, sondern als etwas Positives?
Zu 100 Prozent. Was mir im Leben passierte, war dramatisch. Ich wurde in chaotische Zustände hineingeboren und habe wahnsinnig viel Brutalität, Aggressivität und Lieblosigkeit mitbekommen. Als Resultat daraus habe ich versucht mich selbst zu zerstören. Probleme habe ich als kaum überwindbar wahrgenommen, jetzt sehe ich Probleme eher als Herausforderung. Benenne Sie schon anders, denn an meinen Erfahrungen kann ich wachsen. So weit war ich früher aber noch nicht, weil ich mich als Opfer gesehen habe – als Opfer der Umstände, meiner Vergangenheit, meiner Geschichte. Jetzt sage ich: ‚Ich bin Schöpfer‘. Ich bestimme, wie ich mein Leben gestalte. Deswegen hieve ich meinen Hintern jeden Morgen um 4:30 Uhr aus dem Bett, um aus dem Tag irgendwas zu machen.

Sie schreiben in Ihrer Autobiographie auch von Ihrer schweren Kindheit. Haben Sie sich mittlerweile mit Ihrer Vergangenheit versöhnt?
Ich habe versucht, mit der Aufarbeitung meiner Geschichte in diesem Buch, ein Stück weit Frieden zu schließen. Ich bin auf dem besten Wege ein rundum zufriedener Mensch zu sein, aber es gibt weiterhin Momente, in denen ich manchmal in der Vergangenheit hängen bleibe und mich dann ein Gefühl einer gewissen Traurigkeit umschleicht. Während des Schreibens habe ich gemerkt, dass jede Sekunde unserer Geschichte in unseren Zellen gespeichert ist. Wenn man darin herumrührt, dann kommen gewissen Dinge hoch. Um letztlich Frieden zu schließen, müssen wir uns aber den Dingen stellen und sich nicht immer nur ablenken lassen. Das Problem: Wir leben in einer Gesellschaft voller Ablenkung. Dabei sind wir uns selten bewusst, wer wir sind und was wir tatsächlich wollen. Wir streben lieber nach dem, was uns aufoktroyiert wird, beispielsweise nach Likes und Erfolg. Aber herauszufinden, was wir wirklich wollen, bedarf einer Innenschau und deshalb war es für mich auch wichtig in die Vergangenheit zu reisen, um auch ein Stück weit loslassen zu können. Und inzwischen bin ich meiner Vergangenheit, so schwer und dramatisch sie auch war, sogar dankbar.

Hatten Sie während des Schreibens auch Kontakt zu Ihrem Vater?
Mein Vater lebt nicht mehr, ich stelle aber fest, dass ich zu meinem Vater auch so nicht mehr ganz so viel Kontakt habe. Anders ist dies bei meiner Stiefmutter, die ebenfalls verstorben ist. Zu ihr habe ich einen regen Kontakt und stelle ihr Fragen, dabei merke ich, dass sie irgendwie da ist und über mich wacht. Ich glaube, wir sind Energiewesen, die nie so ganz gehen. Daher hat sie einen großen Platz in meinem Herzen. Uns verbinden sehr viele Momente und Erinnerungen, das habe ich bei meinem Vater nicht so sehr.

Wie blicken Sie auf den Tod?
Wir tabuisieren den Tod so sehr, dabei ist er das Natürlichste der Welt. Wir kommen und wir gehen – ein ständiges Werden und Vergehen. Die Welt ist niemals im Vakuum. Ich bin der Meinung, wenn wir den Tod nicht so dramatisierten, würden wir etwas lebendiger leben. Deshalb habe ich keine Angst vor dem Tod, weil es zum Leben dazugehört. Mein Vater und meine Stiefmutter sind jetzt woanders und irgendwann werde ich folgen. Und was dazwischen passiert, liegt in unserer Hand.

Wie kann ich mir den Kontakt zu Ihrer Stiefmutter vorstellen?
Ich gehe nicht auf den Friedhof, beide sind in Düren bei Aachen beerdigt. Ich suche mir eher Momente aus, in denen ich allein bin und meinen Gedanken freien Lauf lasse und dabei verbinde ich mich. Ich habe für meine Stiefmutter auch einen Song – „Grau mal blau“ – geschrieben und wenn ich ihn höre, dann bin ich automatisch in Gedanken bei ihr. Tatsächlich war ich kürzlich mit meiner Verlobten in Aachen, habe aber festgestellt, dass ich diese Tristesse, mit der ich Aachen früher verbunden hatte, losgelassen habe. Ich habe meinen Frieden gefunden. Und jetzt freue ich mich auf das, was kommt. Wir werden demnächst Eltern.

Von Aachen sind Sie als Teenager nach München gezogen, um beim FC Bayern Fußball zu spielen. Wie war die Zeit damals?
Es war eine tolle Zeit, auch wenn der damalige Jugendtrainer Hermann Gerland ein harter Hund war. Er war dennoch eine wichtige Bezugsperson für uns Jungs, er war eine absolute Autoritätsperson, dem niemand auf der Nase getanzt ist.

Hatten Sie Mitspieler, die später den Durchbruch geschafft haben?
Definitiv, allen voran Dietmar Hamann, der ja lange Zeit beim FC Liverpool verbracht hat. In unserer Mannschaft hat auch Max Eberl, ehemaliger Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, Harald Cerny, Uwe Gospodarek, Turan Ilciktay und Werner Protzel gespielt, letzterer war mit mir auf der linken Seite unterwegs. Dort zu spielen, hat mich geformt und auch fußballerisch natürlich sehr weitergebracht.

Woran lag es, dass es nicht zur Profikarriere gereicht hat?
Ich habe den Sprung in den Profikader nicht geschafft, weil ich damals nicht so konzentriert bei der Sache war wie manch anderer.

Fitness und Motivation haben damals für Sie noch keine übergeordnete Rolle gespielt?
Heutzutage verfolge ich das Thema Motivation und Persönlichkeitsentwicklung sehr intensiv – meine Verlobte studiert Psychologie und ich schaue ihr dabei über die Schulter und lerne mit. Das ist zu unserem Steckenpferd geworden. Damals war ich einfach noch nicht so weit. Mit 17 oder 18 Jahren hatte nicht nur die Fußbälle im Kopf, sondern auch die Bälle der Damen (lacht). Alles hat seine Zeit zu seiner Zeit. Jetzt springe ich mit meinen fast 50 Jahren auch nicht mehr in der Disco herum und geiere den Mädels nach.

Wir machen einen Zeitsprung: Seit 2015 sind Sie das Gesicht des Bodyweight-Fitness-Programms „Mach dich krass“. Geht es darin eigentlich auch um Themen abseits der physischen Stärke?
Es ist in erster Linie ein Fitnessprogramm. Ich versuche aber auch mein Motto zu vermitteln. Soll heißen, wenn wir schwitzen, dann schwitzen wir, und zwar richtig. Es darf aber auch gerne gelacht werden. In den Pausen habe ich versucht, für gute Laune zu sorgen und zu motivieren. Körperliche Fitness ist das eine, in den Gedanken und den Bildern, die wir schaffen, ist die Motivation. Das eine geht einher mit dem anderen. Körper und Geist sind eng miteinander verwoben, deswegen ist für mich die richtige Ernährung wichtig. Dadurch stärke ich mein Kraftwerk, den Körper. Der Geist braucht ebenfalls die richtige Nahrung, daher versuche ich das Richtige zu lesen und nicht ganz so oft vor der Glotze zu hängen. Ich gehe bewusst mit mir um!

Zu Beginn der Pandemie durften Sie ihr Programm auf ProSieben gemeinsam mit Fernanda Brandão vorführen. Die Quoten waren mit knapp vier Prozent in der Zielgruppe schwach.
Das sehe ich nicht so. Wir hatten damals kein Fitnessprogramm extra für den Fernsehmarkt konzipiert, sondern Folgen aus dem Online-Programm genommen. Die Quoten im Vormittagsprogramm sind nun mal generell keine Kracher. Es war ein Versuch Fitness via TV näher zu bringen. Das hat der Sender eine Woche ausprobiert und hat sich dann entschieden das Gewohnte weiter laufen zu lassen. Völlig ok. Ich hatte keine Erwartungen.

Vor drei Jahren moderierten Sie «Renn zur Million… wenn Du kannst!». Vier Ausgaben wurden gesendet, seitdem wurde es still um das Format.
So ist das nun mal, manches funktioniert, manches nicht. All good.

Gab es damals eigentlich eine offizielle Absetzung?
Das war ein sehr aufwendiges Format, da muss man die Kosten-Nutzen-Rechnung in Betracht ziehen. Wenn die Quoten nicht eingespielt werden, die der Sender sich erhofft hatte, dann wird anders als beispielsweise bei einem Streamingdienst, recht schnell entschieden, ob es fortgesetzt wird oder nicht.

Also gab es ein klares Quotenziel, das vorher ausgegeben wurde?
Also wenn aufwändig produziert wird, investiert man ja nichts in Blaue hinein. Na klar, gibt es Quotenwünsche. Die wurden nicht erreicht. Mund abwischen, weiter geht’s.

Im vergangenen Jahr hat ProSieben «Die Alm» ins Programm zurückgeholt, das bekanntlich von Christian Düren und Collien Ulmen-Fernandes moderiert wurde. Warum eigentlich nicht von Ihnen wie vor elf Jahren?
Ich habe dieses Format mit Janine Kunze vor vielen Jahren moderiert. Ich freue mich, dass ich mich weiterentwickelt habe und andere „Bühnen“ inzwischen interessanter für mich geworden sind.

Wurden Sie denn angefragt?
(lacht) Nein, meine Chefs wissen, wohin meine Reise geht, und dazu gehört «Die Alm» nun mal nicht mehr. Wie gesagt, ich habe mich weiterentwickelt und gehe vorwärts und nicht rückwärts.

Herr Aminati, vielen Dank für das Gespräch!

"Am Abgrund wachsen dir Flügel" von Daniel Aminati erscheint im Ariston-Verlag und ist ab heute im Handel erhältlich.

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