Interview

Anika Decker: ‚«Liebesdings ist keine Abrechnung mit dem Filmgeschäft‘

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Mit «Liebesdings» kehrt Decker erfolgreich in die Lichtspielhäuser zurück. Die Autorin griff vor allem Til Schweiger unter die Arme.

Komödien sind ihr Ding! Schon mit Drehbüchern zu «Keinohrhasen» (2007), «Zweiohrküken» (2009) und «Rubbeldiekatz» (2011) sorgte Anika Decker (46) im deutschen Filmgeschäft für Furore. 2015 setzte sie sich die Autorin aus Marburg für «Traumfrauen» schließlich selbst in den Regiestuhl. Und jetzt kommt «Liebesdings», die Geschichte des größten Filmstars Deutschlands, gespielt von Elyas M’Barek («Fack ju Göhte»), mit dessen Karriere es plötzlich bergab geht. Die in Berlin lebende Anika Decker kennt sich mit Stars aus, musste jetzt aber gegen Til Schweigers Firma Barefoot Films und Warner Bros. vor Gericht gehen, weil man ihr nicht sagen wollte, wie viel Geld «Keinohrhasen» und «Zweiohrküken» einspielten. Das Berliner Kammergericht gab ihr Recht, Im Februar 2022 wurde das Urteil rechtskräftig. Was für ein Ding! Wir trafen Anika Decker zum Interview im Hotel am Steinplatz.

Was ist ein Liebesdings?
Im Film spielt Elyas M’Barek einen Filmstar, der nach einem Skandal in einem feministischen Off-Theater landet. Dort kommt keiner auf seinen Namen, und es wird gefragt, wer ist denn dieses Liebesdings. Das Wort hat mir gut gefallen, es hat Humor und suggeriert einem, dass es im Film auch um Liebe geht.

Elyas M’Barek war…
…meine absolute Traumbesetzung. Ich hatte schon sehr früh mit ihm darüber gesprochen, wusste aber nicht, ob er Bock darauf hat. Zum Glück hat er dann innerhalb von 24 Stunden nachdem ich ihm etwas zum Lesen gab zugesagt.

Die Story spielt in einem queeren Berliner Umfeld. Wie ist es dazu gekommen?
Diese Diversität in einem Mainstream-Film zu haben fand auch Elyas toll. Diese Themen vor einem großen Publikum mit viel Spaß zu verhandeln, ist schon sehr wichtig. Mein Umfeld besteht ja nicht nur aus lauter cis*-Hetero-Menschen, was auch gar nicht meinem Weltbild entsprechen würde. Als die Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag kam, hat mich das wirklich umgehauen. Diesem engen queer- und frauenfeindlichen Weltbild entgegentreten. Das macht mir Angst. Ich will, dass die Welt so ist wie in «Liebesdings».

War es wichtig, dass der Film in Berlin spielt?
Sicherlich war Berlin dahingehend Vorreiter, aber auf queeren Partys war ich schon als Studentin in München, und Köln hat auch schon eine lange Tradition. Die Story hätte also auch woanders spielen können, aber in Berlin hatte ich noch ein paar kleine Ecken, die ich gern auf der Leinwand bannen wollte.

Welche Ecken kommen vor?
Unter anderem das Kino International, und in der Kulturfabrik Moabit haben wir dieses tolle Theater gefunden. Wir haben es aber anders ausgebaut, weil wir viel Platz brauchten.

Wie schwierig ist es eigentlich noch als Frau im Filmbusiness bestehen zu können?
Es ist auf jeden Fall einfacher geworden, und viele Kommentare wie etwa ‚Du bist doch schlagkräftig, dann hast du kein Humor‘ werden nicht mehr gemacht. Anzügliche oder sexistische Sprüche werden am Set auch nicht mehr gemacht. Es herrscht mittlerweile ein anderes Bewusstsein, was sich als sehr wohltuend empfinde.

Früher war doch also so viel schlimmer?
In den Neunzigern war das für mich als Fernsehpraktikantin nicht lustig. Deshalb finde ich es oft so lächerlich, wenn sich Berühmtheiten hinstellen und sagen, ihnen ist so etwas nie passiert. Natürlich passiert es nicht den Mächtigsten am Set, sondern jene Menschen, die kaum was zu sagen haben wie Praktikantinnen, die viel eher zur Seite geräumt werden als eine Hauptdarstellerin, wenn es Probleme gibt.

Aber noch dominieren auch im Filmbusiness die Männer…
Es wird jetzt aber genau geguckt, wie viel Prozent staatlicher Fördergelder an Regisseurinnen gehen. Wenn man möchte, dass mehr diverse Geschichten erzählt werden muss man auch die Leute fördern, die einen anderen Blickwinkel haben. Mich würde es freuen, wenn das nicht nur Frauen sind, sondern auch Leute, die dem hetero-normativen Weltbild nicht entsprechen.

Könnte man «Liebesdings» auch als eine Abrechnung mit dem deutschen Filmgeschäft interpretieren?
Nein, ich liebe ja das Filmbusiness. Es ist hart, aber wenn man mich in eine Großkanzlei umsetzen würde, müsste ich mich ganz schön umgucken. Ich liebe diese Absurditäten hinter den Kulissen wie in unserem Film. Das ist oft sehr lustig, und eine Serie „Hinter den Kulissen“ wäre oft viel spannender als das was davor passiert. Vielleicht mache ich das auch eines Tages.

Fühlten Sie sich als Frau benachteiligt, als Sie vor dem Berliner Kammergericht zogen, um ein Auskunftsrecht über die Einnahmen der Filme «Keinohrhasen» und «Zweiohrküken» zu erstreiten?
Ich habe mich in dem Rechtsstreit alles andere als benachteiligt gefühlt, denn ich habe ja schon mit der ersten Klage auf ganzer Linie Recht bekommen. Ich fühlte mich also sehr gesehen und wahrgenommen. Es war ein unheimlich gutes Gefühl in diesem Gericht zu sitzen, gegen einen Weltkonzern anzutreten und Recht zu bekommen.

Würden Sie mit Til Schweiger irgendwann wieder arbeiten?
Ich glaube nicht. In sehr vielen Dingen des Lebens verstehe ich nicht, wie man es nicht persönlich nehmen kann. Es ist ja eine sehr persönliche Sache, aber letztlich muss man wieder durchatmen, Abstand nehmen und sich sagen, hier geht es um eine urheberrechtliche Frage, und ich glaube, dass es da einen Fehler im System gibt.

Wie meinen Sie das?
Ich bin ja nicht die einzige Autorin, die keinerlei Auskunft über die Erträge bekommt. Von meinem Buchverlag erhalte ich ganz transparente Abrechnungen über meinen Roman. Da sehe ich das. Es geht also darum, dass das Urteil jetzt für alle Autorinnen und Autoren gilt. Das ist ein Kampf, der sich lohnt. In der Hinsicht sehe ich das dann auch wieder nicht persönlich, sondern universell.

Bleiben wir beim Schreiben. Warum schaffen es immer wieder so viele eher durchschnittliche Drehbücher in Deutschland verfilmt zu werden?
Das finde ich gar nicht. Ich habe jetzt sehr viele Filme gesehen, die für den Deutschen Filmpreis vorgeschlagen waren. Da waren ziemliche Kracher dabei wie Andreas Dresens «Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush» oder «Töchter».

An der Kinokasse laufen solche Filme weniger erfolgreich…
Man muss ja auch sehen, was für Filme das sind, und wenn es Arthaus-Filme sind, dann sind sie auch nicht dafür bestimmt, sieben Mio. Zuschauer zu machen. Verdientermaßen räumen solche Filme aber jede Menge Preis ab.

«Liebesdings» geht aber eher in Richtung Mainstream. Spüren Sie damit einen größeren Druck?
Einerseits habe ich einen guten Verdrängungsmechanismus, andererseits fällt mir schon auf, dass da ein enormer Druck draufliegt. Beim Schreiben lasse ich mich davon aber überhaupt nicht beeindrucken. Das macht einem eher unkreativer. Ab einen gewissen Punkt habe ich dann sowieso keinen Einfluss mehr.

Sie haben schon Ihren Roman „Wir von der anderen Seite“ erwähnt, inspiriert durch ihre eigene Geschichte als Sie nach einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung ins künstliche Koma gelegt wurden. Würde es Sie reizen, daraus auch mal einen Film zu machen?
Tatsächlich hätte ich schon große Lust darauf. Die Geschichte hat sowohl traurige als auch absurde, lustige Momente. Da würde man schon eine schöne Mischung aus Drama und Komödie hinbekommen.

Inwieweit hat diese Erfahrung Ihr Leben verändert?
Wenn man einmal dem Tod von der Schippe gesprungen ist, ändert sich alles. Ich habe gespürt, woraus ich gemacht bin und dass Humor mein Lebenselixier ist. Davor habe ich das Leben auch schon sehr genossen, aber jetzt umso mehr. Und ich habe herausgefunden, ich brauche nicht viel, um wirklich glücklich zu sein. Wenn ich mit meinem Mann und meinem Hund abends auf dem Sofa liegen und einen schönen Film gucken kann, ist für mich die Welt in Ordnung.

Vielen Dank für das Gespräch!

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