Im amerikanischen Western dominierten Helden weißer Hautfarbe und es gehörte sich einst für jeden Hollywoodstar, sich mit Cowboyhut auf ein Pferd gesetzt zu haben. Kein Wunder, dass das Genre immer mehr an Beliebtheit verloren hat, weil afroamerikanische Wild-West-Helden nur selten zum Zuge kamen. Woody Strode (†80) war als «Der schwarze Sergeant» (1960) einer der ersten Schwarzen, die in einem Western in dem Mittelpunkt gerückt wurden. Sidney Poitier durfte in «Duell in Diablo» (1966) sogar einen Revolverhelden mimen. Ein Trend konnte damit aber nicht losgetreten werden, nicht zuletzt, weil man auch noch in den Sechzigern afroamerikanische Hollywoodstars an einer Hand abzählen konnte. 1974 schlug dann Mel Brooks mit seiner Westernsatire «Der wilde wilde Westen» zu, mit der er gezielt den Rassismus in den USA thematisiert. Denn hier wird ein schwarzer Eisenbahnarbeiter (Cleavon Little, †53) zum Sheriff ernannt, was zunächst einen Skandal heraufbeschwört, dann aber zu einer Heldengeschichte führt. Zuletzt konnte Denzel Washington in dem Remake von «Die glorreichen Sieben» (2016) als Anführer verwegener Outlaws für Gerechtigkeit sorgen. Wie ein Westernheld wirkte aber auch Idris Elba in der Stephen-King-Verfilmung «Der dunkle Turm» (2017). Nur fehlte ihm neben seinen beiden Revolvern der Cowboyhut und das Pferd. Das holt er jetzt in der Netflix-Produktion «Concrete Cowboy» nach.
Daddy soll’s richten
Nach einer Prügelei ist Cole (Caleb McLaughlin) mal wieder von der Schule geflogen. Seine Mutter (Liz Priestley) weiß nicht mehr weiter und reist mit dem 15-Jährigen von Detroit nach Philadelphia, wo sich sein Vater um ihn kümmern soll. Daddy soll’s richten! Harp (Idris Elba) hat seinen Sohn jedoch schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, lebt in einer heruntergekommenen Bude und interessiert sich anscheinend nur für Pferde. Denn er gehört zu den Flechter Street Rider, einer Truppe von Cowboys, die in der Stadt eine traditionsreiche Pferdebestallung führen. Cole fühlt sich von seinem Vater nicht verstanden und freundet sich mit dem Drogendealer Smush (Jharrel Jerome) an. Der Junge droht dadurch endgültig auf die schiefe Bahn zu kommen. Harp muss endlich in seiner Verantwortung als Vater handeln und führt seinen Sohn näher in seine Welt, in der auch der im Rollstuhl sitzende Paris (Jamil Prattis) mit seinen Lebensansichten dafür sorgt, dass Cole den richtigen Weg im Leben findet.
Idris Elba nimmt die Zügel in die Hand
Die TV-Serie «Luther» war für Idris Elba der Sprung ins große Filmgeschäft. Seitdem ist der Brite auch im Kino ein gerngesehener Schauspieler, der in Marvels «ThorW erstmals als Comicheld Heimdall auftrat, aber auch in ernsteren Rollen wie als südafrikanischer Freiheitskämpfer «Mandela» glänzen kann. In einer seiner letzten großen Kinorollen sah man ihn als Schurken in «Fast & Furious: Hobbs & Shaw». Hin und wieder begibt er sich aber auch unter die Produzenten, um die Realisierung besonderer Filmstoffe voranzutreiben. Der Roman «Ghetto Cowboy» von Greg Neris ist gewiss ein solcher Stoff, beschäftigt er sich doch mit dem Fletcher Street Urban Riding Club, den es in Philadelphia tatsächlich gibt. Die meist schwarzen Mitglieder sind urbane Cowboys und bringen Stadtkindern das Reiten bei - meist mit ausrangierten Pferden, die sie vorm Metzger gerettet haben. Eine an sich löbliche Sache, die eine filmische Aufarbeitung verdient. Was aber, wenn die Inszenierung von Erstlingsregisseur
Ricky Staub eher zahm als wild wirkt. Klar geht es dabei auch um Armut, Gentrifizierung und Rassismus, aber die Dringlichkeit dieser Themen werden kaum transportiert, wenn sich geschwätzige Cowboys in gemütlicher Runde abends vorm Lagerfeuer treffen. Da kann auch ein charismatischer Idris Elba nicht mehr viel bewegen, auch wenn er mit Zügeln in der Hand hoch zu Ross sitzend einen ansehnlichen Cowboy abgibt.
Handlung mit wenig Herz
Letztendlich will «Concrete Cowboy» aber auch gar kein Western sein, sondern Sozialdrama und noch mehr eine Coming-of-Age-Story mit Vater-Sohn-Konflikt. Immerhin hier kann der Film mit einigen doch emotionalen Momenten punkten. Aber wirklich tief ins Herz wird man als Zuschauender dennoch nicht getroffen. So plätschert die Handlung fast zwei Stunden vor sich hin, in denen man sich noch an selten gesehene Straßenbilder erfreut, aber nie wirklich in die Story hineingesogen wird.
Fazit: Themen wie Gentrifizierung, Armut und Rassismus werden nebenbei abgehandelt. Im Zentrum bleibt der die Vater-Sohn-Konflikt, der aber nie richtig ausbricht. Es brodelt an der Oberfläche, die emotionale Kraft der Story entfaltet sich nicht.
«Concrete Cowboy» ist bei Netflix streambar.
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