Das einst so dominante DFB-Team der Frauen wartet seit 2016 auf einen Titel, damals wurde man in Brasilien Olympiasieger. Seitdem folgte zweimal das eher enttäuschende Aus im Viertelfinale bei EM und WM. Doch glaubt man Experten hat Bundestrainerin Martina Voss-Teckelenburg das spannendste Nationalteam seit langem um sich versammelt, um bei der am heutigen Mittwoch startenden Europameisterschaft in England um den Titel mitzuspielen. Und auch sonst verspricht das Turnier ein großartiges Ereignis zu werden und droht sogar der umstrittenen Männer-WM im Winter in Katar den Rang als Turnier des Jahres abzulaufen. Die Vormachtstellung mit acht Titel aus zwölf Turnieren scheint für die DFB-Frauen zwar vorerst gebrochen, was aber auch an der Stärke der Konkurrenz liegt.
Frauenfußball in den großen Stadien
Frauenfußball ist längst keine Randsportart mehr, das Niveau hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert. In der UEFA Champions League machte die Frauenmannschaft des FC Barcelona zuletzt gar das altehrwürdige Camp Nou voll, auch hierzulande spielen Teams wie der FC Bayern München teilweise in der großen Allianz Arena statt in den kleinen Stadien auf dem Campus. Sky hat das Potential des Frauensports längst erkannt und rief zuletzt den Juli als Frauensport-Monat aus. Der DFB ließ eine dreiteilige Dokumentation über die eigene Mannschaft produzieren und fand in Sky sowie in der ARD und der Deutschen Telekom gleich drei Abnehmer. Traditionell erhält das Großturnier, das wie die Herren-EM im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben wurde, Einzug bei den Öffentlich-Rechtlichen.
Auch das Gastgeberland England hat gemeinsam mit der UEFA die Zeichen erkannt und lässt teilweise in den großen Arenen des Landes Spielen. Das Eröffnungsspiel zwischen England und Österreich find am Mittwoch um 21 Uhr im Old Trafford statt, gemeinhin als das Theater der Träume bekannt. Auch das Finale wird vor einer stattlichen Kulisse stattfinden und im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen, nach dem Camp Nou das zweitgrößte Fußballstadion Europas. Fassungsvermögen: 90.000 Zuschauer. England als Gastgeberland dürfte bei Fußballromantikern ohnehin große Gefühle hervorrufen, nicht nur weil bei der letzten Europameisterschaft, die in diesem Land ausgetragen wurde, Jürgen Klinsmann den EM-Pokal von der Queen in Empfang nehmen durfte.
ARD und ZDF bereiten große Bühne
Sicherlich mit noch mehr Zuschauern vor den Bildschirmen rechnen die Sender ARD und ZDF, alle 31 Partien von der Gruppenphase bis zum Finale live – entweder in den Hauptprogrammen oder online – übertragen. Der Auftakt erfolgt im Ersten, an Tag zwei müssen die Zuschauer auf den Livestream auf sportschau.de zurückgreifen, wenn Norwegen auf Nordirland in Southampton trifft. Das ZDF überträgt zwei von drei Gruppenspielen der deutschen Mannschaft, darunter die Begegnungen gegen Dänemark (8. Juli, 21 Uhr) und gegen Finnland (16. Juli, 21 Uhr). Im Ersten ist das mit Spannung erwartete Duell gegen Spanien am 12. Juli (21 Uhr) geplant. Die Mitfavoritinnen aus Südeuropa müssen aber kurzfristig auf Weltfußballerin Alexia Putellas verzichten, sodass die Chancen für die DFB-Frauen sicherlich nicht geringer geworden sind, die Gruppe als Sieger abzuschließen. Unterschätzen sollte man die anderen Gegner aber ohnehin nicht, schließlich schied man vor fünf Jahren gegen Dänemark im Viertelfinale aus.
Der weitere Turnierverlauf entscheidet sich dann nach und nach. Für die K.o.-Phase haben ARD und ZDF pro Runde jeweils ein Vorwahl-Recht auf die Spiele. Im Viertelfinale hält dieses Recht die ARD, im Halbfinale das ZDF. Das Finale überträgt wie das Eröffnungsspiel Das Erste am 31. Juli live aus dem Wembley-Stadion. Alle Spiele des DFB-Teams sind zudem in den ARD-Radioprogrammen und auf sportschau.de in voller Länge zu hören. Als Kommentatoren fungieren Martina Knief (HR), Tabea Kunze (rbb), Marc Eschweiler (WDR) und Kristoffer Klein (NDR).
Vor der Kamera setzt Das Erste auf gewohnte Gesichter. Als Expertin agiert Ex-Nationalspielerin Nia Künzer, die bereits seit 2006 als Frauenfußball-Expertin bei der ARD tätig ist. Sie gibt ihre Einschätzungen an der Seite von Moderator Claus Lufen ab, der vielen Frauenfußball-Fans ebenfalls ein bekanntes Gesicht sein dürfte. Die Sendungen werden vom NDR in Hamburg-Lokstedt produziert, Reporter und Producer sind in England vor Ort, um Stimmen und Stimmungen des Turniers einzufangen. Große Experimente sind von diesem eingespielten Team weniger zu erwarten. Auch am Kommentatoren-Mikrofon werden die bekannten Stimmen von Christina Graf und Bernd Schmelzer zu hören sein. Er ist bereits seit 1991 ARD-Fußballkommentar und darf das Finale kommentieren, sie wechselte 2018 von Sky zum WDR und eröffnet das Turnier aus dem Old Trafford.
Im ZDF führt derweil «sportstudio»-Moderator Sven Voss durch die Live-Sendungen, der an seiner Seite mit Kathrin Lehmann eine neue ZDF-Expertin begrüßen darf. Das ZDF verspricht sich von Lehmann, dass sie ihre umfangreichen Kenntnisse des Frauensports einbringt, denn sie gewann als Fußball- und als Eishockeyspielerin jeweils den höchsten europäischen Pokalwettbewerb. Das Duo wird zudem an den ZDF-EM-Sendetagen von weiteren Kennerinnen des deutschen Frauen-Fußballs unterstützt: Die ehemaligen Nationalspielerinnen Turid Knaak, Navida Omilade und Tabea Kemme sowie DFB-Trainerin der U17-Juniorinnen Friederike Kromp werden ebenfalls zu sehen sein. Die Reporterinnen Lena Kesting und Franziska Müllers sind jeweils in den Stadien auf Stimmenfang. Von dort meldet sich auch Norbert Galeske und Claudia Neumann, die die Spiele kommentieren. Neumann wird den DFB-Auftakt am Freitag begleiten, Galeske ist für das Spiel Finnland vorgesehen. Weiterhin im Einsatz sind Oliver Schmidt und Gari Paubandt, die jeweils ein Spiel im Livestream kommentieren.
Das Turnier des Jahres
Rund um die Live-Übertragungen plant das ZDF am Freitag zudem die Reportage «Fußball.Frauen.Power! – Der lange Weg zur Weltspitze», die im Anschluss an das DFB-Spiel ab 23:15 Uhr gesendet wird. In dem Film von Katharina Schickling und Nici Mühlberger soll auf 40 Jahre deutscher Frauenfußball zurückgeblickt werden und auf die Unterschiede zwischen damals und heute eingegangen werden. Bereits am 3. Juli zeigte Das Erste die Doku «Alexandra Popp – Das Comeback der Kapitänin», der auch in der ARD Mediathek abrufbar ist. Nach erneuter Verletzung hat sich die Wolfsburgerin zurückgekämpft und es doch noch in den 23-köpfigen Kader geschafft.
Sowohl ARD und ZDF haben alles vorbereitet, um diese Frauen-EM in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Mit England hat die UEFA zudem ein Austragungsland gewählt, dass gewiss nicht nur die Herzen der Anhänger des Frauenfußballs höherschlagen lässt. Im Mutterland des Fußballs ist gewiss schon die ein oder andere historische Schlacht geschlagen worden. Auch die Fans haben Lust auf das Turnier. Im Vorfeld sind bereits über 500.000 von 700.000 verfügbaren Tickets verkauft worden, angeblich seien Fantrikots der englischen Nationalmannschaft knapp, wie die ‚Deutsche Welle‘ berichtet. Möglicherweise kann die deutsche Mannschaft die Vorfreude in positive Energie umwandeln und trotz Underdog-Status für eine Überraschung sorgen. Es spricht wenig dagegen, dass dieses Turnier nicht in jeglicher Hinsicht ein Erfolg wird. Und für manch einen kann es dann sogar zum Turnier des Jahres werden, obwohl im Winter eine Weltmeisterschaft der Herren gespielt wird. Aber die findet bekanntlich unter höchst umstrittenen Voraussetzungen statt.
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