Schon als der Videorecorder Einzug in die deutschen Wohnzimmer hielt, sollte das Fernsehen dem Untergang geweiht sein. Wenn aber selbst das Radio quicklebendig ist, warum sollte das klassische Fernsehen aussterben – auch wenn Netflix-Chef Reed Hastings der „WirtschaftsWoche“ sagte, dass in rund zwei Jahrzehnten die Empfangsform tot sei. Über Jahrzehnte stellte die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen fest, dass über 95 Prozent der Deutschen das lineare Fernsehen zumindest selten nutzen. Zwar sank die tägliche Nutzung in den vergangenen zwölf Jahren von 63 auf 56 Prozent, doch damit ist der Todeskandidat weiterhin quicklebendig.
Gerade private Fernsehsender versuchen mit Live-Events im Gespräch zu bleiben. Das Erste, das ZDF, RTL, Sat.1 und Sport1 haben zahlreiche Sportversanstaltungen im Programm, ProSieben und ProSieben Maxx versuchen mit der DTM, Formel E sowie der U21-Nationalmannschaft zu punkten. Events wie die 15-minütigen Live-Ausgaben von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf geben dem Sender Profil. In den Nachrichten von RTL werden Umfragen gestartet, die zum Ende der Sendung aufgelöst werden. Es soll bloß nicht der Eindruck entstehen, das Fernsehen sei aus der Konserve. Deshalb weisen auch die Polit-Magazine im Ersten auch immer auf die «Tagesthemen» hin, damit Aktualität vorgegaukelt wird. Unterm Strich macht es aber teilweise keinen Sinn, dass die fertigen Beiträge am Abend anmoderiert werden.
Zumindest selten werden öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm und private Vollprogramme laut Allensbach von 92 beziehungsweise 90 Prozent der Deutschen verfolgt. Die Nachrichtensender kommen auf 71 Prozent, die Sportsender liegen bei 51 Prozent. Online-Videoportale wie YouTube kommen auf 61 Prozent, die Mediatheken auf 51 Prozent. Überraschend: Streamingdienste, Video-on Demand und Blu-Ray oder DVD sind mit 46 Prozent gleich stark. Beim täglichen Konsum führen die Öffentlich-Rechtlichen mit 47 Prozent, die Privaten mit 28 Prozent. Dabei werden natürlich auch Vorurteile bestätigt: Das lineare Fernsehen wird vorwiegend von älteren Menschen bedient.
Umso älter die Menschen werden, umso mehr lineares Fernsehen steht auf dem Programm. Die Schlussfolgerung ist aus medienpolitischer Sicht eigentlich recht einfach: Wer im Leben steht, auf der Arbeit sich nicht mit Medien beschäftigt und eine Familie hat, setzt sich weniger mit Streamingdiensten und Co. auseinander. Dann wird eben die «Tagesschau» um 20.00 Uhr geschaut. Die Schlussfolgerung liegt nahe: Umso älter man wird, umso weniger Zeit verbringt der Durchschnittsdeutsche in den sozialen Medien. Wer also schon nicht den Kardashians folgt, wird auch nicht zu Disney+ gehen und dort ihre Serie anschauen.
Dass 14- bis 29-Jährige vom Privatfernsehen enttäuscht sind, ist ebenfalls nachvollziehbar. Aus diesem Grund sind sie zu 22 Prozent von Streamingdiensten begeistert und nutzen zu 29 Prozent YouTube und andere Portale. Spannend ist vor allem die Entwicklung über zwei Jahrzehnte: Die damals 45- bis 54-Jährigen nutzten zu 67 Prozent täglich das Fernsehen, nun sind sie bedeutend älter und schauen zu 80 Prozent das lineare Fernsehen. Bei den heutigen 85- bis 94-Jährigen wurden sogar 93 Prozent erreicht. Vielleicht liegt dieser Fakt auch einfach daran, dass ältere Menschen aufgrund ihrer teilweisen Gebrechlichkeit oder Probleme mit Alltag nicht ins Kino rennen und zu Hause oder im Altersheim verbleiben – und dann Fernsehen schauen.
Auf der anderen Seite ging die Nutzung des täglichen Fernsehens bei den jungen Menschen stark zurück. Im Jahr 2002 haben 57 Prozent der 15- bis 24-Jährigen täglich das lineare Fernsehen genutzt, nun sind es nur noch 42 Prozent. Bei den 25- bis 44-Jährigen hat sich die Nutzung hingegen kaum verändert. Die Allensbacher Umfrage zeigt: Regelmäßige Nutzer von Streamingdiensten nutzen lineares Fernsehen – selbst die 14- bis 29-Jährigen bis zu 57 Prozent mehrfach pro Woche.
Das Allensbacher Studie zeigt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland einen festen Platz in der Gesellschaft hat und noch haben wird. Ebenso unterstreichen die Ergebnisse, dass sich – egal auf welchem Weg – der überwiegende Teil der Deutschen mit Medien auseinandersetzen.
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