Die Kritiker

«Tatort - Marlon»

von

Lena Odenthal und Johanna Stern bekommen es diese Woche mit einem besonders tragischen Fall zu tun: Ein Junge wurde eine Treppe hinuntergestoßen und starb an seinen Verletzungen.

Stab

Darsteller: Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Ludwig Trepte, Lucas Herzog, Hanna Lazarakopoulos, Finn Lehmann
Musik: Dürbeck & Dohmen
Kamera: Jürgen Carle
Drehbuch: Karlotta Ehrenberg
Regie: Isabel Braak
Der Tod eines Kindes nimmt die Menschen noch einmal schlimmer mit als der Tod von Erwachsenen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich insgesamt erstaunlich wenige Krimis, gerade im Fernsehen, diese Situation zum Ausgangspunkt für ihre Handlung aussuchen. Die neue Folge des «Tatorts» aus Ludwigshafen vom kommenden Sonntag macht hier jedoch eine Ausnahme. Denn als Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) zum Fundort der Leiche, einer Pausenhalle in einer Grundschule, gerufen werden, liegt dort ein totes Kind: ein Junge namens Marlon.

Marlon war ein Problemkind, wie das «Tatort»-Team bald festgestellt hat: Er hat einer seiner Mitschülerinnen den Arm gebrochen, seine Schülerakte umfasste Dutzende Einträge zu allerhand unerhörten Vorfällen, er beleidigte die Lehrer, störte den Unterricht, schrie durch das Klassenzimmer. Seine Tobsuchtsanfälle waren berüchtigt – so sehr, dass er eigentlich vom anstehenden Schulfest ausgeschlossen war, zu dem er an seinem Todestag trotzdem gehen wollte, nur um vorher die Treppe heruntergestoßen zu werden und seinen Verletzungen zu erliegen.

Die Eltern des Jungen wirken auf Johanna Stern und Lena Odenthal, als seien sie mit seiner Erziehung vollkommen überfordert gewesen. Sie schienen nichts tun zu können, um seine Wut und Aggressionen zu bändigen – und je mehr sie und seine Klassenkameraden und Lehrer ihn wegstießen, desto mehr steigerte er sich in seine Wut hinein. Ein Teufelskreis, wie die beiden Polizistinnen in ihrer Außenperspektive erkennen, und diese Erkenntnis auch gleich auf sich beziehen.

So berichtet Johanna Stern, geschiedene Mutter zweier Töchter, von der ersten Urlaubsfahrt allein zu dritt ohne ihren Ex-Partner, wie eines ihrer Kinder einen Streit nach dem anderen anfing, bis sie selbst vollkommen die Fassung verlor und ihre Tochter anbrüllte wie nie zuvor: genau die falsche Reaktion, das erkennt sie jetzt mit einigem Abstand, aber in der Situation selbst konnte sie nicht anders handeln als falsch. Und wenn Lena Odenthal manchen Eltern der anderen Kinder aus der Schulklasse zuhört, wird ihr ganz schlecht. Denn diese Aussagen erinnern sie an ihre eigene Zeit als „Problemkind“, das sich mit Lehrern und Mitschülern anlegte und es damals nicht leicht hatte im Leben. Nicht jeden Sonntag sieht man im «Tatort», wie sinnvoll die eigenen Lebensläufe der Kommissare auch in den Fall hineinwirken, den sie zu lösen haben.

Dabei kommt diese Geschichte natürlich nicht aus, ohne vorher einen ziemlich großen Bogen zu spannen: Verlangen wir zu viel von unseren Kindern? Hören wir ihnen richtig zu? Achten wir auf ihre Bedürfnisse? Und was tun wir, wenn ein Kind aus der Reihe schlägt, andere Bedürfnisse hat als die anderen und mit ihnen in Konflikt tritt? Was passiert, wenn das nicht der Fall ist, wenn alle wegschauen und falsch handeln, skizziert uns der «Tatort» am Sonntag – und das sollte nicht nur Lena Odenthal und Johanna Stern zurecht erschüttern, sondern uns alle.

Der Film «Tatort – Marlon» ist am Sonntag, den 8. Mai um 20.20 Uhr zu sehen.

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