Die Kino-Kritiker

«X» – Von Pornos und Horrorfilmen

von   |  19 Kommentare

Ein Filmteam möchte in einem texanischen Landhaus einen Erotikstreifen drehen. Doch dann werden die Besitzer dieser Idylle zum Problem.

1968 führte die Motion Picture Association (MPA) in den USA das „X“-Rating ein. Damit wurden alle Filme gekennzeichnet, die für Kinder und Jugendliche nicht geeignet erschienen. Das betraf meist gewaltverherrlichende Darstellungen oder pornografische Inhalte. 1990 wurde das „X“-Rating durch das „NC17“-Rating ersetzt, aber noch immer scheint das große „X“ eine Anziehungskraft zu haben, weil man damit etwas Verbotenes, Abtrünniges oder gar Böses assoziiert. So muss es auch Ti West ergangen sein, der sich schon immer für Horrorfilme interessierte, als Regisseur die Fortsetzung von «Cabin Fever» drehte, sich aber von der offiziellen Schnittfassung, die er nicht beeinflussen konnte, wieder distanzierte. Das Genre belieferte er anschließend noch mit Filmen wie «The Innkeepers – Hotel des Schreckens» oder «In the Valley of Violence». Nachdem West in den letzten Jahren ausschließlich fürs Fernsehen arbeite, folgt nun sein nächster Horrortrip mit dem schlichten Titel «X», mit dem er sein Lieblingsgenre mit dem anderen verruchten Genre, dem des Pornofilms, verknüpft.

Je oller, je doller!
1979 will ein kleines Filmteam in einem abgelegenen Landhaus in Texas einen Porno drehen. Regisseur R.J. (Owen Cambell), Produzent Wayne (Martín Henderson), die Darsteller Maxine (Mia Goth, bekannt aus Lars von Triers «Nymphomaniac») und Jackson (Kid Cudi) sowie die Assistentinnen Bobby-Lynne (Brittany Snow) und Lorraine (Jenna Ortega) stellen sich auf spaßige Tage ein. Nur die Besitzer der Ranch, das uralte Ehepaar Howard (Stephen Ure) und Pearl (wieder Mia Goth mit Altersmaske), lassen sie im Unklaren, was sie da eigentlich treiben. Die Alten verhalten sich zusehends merkwürdig. Zuerst beobachten sie nur die Neuankömmlinge heimlich, dann werden bei ihnen eigene Gelüste wach. Sie wollen wieder begehrenswert sein. Als das nicht aufgeht, beginnt ein grausames Gemetzel.

Der übliche Graus
Um es gleich vorwegzunehmen, natürlich gibt es hier keine harten Porno-Szenen. Bis auf wenige wippende Frauenbrüste wird alles, was als anstößig verstanden werden könnte, mehr oder weniger angedeutet. Aus dieser Perspektive ist «X» also völlig harmlos und verbeugt sich mit der zeitlichen Verortung höchstens vor den Siebzigerjahren, als (zugegebenermaßen meist weibliche) Nackedeis vor der Kamera gar nicht so unüblich waren. Das war es dann aber auch schon. Umso mehr wundert man sich, dass sich Ti West dann doch ziemlich viel Zeit lässt, bis das kommt, worauf zumindest Genre-Fans geduldig warten müssen: Das Abmurksen der jungen Leute mit wohlgeformten Bodys nach Agatha Christies «Ten Little Indians»-Prinzip. Einer nach dem anderen muss dran glauben. Somit folgt der übliche Graus, und die Spannung besteht höchstens darin, wer die oder der nächste ist, der auf möglichst originelle, aber zugleich widerliche Weise ins Gras beißen muss.



Aus dem Reich des Bösen
Wer also schon genügend Horrorfilme gesehen hat, kennt das Schema in- und auswendig. Da kann auch ein Ti West das Rad nicht neu erfinden. Das einzig Perfide und Ungewöhnliche ist vielleicht, dass hier alten Menschen sexuelle Gelüste zugesprochen werden. Was aber angesichts verschrumpelter und hängender Haut eher ein Igitt-Gefühl auslöst, weshalb sich Film den Vorwurf einer gewissen Altersdiskriminierung gefallen lassen müsste. Der größere Vorwurf ist aber eigentlich, dass damit nur eine weitere Variante zu Massenmördern («Halloween»), Dämonen («Tanz der Teufel») und bösen Kindern («Das Omen») geboten wird. So gesehen, sind auch unheilvolle Senioren nichts Neues, wenn man etwa jüngst an M. Night Shyamalans «The Visit» oder «One Last Call» mit Tobin Bell («Saw») denkt. Aus dem Reich des Bösen gab es aber auch schon mordende Autos («Christine»), Clowns («Es») und Puppen («Chucky, die Mörderpuppe»). Im Horrorgenre scheint alles möglich zu sein.

Fazit: Bis sich hier der Horror entwickelt, braucht es eine Weile. Zuerst gibt es Erotik, dann wendet sich das Blatt und das Publikum muss sich auf eklige Mordszenen gefasst machen.

«X» ist im Kino zu sehen.

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Es gibt 19 Kommentare zum Artikel
Stargamer
06.06.2022 19:50 Uhr 1
"Das Abmurksen der jungen Leute mit wohlgeformten Bodys nach Agatha Christies «Ten Little Indians»-Prinzip. "



Nur das es bei Agatha Christie immer noch das "Ten Little Niggers"-Prinzip war, so heißt der Roman nun mal im Original in der Erstausgabe in Buchform.
Haja
09.06.2022 17:51 Uhr 2


Ja, "im Original in der Erstausgabe in Buchform" heißt der Roman "Ten Little Niggers", stimmt. Allerdings gibt es den Roman auch unter dem Namen "Ten Little Indians", den die Taschenbücher von "Pocket Books" 1964 bis 1986 trugen, was somit nicht weniger richtig ist.
Stargamer
10.06.2022 11:54 Uhr 3
Es ist in sofern nicht richtig dass Agatha Christies Prinzip eben nicht "Ten Little Indians" ist, sondern "Ten Little Niggers". Irgendwelche späteren Namen des Buches, in diesem Fall sogar nur für den US-Markt, ändern nicht den Namen des grundlegenden Prinzips das wie der Roman heißt.



Nur mal als Anregung zum Nachdenken: Heißt der Reim, auf den sich das Buch bezieht, zehn kleine Negerlein oder zehn kleine Indianer?
Haja
10.06.2022 21:36 Uhr 4


Du vergleichst hier deutsch und englisch miteinander. Auf deutsch sind es zehn kleine Negerlein. Dort existiert (soweit mir bekannt ist) keine "zehn kleine Indianer"-Variante. Und auf englisch gibt es auch die Variante "Ten little Indians" (auch "Ten Little Injuns" gibt es). Hier mal die ersten beiden Strophen davon:



Ten little Indians standin' in a line,

One toddled home and then there were nine;



Nine little Indians swingin' on a gate,

One tumbled off and then there were eight.



Würde im Artikel «zehn kleine Indianer»-Prinzip stehen, hättest du recht, dass es "zehn kleine Negerlein" heißt und "... Indiander" falsch ist. Auf englisch, wie im Artikel geschrieben, ist beides richtig.
Stargamer
11.06.2022 13:25 Uhr 5
Natürlich ist es das nicht, das weißt du auch.



Ich kann mich gerne noch 1000x mal wiederholen bist du es verstehst. Das Prinzip, dass Agataha Christie zum Vorbild nahm, ist "Ten Little Niggers", spätere Versionen davon ändern nicht den Ursprungsnamen. Vor allem nicht ein willkürlich herausgepickter. Entweder man nimmt den Originalnamen oder den aktuellen, aber man pickt sich nicht eine zwischenzeitlich gewählte Variante eines einzelnen Marktes.
Haja
26.06.2022 11:36 Uhr 6


Ich habe jetzt extra einige Tage abgewartet, ob sich hier noch etwas tut, bevor ich wieder etwas schreibe. Dem ist aber nicht so.



Wie gut, dass in diesem Forum, die Möglichkeit vorhanden ist, seine eigenen Beiträge zu ändern bzw. zu bearbeiten. Möchtest Du, Stargamer, das vielleicht mit deinem letzten Beitrag tun? :slightly_smiling_face:
Stargamer
26.06.2022 13:14 Uhr 7
Warum sollte ich das tun? Ich lasse meine Tippfehler stehen und stehe dazu.
Haja
30.06.2022 17:25 Uhr 8

Okay, das ist ... interessant, so will ich es mal nennen, ohne weiter darauf einzugehen, außer, dass ich keine Ahnung habe, wie zwischen ein "t" & ein "h" ein "a" rutschen kann, das ist ja nun nicht gerade in der Nähe der anderen beiden Buchstaben, aber egal.



Mal zu nem anderen Thema zurück. Du schreibst in deinem vorigen Beitrag: "Entweder man nimmt den Originalnamen oder den aktuellen, aber man pickt sich nicht eine zwischenzeitlich gewählte Variante eines einzelnen Marktes."



Frage: Wo steht das? Wer bestimmt das? Der Pressekodex? Frau A. Christie (Wie auch immer nun mit Vornamen heißt, da bist Du mehr Experte als ich.)? Kannst Du dazu mal bitte eine Quelle angeben? Und bitte nicht so etwas wie "Das hat man schon immer so gemacht." oder "Das kann jeder schnell & einfach selber herausfinden & wer es nicht kann ist dumm." oder ähnliches. Bitte eine ganz konkrete Quellenangabe, die zeigt, dass du Recht hast und hier ein Fehler vorliegt.
kauai
30.06.2022 18:18 Uhr 9
Vielleicht weil man die gleichen hohen Maßstäbe auch bei sich selbst und nicht nur bei anderen ansetzen sollte?
Haja
30.06.2022 21:36 Uhr 10

Besonders, wenn man bei anderen sogar auf solche Kleinigkeiten wie "Der richtige Indikativ wäre ja schön." (unter dem Artikel "Und die nächste Show mit Wontorra") Wert legt.

Danke. Endlich jemand, der versteht, was ich meine und es auch so sieht. (Was nicht heißen soll, dass andere dies nicht tun.) :slightly_smiling_face:

Und wenn man dann noch seine eigenen inhaltlichen Fehler zugeben & eine Niederlage eingestehen könnte, wäre das sympathisch und ein Zeichen von Größe.

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