Der deutsche Streamingmarkt hat in dieser Woche mit discovery+ Zuwachs erhalten. Damit breitet sich der Streaming-Krieg auch hierzulande immer mehr aus und die Anbieter müssen ihr Angebot schärfen und das Portfolio bestmöglich erweitern, um für ein breites Publikum interessant zu bleiben. Marktführer Netflix ist zuletzt bereits an eine Wachstumsgrenze gestoßen, die auch Auswirkungen auf die Strategie der Kalifornier hatte. Zuletzt wurden werbebasierte Angebote noch kategorisch ausgeschlossen, nach den Wachstumseinbußen spielt man nun mit dem Gedanken. Andere Streamingdienste gehen einen umgekehrten Weg, so hat der Sportstreamer DAZN Anfang des Jahres seine Preise massiv erhöhen müssen, um die teuren Sportrechte nachhaltig finanzieren zu können. Wenig später ging man auch gegen Account-Sharing vor und sammelte damit nicht unbedingt Sympathie-Punkte bei der zahlenden Kundschaft.
Die vielzähligen Streaming-Angebote bewirken vor allem eines: Unsicherheit beim Endverbraucher, welches Paket das richtige für einen ist. 2019 berichtete der ‚Spiegel‘, dass die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt habe, dass deutsche Kunden maximal 23 Euro pro Monat für Streamingabos ausgeben. Drei Jahre später dürfte dieser Wert durch erhöhte Lebenshaltungskosten wohl kaum gestiegen sein, auch wenn der Streamingmarkt seitdem nochmal an Tempo gewann. Was bedeutet das für die Dienste?
Laut der Global Streaming Study der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners könnten Streaming-Angebote ohne Werbung bald der Vergangenheit angehören. Demnach verlieren die Anbieter derzeit „massenweise“ Kunden, hierzulande überlegen bereits 24 Prozent der Nutzer mindestens ein Streaming-Abo zu kündigen. Betroffen sind davon nicht nur kleine Dienste wie Crunchyroll oder Mubi, sondern alle Dienste von Netflix, Amazon Prime Video, Disney+, über Sky, Joyn, bis hin zu RTL+ und DAZN.
„Streaming-Abos sind preissensible Produkte. Kunden kündigen ihre Abos nicht nur aus Zeitmangel. Oftmals haben sie mehrere Streaming-Abos parallel, sodass die Ausgaben dafür in Summe natürlich irgendwann teuer bzw. zu teuer werden", erklärt Lisa Jäger, Partnerin und Global Head of Technology, Media & Telco bei Simon-Kucher & Partners. „Netflix & Co. müssen dringend reagieren, wenn sie nicht weitere Mitglieder durch 'Subscription Fatigue' verlieren wollen. Das heißt: Anbieter müssen über neue Monetarisierungsmodelle nachdenken. Auf Grund des hohen Kündigungsrisikos gilt das besonders für DAZN, Joyn und Sky.“ Als „Subscription Fatigue“ (Abonnementmüdigkeit) bezeichnet man einen potenziellen Rückgang des Verbraucherinteresses an Abodiensten im Laufe der Zeit, wenn die Anzahl der verfügbaren Angebote zunimmt. Die Idee hinter der „Subscription Fatigue“ ist, dass eine derart überfüllte Abonnementlandschaft zu einem größeren Zögern der Verbraucher führen könnte, sich für ein weiteres wiederkehrendes Angebot anzumelden. Theoretisch könnte Abonnementmüdigkeit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Kunden Abonnements vollständig kündigen, was zu höheren Abwanderungsraten und einem verringerten Kundenlebenszeitwert, durchschnittlichen Bestellwert und Kundenzufriedenheit führt.
Wie erwähnt scheint das Kündigungsrisiko bei DAZN besonders hoch zu sein. Die repräsentative Umfrage von Simon-Kucher & Partners, die im April und Mai 2022 unter insgesamt 1.026 Teilnehmern in Deutschland (über 10.500 weltweit) durchgeführt wurde, ergab, dass bei DAZN das Abwanderungsrisiko bei 45 Prozent liege. Der Sky-Dienst WOW (ehemals Sky Ticket) kommt auf 25 Prozent und Joyn auf 24 Prozent. 40 Prozent der Teilnehmer, die zu Streaming-Verhalten, Inhaltspräferenzen und Zahlungsbereitschaft befragt wurden, nannten den Preis als Hauptkündigungsgrund – noch vor Sparwunsch (38 Prozent) und Zeitmangel (25 Prozent).
Die Studie zeigte auch, dass 36 Prozent von einer Kündigung absehen wollen, sollte ihr Anbieter die Preise senken. Im Gegenzug würden sie dann Werbeeinblendungen akzeptieren. 71 Prozent bestätigen bereits jetzt, dass Werbung kein Grund sei, ihr Netflix-Abo zu kündigen. Sollte Netflix also tatsächlich ein werbefinanziertes Angebot starten, könnte dies auch wieder für Wachstum der Abonnentenzahlen sorgen.
„Neue Monetarisierungsmodelle können für Anbieter ein Weg sein, nicht noch mehr Kunden zu verlieren“, so Lisa Jäger. „Eine monatliche Subscription Fee plus Werbung oder ganz andere Hybrid-Modelle, die man zum Beispiel aus dem Musikstreaming wie bei Spotify schon seit längerem kennt, sind zumindest aus Nutzersicht nun auch im Streaming für Filme, Serien & Co. denkbar: Denn Werbung ist tatsächlich kein Kündigungsgrund, zu hohe Preise hingegen schon.“
Auch der Weg von discovery+ mit einem Hybrid-System zu fahren, scheint demnach richtig zu sein. RTL+ setzt neben einem werbefinanzierten Angebot künftig auch auf die Symbiose von Fernsehen, Print und Audio-Formaten und will sich damit auf dem Markt behaupten. Warum Joyn dennoch so stark zu kämpfen hat, bleibt indes fraglich. Auch das Joint-Venture von ProSiebenSat.1 und Warner Bros. Discovery fährt zweigleisig, mit discovery+ hat man aber quasi gegen eine Kopie des eigenen Angebots zu kämpfen. Die Inhalte aus Unterföhring scheinen derzeit kein Zugpferd zu sein.
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