Die Kritiker

«Van der Valk – Gejagt in Amsterdam»

von

Ein Mord vor den Toren von Amsterdam. Das weibliche Opfer ist kunstvoll an ein Kreuz gebunden worden. Der Mord ist eine einzige Inszenierung und derart voller Symbolik, dass sich Kommissar van der Valk sicher ist: Dieser Mörder wird wieder zuschlagen.

Stab

REGIE: Jean van de Velde
DREHBUCH: Chris Murray
KAMERA: Jeroen de Bruin
MUSIK: Matthijs Kieboom
PRODUZENTEN: Michele Buck, Chris Murray, Marc Warren, Keith Thompson
DARSTELLER: Marc Warren, Maimie McCoy, Luke Allen-Gale, Elliott Banres-Worrell, Darrell D'Silva, Emma Fielding, Robert Boulter, Beatie Edney, Jospeht Millson, Deirdre Duisterhof, Ruben Brinkman, Marcel Hensema
Im Reigen britischer Hochglanz-Thrillerserien, steht «Van der Valk» eher in er zweiten Reihe. Im Vereinigten Königreich wird die Serie von ITV ausgestrahlt. Durchaus erfolgreich, aber nicht unbedingt mit Nachhall versehen. «Van der Valk» haftet eher der Ruf an, Regalware zu sein. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Vielleicht ist dies der Tatsache geschuldet, dass es hinter der Kamera international zugeht. Produziert in Amsterdam, besteht das Drehteam fast ausschließlich aus niederländischen Filmschaffenden. So wurden fünf der inzwischen sechs Spielfilme von niederländischen Regisseuren in Szene gesetzt. Auch ARD Degeto steckt mit in der Produktion und programmiert die Serie als Feiertagsevent – so wie in diesem Jahr, in dem der erste Spielfilm der zweiten Staffel am Pfingstsonntag Premiere feiert. Es heißt allerdings nicht umsonst, dass viele Köche den Brei verderben und schon die erste Staffel von «Van der Valk» wirkte stets ein wenig so, als würde ein Themenkatalog abgearbeitet. Ein kontroverses Thema hier, einen sozialkritischen Aspekt da und mittendrin ein bisschen Privatleben für die Hauptfigur. Im Grunde könnte Piet van der Valk auch in einem «Tatort» ermitteln. Trotz des sicher ganz anständigen Budgets, das für die Außendrehs in Amsterdam notwendig ist, wirkt die Serie bieder.



So auch dieser erste Fall der zweiten Staffel. Im Mittelpunkt des Geschehens mag vielleicht ein Serienmörder stehen, der in Amsterdam umgeht, was erst einmal spektakulär klingt: Die Grachten aber macht dieser nicht unsicher wie einst der tauchende Serienmörder aus Dick Maas' Klassiker «Verfluchtes Amsterdam».



Nein, dieser Mörder, das ist von Anfang an klar, verfolgt einen klaren, nachvollziehbaren Plan. Und da die erste Spur direkt in ein Künstlerviertel der Stadt führt, das laut einem Gerichtsurteil für eine touristische Attraktion weichen soll, ist auch gleich klar, aus welchem Umfeld die Opfer stammen und aus welchem Umfeld wohl der Täter. Da stehen also auf der einen Seite die Baulöwen, die sich neudeutsch-euphemistisch neuerdings Projektentwickler nennen. Und auf der anderen Seite die freundlichen Künstler, die doch nur einen Platz suchen, an dem sie sich kreativ ausleben können. Und genau das könnte auch die Handlung eines «Tatorts» aus Berlin, Bremen oder dem einer anderen, eher sozialdemokratisch geprägten Sendeanstalt sein. Eben weil von Anfang an die Fronten so klar gezeichnet sind, fehlt es der Geschichte an Spannung, obschon der Killer, der sich hier durch Amsterdam mordet, durchaus unheimlich gezeichnet ist.

So trägt sein erstes Opfer ein auf der Haut verewigtes Kreuz. Und nachdem ein zweites Opfer nicht lange auf sich warten lässt, wird ein solches Zeichen auch auf ihrer Haut gefunden. Ist es wirklich ein X? Oder nicht eher ein Andreaskreuz? Die Flagge von Amsterdam enthält drei Andreaskreuze und es zeigt sich bei den Ermittlungen, dass sich der Mörder offenbar von Amsterdamer Geschichte leiten lässt. Was wiederum bedeutet: Wenn man zwei Leichen hat, die Flagge der Stadt aber drei solche Kreuze zeigt, ist der Killer noch längst nicht fertig.

Langweilig ist das nicht. Aber es ist auch nicht fesselnd. «Van der Valk – Gejagt in Amsterdam» sieht gut aus, die Schauspielerinnen und Schauspieler agieren ohne Fehl und Tadel, die Symbolik, nach der der Killer vorgeht, wirkt in sich schlüssig. Allein fehlt es an echten Überraschungsmomenten im Rahmen der Handlung. So ist das erste Opfer eine Anwältin, die für die Projektentwickler gearbeitet hat. Auch das zweite Opfer entstammt diesem Umfeld. Es ist also klar, wer hier auf der Abschusslist steht, denn leider gelingt es der Inszenierung nicht, glaubhafte Spuren zu legen, die in andere Richtungen führen. Wenn van der Valk etwa anfangs ein Beziehungstat nicht für ausgeschlossen hält, huscht ein Lächeln über das Gesicht des erfahrenen Kriminalfilmguckers.

Nein, diese Spuren wirken aufgesetzt.

Der britische Autor Nicolas Freeling hat die Figur des Piet van der Valk erfunden. Angeblich kam ihm die Idee, als er selbst mit dem Gesetz in Konflikt geriet und wegen eines Diebstahls einige Wochen im Gefängnis verbringen musste. Freeling, mit einer Niederländerin verheiratet, lebte zu dieser Zeit in Amsterdam und arbeitete als Koch. Der Überlieferung nach handelte es sich um ein Missverständnis. Ein Missverständnis, das ihm allerdings die Zeit bot, schriftstellerisch tätig zu werden. Freeling, Sohn einer irisch-katholischen, und gleichzeitig dem Kommunismus zugeneigten Kinderbuchautorin (Anne Davidson), erschuf mit der Figur des Piet van der Valk eigentlich eine niederländische Variante des französischen Ermittlers Maigret von Georges Simenon. Van der Valk kann zwar durchaus aufbrausend sein, was ihn von Maigret unterscheidet, in der Regel aber agiert er zurückhaltend und beobachtend. Seine Spezialität sind lange Verhöre.

In deutschen Landen wurde die Figur durch die erste, ebenfalls von ITV produzierte Fernsehserie populär, die 1972 in Produktion ging, dem Jahr, in dem Freeling seine Romanfigur in dem Kriminalroman «Van der Valk muss schweigen» eigentlich sterben ließ. Trotz der Popularität der Serie auch in seiner britischen Heimat weigerte er sich allerdings, die Reihe fortzuführen, ein 1989 erschienener Roman spielt zeitlich vor van der Valks Tod; außerdem ist an der Valks Witwe Hauptfigur zweier Thriller. In der DDR wurde die Serie bereits 1976 erstmals ausgestrahlt, das ZDF folgte erst geschlagene drei Jahre später – als sie im Vereinigten Königreich bereits abgesetzt war (1991/92 folgte allerdings noch eine fünfte Staffel).

Schon die vor 50 Jahren gestartete Krimiserie hatte wenig mit den Romanvorlagen zu tun; so wurden quasi nur Ideen aus den Romanen angerissen, die meisten Geschichten entstammten der Fantasie der Drehbuchatoren. Und auch die aktuellen Verfilmungen weisen mit den Romanen kaum Gemeinsamkeiten auf. So spielt in den Romanen Piet van der Valks Ehefrau eine wichtige Rolle. Sie ist sein Anker, seine Vertraute. Darüber hinaus ist van der Falk ein sehr empathischer Mensch. Er ist kein einsamer, von Traumata gebeutelter Wolf. Oder anders ausgedrückt: Er ist alles, was ein moderner Fernsehkommissar heute nicht sein darf.

Das aber macht die neue Serienfigur ein Stück weit beliebig. Marc Warren ist in der Hauptrolle der Serie keine falsche Besetzung. Er stellt van der Valk souverän und glaubwürdig dar. Aber dieser van der Valk ist am Ende eben doch ein typischer Kriminalfilmermittler der Gegenwart, selbst wenn er durchaus die Fähigkeit zum Teamplay mitbringt. Dennoch ist er zumindest in seinem Herzen ein Einzelgänger, der sein Leben seiner Arbeit untergeordnet hat.

Und da stellt sich die Frage: Warum «Van der Valk»? Klar, fürs Marketing ist ein bekannter Name bereits die halbe Miete. Nur hat die Serie mit den literarischen Vorlagen nicht mehr viel zu tun – was dann einen zweiten Vergleich mit «Maigret» gestattet, und zwar den ebenfalls von ITV produzierten Spielfilmen aus den Jahren 2016 und 2017, in denen Rowan Atkinson den französischen Ermittler in einem klassischen Ambiente darstellt. Sicher dürften die Filme um einiges teurer gewesen sein. Sämtliche Kleidung musste geschneidert, Kulissen aufwendig gebaut werden. Allein dadurch aber entfalten sie eine ganz andere Klasse und Atmosphäre als «Van der Falk», der eben nur einer von vielen TV-Kommissaren ist, die irgendwie ihren Job machen und einfach über die Runden kommen wollen.

Fazit: Schlecht ist das nicht. Packend allerdings auch nicht.

Am Sonntag, 5. Juni 2022, 21.45 Uhr, Das Erste

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