
Die Programmstrategie erinnert dabei stark an die Konkurrenz aus Köln, denn für den Vorabend hat er in Sat.1 eine neue Vorabend-Kochshow angekündigt. Diese Programmfarbe bedient seit vielen Jahren VOX am Vorabend mit «Das perfekte Dinner». In der neuen Sat.1-Show «Doppelt kocht besser», die ab Juli täglich um 19:00 Uhr gesendet wird, treten pro Episode jeweils drei Paare an, die in einer engen Beziehung zueinander stehen im Koch-Wettkampf gegeneinander an, wobei der fähigere Koch der Beziehung nur per Knopf im Ohr dem talentfreieren Koch Anweisungen geben darf. „Das geht oft herrlich schief“, erklärte Rosemann dabei im Interview. Womit die Frage erlaubt sein muss, warum Rosemann denkt, dass Scheitern bei Kochshows noch immer ein Einschaltfaktor sei. VOX hat sich seit Jahren weiterentwickelt und begeistert beim «perfekten Dinner» mit kreativen Rezepten und gelungenen Umsetzungen. Rosemann steckt im Denken der 00er-Jahre fest. Solche Formate floppten katastrophal wie «Hensslers Countdown» und die Kabel-Eins-Show «Koch die Box!», bei dem Normalos ein Rezept nachkochen sollten. Bei «Doppelt hält besser» entscheiden in einer Blindverkostung am Ende Moderator Alexander Kumptner und die nicht kochenden Teilnehmer, welche Kreation gelungen ist und welche nicht. Die Constantin-Entertainment-Produktion verdrängt damit die stets erfolglose Gameshow-Schiene am Vorabend, die sich andernorts – «Buchstaben Battle» am Vormittag und «Let the music play» am späten Abend – derzeit zwar ordentlich schlägt, laut Rosemann im Interview aber für diese Uhrzeiten nicht gemacht wurden und sich wirtschaftlich deshalb nicht lohnten. Für Rosemann ist dies ein Eingeständnis einer Niederlage, denn der Startschuss von «Let the music play» fiel rund drei Monate nach seinem Sat.1-Amtsantritt.

Rosemann spricht bei der «Voice»-Verlegung von einer „Neupositionierung unseres Wochenendes“. Da man Familien vor dem Fernseher am Sonntagabend nicht zu spät ins Bett schicken wolle, ruft man neben dem Mittwoch auch den Freitag zum „Entertainment-Tag“ aus. Auch RTL beweist derzeit und seit vielen Jahren mit «Let’s Dance», das diese Strategie sehr erfolgreich sein kann. An der Donnerstag-Ausstrahlung bei ProSieben hält man dagegen fest, wo wiederum die Frage erlaubt sein muss, ob Rosemann seine Kinder freitags nicht in die Schule schickt. Eine weitere bemerkenswerte Änderung gibt es zudem am ProSieben-Sonntag, die so bereits auch bei RTL und VOX immer wieder angewendet wird. Künftig soll es bei der roten Sieben keine Hollywood-Blockbuster mehr geben. Derzeit sendet RTL «Ninja Warrior Germany» und VOX ist mit «Kitchen Impossible» zu Beginn des Jahres überaus erfolgreich gewesen. Rosemann betonte allerdings im Interview: „ProSieben verzichtet nicht auf Hollywood. US-Lizenz wird immer einen wichtigen Anteil in unseren Grids haben. Aber an einem weiteren Primetime-Abend der Woche müssen und wollen wir auf Spielfilme verzichten.“ Er begründete diesen Schritt mit dem durch die Corona-Pandemie knapper gewordenen Kino-Angebot, das „meist etwa zwei bis drei Jahre nach Kinostart fürs Free-TV“ verfügbar sei, so Rosemann. Als Hinweis an dieser Stelle: anspruchsvolle und ansprechende Kino-Produktionen lassen sich nicht nur in Hollywood finden. Im Pandemie-Jahr wurden über 100 Kinofilme veröffentlicht, auch abseits der Vereinigten Staaten von Amerika lassen sich Top-Produktionen finden. Hier will wohl Rosemann sparen, um damit Eigenproduktionen verstärken zu können. Der Sonntagabend soll daher künftig mit „Eigenproduktionen statt US-Filmen“ bespielt werden. Dabei handele es sich „um Formate, die gerne ein Fenster zu Welt sind und mit Spaß und Spiel den Wunsch nach Abenteuer und Eskapismus bedienen. Ein großes Erlebnis mit reisenden Prominenten, die ich gemütlich von zu Hause miterleben kann.“ Genaueres wolle er im Juni bei den Screenforce Days bekannt geben. Es werde sich wohl um ein verwandtes Format des US-Klassikers «The Amazing Race» handeln (Will man sich hier die Lizenzkosten sparen?). Eines kann man dabei auf jeden Fall ausschließen, die Heidi-Klum-Show «Queen of Drags», die einst im Spätherbst 2019 lief und von der einst auch eine Fortsetzung angekündigt wurde, wird es nicht mehr zu sehen geben. Aktuell arbeite man nicht an einer zweiten Staffel. Eine ausführliche Begründung blieb Rosemann allerdings schuldig, er sprach lediglich davon, dass das, was entwickelt wurde, „sich inzwischen überholt“ habe.


Das Privatfernsehen steckt derzeit in einer kreativen Krise, was anhand der unzähligen Neuauflagen alter Kultformate nicht von der Hand zu weisen ist. Es bedarf Mut neue Wege zu gehen. Diesen Mut lässt Rosemann jedoch vermissen, so ist beispielsweise die Abkehr von Blockbuster-Filmen kein selbstständig gefasster Plan, der Sender lässt sich diese Strategie aus Ermangelung an Alternativen geradezu aufzwängen – nicht umsonst wurde bei Sat.1 die «Harry Potter»-Saga in den vergangenen sieben Monaten bereits zweimal durchgekaut. RTL schloss kürzlich einen Lizenzvertrag mit Warner Bros. ab, um auch weiterhin US-Serien und -Kinofilme verwerten zu können. Die Strategie von ProSieben am Sonntagabend kommt dagegen einer Aufgabe gleich. Und wenn Rosemann bei der Vorstellung eines neuen (nicht ganz klassischen) Quiz-Formats mit Jörg Pilawa scherzt: „Und ja, wir haben es sehr ernst gemeint, als wir gesagt haben, dass Jörg Pilawa in Sat.1 nicht nur klassische Quiz moderiert.“ Dann mag das zwar lustig sein, wirft aber auch ein erschreckend uneinfallsreiches und unkreatives Licht auf Rosemanns Büro, in dem offenbar keine guten Ideen zustande kommen.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
13.05.2022 12:31 Uhr 1
13.05.2022 12:50 Uhr 2
Eine Strategie sollte man länger als 2 Jahre durchhalten können, sonst handelt man nur taktisch.
Ansonsten fehlt Kreativität plus Gespür fürs Publikum. Man gibt sich zu viel mit okyen Formaten zufrieden.
14.05.2022 02:48 Uhr 3
14.05.2022 12:00 Uhr 4