Serientäter

«Love, Death & Robots», Vol. 3

von   |  6 Kommentare

«Love, Death & Robots» definiert sich im Umfeld hochpreisiger Edelserien, mit denen Netflix Monat um Monat ums Publikum buhlt, als der fiese, kleine Outlaw. Was für die visuelle Umsetzung kaum gilt. Das ist alles A-Niveau. Das ist Kino. Was die Storys jedoch betrifft, zeigt schon die erste Episode, dass das Outlaw-Image sorgsam gepflegt wird.

Stab

STUDIOS: Blow Studio, Blur Studio, Polygin Pictures, BUCK, Ttmouse, Axis Studios, Son Pictures Imageworks, pinkman.tv
IDEE: Tim Miller
EXECUTIVE PRODUCERS: Tim Miller, David Fincher
Neun Episoden zwischen 6 und 21 Minuten
«Drei Roboter: Rückzugsstrategien» lautet der Titel der ersten Episode, die auf einer Vorlage von John Scalzi basiert. Scalzi, ein entfernter Verwandter von John Wilkes Booth, dem Mann, der Präsident Lincoln erschoss, ist ein Autor, der fürs große Publikum schreibt, aber gerade durch seinen stets humorvollen Unterton immer wieder auch Erwartungen zu brechen versteht. In den USA erlebte er seinen literarischen Durchbruch mit der «Old Man's War»-Trilogie, die zwischen 2005 und 2007 vier Bände umfasste. Ja, eine Trilogie mit vier Bänden: Der vierte Band erzählt nämlich tatsächlich noch einmal die Geschichte des dritten Teiles, nur aus einer anderen Perspektive. Inzwischen hat sich aus diesem Erzähl-Universum eine Serie von Büchern entwickelt. In Deutschland, wo es Sciencefiction eher schwer hat, sind Sclazis Bücher unter dem Obertitel «Krieg der Klone» erhältlich; eine Verfilmung des ersten Bandes hat vor Jahren übrigens niemand anderes als Wolfgang Petersen angestoßen. Inzwischen gehören die Romane zu den ganz großen, unverfilmten Werken Hollywoods, die immer und immer wieder von Filmemachern aufgenommen – und dann noch wieder zu den Akten gelegt werden. Gut für Scalzi, dass es diese Serie gibt, in der er sich immer wieder austoben darf.

Im Grunde genommen ist «Drei Roboter: Rückzugsstrategien» eine Moralgeschichte. Drei Roboter landen hintereinander an drei Orten auf der Erde nach deren Vernichtung. Der erste Ort ist ein Prepper-Camp irgendwo in den USA. Hier lebten die, erklärt der intelligenteste Roboter, jene, die an den freiheitlichen Staat und das Recht auf Waffen glaubten. Als es mit der Erde zugrunde ging, starben sie wenigstens ohne die ihnen verhasste Krankenversicherung. Sie hätte eh nichts genutzt. Der zweite Ort ist eine ehemalige Bohrinsel, auf der Tech-Millionäre ihre Zuflucht fanden. Dumm nur, dass sie die Roboter, die für sie arbeiten sollten, mies behandelten. Was dann zum Aufstand eben jener führte. So bleibt als dritter Ort das Feld, auf dem 2025 die Milliardäre ins All starten wollten. Destination: Mars. Natürlich hätten sie ihr vieles Geld auch einfach in die Rettung der Menschheit stecken können, doch eine neue Welt teilen – mit dem Pöbel?

Scalzis Geschichte hat keine Spannungsdramaturgie und die politische Message der Geschichte wird der Zuschauerschaft mit einem Presslufthammer eingetrichtert. Dennoch stellt die Story einen mehr als gelungenen Einstieg in die Serie dar, sind die Dialoge der Roboter doch einfach herzallerliebst.

Roboter 1: „Sie machten einen großen taktischen Fehler. Die Erbauer (der Stahlplattform) waren hauptsächlich Tech-Millionäre.“
Roboter 2: „Was ist das?“
Roboter 3: „So etwas wie ein normaler Millionär, nur mit Hoodie und lähmender Sozialphobie.“

So kalauern sich die drei durch die letzten Tage der Menschheit und selten war die Apokalypse amüsanter. Die Unterlegung der Story mit einer Filmmusik, die an einen beswingten Neckermann-Urlaub des Jahres 1978 erinnert, verpasst der Inszenierung eine ganz besondere Note.

«Schlechte Reise» indes erhält Aufmerksamkeit bereits wegen des hinter der Kamera agierenden Namens: David Fincher. Der ist nicht nur Executive Producer der Serie, immer wieder steigt er auch auf den Regiestuhl. Im Fall von «Schlechte Reise» war dies ein Stuhl im Blur Studio, der Produktionsstätte von Executive Producer Nummer 2, Tim Miller, wi die Rechner für die 20-minütige Horrormär Extraschichten fuhren, um Bilder zu kreieren, die auf Kinoniveau agieren oder auf dem Niveau eines sehr, sehr teuren PS4-Spiels. Vielleicht wäre sogar noch etwas mehr Realismus drin gewesen, die erkennbare Animation aber macht es leichter, Gewalt mit etwas Abstand zu zeigen, denn «Schlechte Reise» nimmt sich diesbezüglich wenig zurück.

Irgendwann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nistet sich ein krabbenartiges Monster im Rumpf eines Schiffes ein. Es tötet den Kapitän und die Offiziere, der neue Kapitän wird per Streichholzziehen bestimmt und der – wirft einen auf den ersten Blick schwächlich erscheinenden Matrosen in das Innere des Schiffes, damit der, sollte er es überleben, Bericht erstattet. Der Matrose steht schon bald dem Monster gegenüber, das mit ihm, Torrin, überraschenderweise Kontakt aufnimmt. Das Monster will (warum es nicht selbst schwimmt, wird sich offenbaren) zu einer nahen Insel. Dort gibt es genug Menschen zu fressen. Als Gegenleistung für die Passage ist es bereit, die Besatzung zu verschonen. Womit das Monster, aber auch der neue Kapitän, nicht rechnen: Torrin ist ein äußerst moralisch agierender Mann, der nicht bereit ist, das Monster auf der besagten Insel abzusetzen, nur um sein eigenes Leben zu retten.

Fincher bietet 20 Minuten krachend inszenierten, bis ins Mark brutalen Monsterhorror, der die Handlung eines 90-minütigen Spielfilmes auf eben diese 20 Minuten komprimiert, ohne, dass je das Gefühl aufkäme, dass etwas fehlen würde. Die Figuren definieren sich oft nur durch Blicke. Mehr braucht es nicht, um sehr schnell zu verstehen, dass das Monster im Schiffsinneren nicht das einzige Monster ist, mit dem es Torrin zu tun hat.

Eine Trip, ein Höhepunkt
«Der Puls der Maschine» ist ein Scifi-Drama, das in seiner grafisch reduziert wirkenden Umsetzung eher einzelne Bilder erschafft, die an die Comicwelten des französischen Comicmagazins «Métal hurlant» und seine beiden filmischen Adaptionen 1977 und 2001 erinnern. Die Story ist allerdings weniger brutal und krachend, so wie die französischen Geschichten und ihre US-Ableger einst, «Der Puls der Maschine» ist vielmehr eine esoterisch angehauchte Story, in deren Mittelpunkt die Astronautin Kivelson steht. Diese verursacht auf dem Jupitermond Io einen Unfall, bei dem ihre Kollegin Barton ums Leben kommt. Die rettende Basisstation liegt zwölf Stunden entfernt und ist über Funk nicht erreichbar. Da Kivelson diese Strecke zu Fuß zurücklegen muss und ihr der Sauerstoff ausgeht, muss sie ihren Anzug an den von Barton anschließen und deren Leichnam hinter sich herziehen. Um dies körperlich durchzustehen, startet sie das medizinische Notfallprogramm ihres Anzugs, wissend, dass die Medikamente, die sie aufputschen werden, Halluzinationen hervorrufen werden.

Leider sind ihre Halluzinationen nicht halb so großartig wie der Tripp, den Robert Bisi und Andy Lyon vom Animatonsstudio Buck ihrer Zuschauerschaft präsentieren. Ohne Nachspann hat «Die Nacht der lebenden Mini-Zombies» eine Laufzeit von fünf Minuten und ist doch das große Meisterwerk, das «World War Z» gerne gewesen wäre. Wie sich der Animationsstil beschreiben lässt? Als hätte jemand eine sehr aufwendige Modelleisenbahnstadt erbaut, von allen Seiten fotografiert, die Fotos eingescannt, etwas verfremdet und dann die kleinen, dazugehörigen Figuren animiert. Mehr lässt sich nicht sagen, außer vielleicht, dass die gesamte Handlung, wenn man dieses krachende Zombiemassaker von globalen Ausmaßen einmal so nennen möchte, in Zeitraffer inszeniert worden ist. Charaktere gibt es aufgrund der permanenten Vogelperspektive, die die Kamera einnimmt, keine, es gibt nur Figuren, die rennen. Doch indem diese fünf Minuten einfach voraussetzen, dass das geschätzte Publikum einige Dutzend Zombiefilme, vom fiesen C-Schocker bis zur A-Hollywoodproduktion, gourtiert haben dürfte, braucht es nur einige Szene, die elementar für Filme dieser Art sind, um eine „Handlung“ zu implementieren und die fünf Minuten wahrlich im Fluge vergehen zu lassen. Ein Meisterwerk!

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Stargamer
09.06.2022 14:18 Uhr 1
"Im Fall von «Schlechte Reise» war dies ein Stuhl im Blur Studio, der Produktionsstätte von Executive Producer Nummer 2, Tim Miller, wi die Rechner für die 20-minütige Horrormär Extraschichten fuhren, um Bilder zu kreieren, die auf Kinoniveau agieren oder auf dem Niveau eines sehr, sehr teuren PS4-Spiels"



Und auch hier hätte mal wieder Korrekturlesen vor Veröffentlichung geholfen.
AlphaOrange
09.06.2022 15:37 Uhr 2
Haarspalterei. Gutes Review mit viel Hintergrundinfo!



Aber eine Frage:

"«Jibaro» ist die einzige Episode der dritten Staffel, die tatsächlich durchweg dem Realfilmgenre zuzuordnen ist." - wie ist das gemeint?

Wieso sollte man einen animierten Film dem Realfilm zuordnen? Jibaro ist handwerklich absolut traumhaft, aber es bleibt animiert und im Gegensatz zu den beiden anderen nahezu fotorealistischen Episoden der Staffel versucht man auch gar nicht, sich dem Realfilm maximal anzunähern.
Vittel
10.06.2022 00:50 Uhr 3
Ja, Jibaro ist angeblich komplett animiert, nur durch eine reale Tänzerin inspiriert, aber ohne Motion Capturing.

Manche Szenen wirken aber so realistisch, dass es schwer fällt zu glauben, dass da nicht doch eine reale Filmsequenz übermalt wurde.



Wie auch immer, die dritte Staffel gefällt mir sehr gut. Deutlich besser als die zweite.
Burpie
10.06.2022 06:16 Uhr 4


Guckst Du hier -> https://www.youtube.com/watch?v=JeUuk-g_Qws
Vittel
10.06.2022 10:50 Uhr 5


Genial, hatte nach so was gesucht, das erschien ja erst kürzlich. Jetzt ist mir auch klarer, wie sie die Bewegungen erzeugt haben. Es war also kein maschinelles Motion Capturing sondern ein künstlerisches bzw. händisches. Dennoch haben sie die Bewegungen der Darsteller fast 1:1 animiert.

Man sieht auch, dass sie Entwicklungswerkzeuge nutzen, die einen Teil der Animation übernehmen. Ich nehme z.B. an, dass die sehr realistischen Bewegungen des Schmucks und der Perlenketten durch eine Art Physikengine erzeugt wurden, also nur der Körper händisch animiert wird und nicht jede einzelne Perle von Hand animiert wird.



Interessant finde ich, wie sie absichtlich eine Art Uncanny Valley Effekt erzeugt haben. Das, was eigentlich vermieden werden soll in computergenerierten Darstellungen wird als Stilmittel genutzt.



Insgesamt ein wahres Meisterwerk.
Burpie
10.06.2022 11:08 Uhr 6
Genauso wie sein "The Witness" in Staffel 1 ...

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